Österreich
Das neue Islamgesetz darf nicht Schule machen!
Der diskriminierende Entwurf für das neue Islamgesetz in Österreich hat den Widerstand der Zivilgesellschaft hervorgerufen. Dennoch sehen sich LehrerInnen aufgerufen, muslimischen Jugendlichen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie sollen den typischen Dschihadisten schon in den Kinderschuhen identifizieren.
Von Helga Suleiman Mittwoch, 12.11.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.11.2014, 20:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die österreichische Regierung hat einen Entwurf für ein neues Islamgesetz verabschiedet, der nicht nur unter MuslimInnen hohe Wellen schlug. Mittlerweile bilden sich breite Netzwerke muslimischer Zivilgesellschaft und Bündnisse zwischen verschiedenen Religionsgemeinden und Parteien. Ihnen ist die Gegnerschaft um das Gesetz gemein.
Das ist nicht verwunderlich und eigentlich für jeden kritischen Menschen selbstverständlich, setzt der Entwurf doch schlagartig alle MuslimInnen unter Generalverdacht. Von allen anerkannten Religionsgemeinschaften müssen nur sie eine „positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“ bestätigen.
Nicht nur wegen dieses einzigartigen Paragrafen kann von einer gesetzlichen Gleichstellung des Islam mit anderen Religionsgemeinschaften in Österreich nicht die Rede sein. Verfassungsjuristen bestätigen das.
In der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) gibt es Übereinstimmung darüber, dass das Gesetz von 1912 einer Generalüberholung bedarf. Seit drei Jahren laufen Verhandlungen mit der Regierung. Verstimmt zeigte sich der Vorsitzende Fuad Sanaç, weil das Gesetz während seiner Abwesenheit auf Grund der Pilgerfahrt veröffentlicht wurde. Zudem enthalte der Entwurf Punkte, die zuvor nicht so mit der IGGiÖ vereinbart gewesen seien und also ohne deren Zustimmung verabschiedet wurden, so Sanaç in einem Interview.
Mittlerweile hat die Glaubensgemeinschaft den Entwurf abgelehnt und fordert eine Neuverhandlung. Stimmen aus muslimischen Gemeinden verlangen eine Miteinbindung in die Verhandlungen, allen voran die Muslimische Jugend mit bereits einem Neuentwurf unterm Arm.
Es sind solche Entwicklungen, die von einigen IGGiÖ-Landesvorsitzenden positiv bewertet werden, sorgen sie doch für Beteiligung und Diskussion unter den MuslimInnen selbst. Die durch religiöse und ethnische Vielfalt ausgezeichnete muslimische Gemeinschaft rückt zusammen.
Dennoch sind die negativen Folgen dieses Gesetzesüberfalls ausufernd.
Es ist nicht schwer, die Handschrift rechtsgerichteter konservativer Kreise hinter dem Entwurf zu erkennen. In deren Geist agiert Religionspädagoge Prof. Ednan Aslan. Eines seiner liebsten Interviewagenden ist das Madigmachen der IGGiÖ, der er unterstellt, von ausländischen Organisationen gesteuert zu sein. Aslan, der sich gerne als Lichtgestalt euroislamischer Identität inszeniert, konnte oder wollte dafür freilich nie Beweise vorlegen.
Mitzuverantworten hat der Professor die Konstruktion einer Glocke der Generalverdächtigung unter die vor allem junge Muslime in Österreich gesetzt werden. Bei plötzlich hastig ins Leben gerufenen Veranstaltungen für LehrerInnen tritt er als Experte für Radikalisierungstendenzen unter muslimischen Jugendlichen auf. Im täglichen Leben vielfach verwendete arabische Wörter wie Yaani („Also…“) und Subhanallah (umgangssprachlich: „Um Gottes Willen“) gehen da schon unter Anzeichen jihadistischen Extremismus durch.
Im Allgemeinen unterscheiden sich LehrerInnen in ihren Einstellungen über den Islam nicht wesentlich vom Rest der Gesellschaft. Für viele der von Aslan Belehrten werden daher solche Scheinexpertisen ein gefundenes Fressen zur Bestätigung bereits gepflegter Klischees sein. Für andere ein einfacher Weg, sich unbequemer SchülerInnen zu entledigen. Die grundsätzliche Problematik wird damit verschärft und Jugendliche erst recht in exklusive Milieus gedrängt.
Wo Fortbildungen zu antirassistischer Pädagogik entschärfen und für die Bedürfnisse von Jugendlichen sensibilisieren könnten, bewirken Veranstaltungen zu „dschihadistischer Gefährdung“ genau das Gegenteil. Wobei ein wirklich ernstzunehmenden Lösungsansatz, der Inklusion und Chancengleichheit mit allen Mitteln fördert, nur die längst zu verwirklichende Schulreform wäre. Doch darüber herrscht Stille von Seiten des Lehrpersonals.
Eltern machen sich zu Recht Gedanken: Lassen sich LehrerInnen über Panikmache vom Einsatz für eine inklusive Reform ablenken? Oder fürchten sie bereits selbst bei kritischem Verhalten wegen „mangelnder positiver Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft“ sanktioniert zu werden? Ist gar ein Spezialgesetz für diese Berufsgruppe schon in Vorbereitung?
Es lohnt sich, über solche Fragen nachzudenken. Denn sie stehen stellvertretend dafür, was uns blühen könnte, wenn der Entwurf zum Gesetz wird und das Gesetz Schule macht! Aktuell Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- AfD beschließt „Remigration“ Abschiebung von „Personengruppen mit schwach…
- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Spurwechsel ermöglichen Migrationsexperte fordert Bleiberecht für arbeitende…
- Bundesverwaltungsgericht Geflüchtete dürfen nach Italien abgeschoben werden
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
Ein ganz toller Artikel.
Hier steht nicht, warum das Islamgesetz den Muslimen schadet. Es ist offensichtlich, dass die Autorin aus einer ideologischen Grundhaltung heraus das Gesetz kritisiert. Es kann nicht sein, dass die Menschen unter dem Schutz eines Gesetzes die Grundlagen einer Gesellschaft bekämpfen.
„Es ist nicht schwer, die Handschrift rechtsgerichteter konservativer Kreise hinter dem Entwurf zu erkennen.“
Ich kann nicht nachvollziehen, wie die Autorin zu dieser Schlussfolgerung kommt:
So ist im Entwurf zum Islamgesetz folgende Bestimmung enthalten:
12.(2) Bei der Verpflegung von Mitgliedern der Religionsgesellschaften beim Bundesheer, in Haftanstalten, öffentlichen Krankenanstalten, Versorgungs-, Pflege- oder ähnlichen Anstalten sowie
öffentlichen Schulen ist auf die innerreligionsgesellschaftlichen Speisegebote Rücksicht zu nehmen
Für andere Religionsangehörige, wie z.B Hinduisten besteht keine solche rechtliche Zusicherung.
Pingback: LINKEstmk » MIGAZIN-Kommentar zu ISLAMGESETZ
Frau Suleiman sie haben meinen vollsten Respekt!
Sehr guter Artikel..
´“Dennoch sind die negativen Folgen dieses Gesetzesüberfalls ausufernd.“
Der Entwurf zum österreichischen Islamgesetz steht unter dem Zeichen des wechselseitigen Respekts. Es sollen neue rechtliche Absicherungen begründet werden, die eher anderen Religionsgemeinschaften Anlass geben könnten sich diskriminiert zu fühlen. Als Beispiel sei folgende Bestimmung dargestellt, die es in Deutschland weder gibt noch geplant ist:
Feiertage
§ 13. (1) Islamischen Feiertagen wird der Schutz des Staates gewährleistet. Ihre Termine richten sich
nach dem islamischen Kalender. Die Tage beginnen mit Sonnenuntergang und dauern bis
Sonnenuntergang des folgenden Tages.
(2) Feiertage der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich sind
a) Ramadanfest (Idu l-Fitr)
b) Pilger-Opferfest (Idu l-Adha)
c) Aschura.
(3) Islamische-alevitische Feiertage sind
a) Fasten- und Feiertage in Gedenken des Heiligen Hizir (Hizir Fest)
b) Geburt des Heiligen Ali (Nevruz Fest)
c) Ausrufung Alis als Nachfolger Mohammeds (Gadir l´Hum)
d) Opferfest (Id ul Adha/Kurban Bayramı)
e) Asura (Trauer- und Fastenzeit in Gedenken zum Märtyrertod des Heiligen Hyssein).
(4) An den in den Abs. 2 und 3 bezeichneten Tagen sind in der Nähe von Kultstätten und sonstigen
Kultusgemeinden zu gottesdienstlichen Zwecken dienenden Räumen und Gebäuden alle vermeidbaren,
Lärm erregenden Handlungen, die eine Beeinträchtigung der Feier zur Folge haben könnten, sowie
öffentliche Versammlungen, Auf- und Umzüge, untersagt
Es ist nur fair, wenn die Begründung von Rechten auch mit bestimmten zumutbaren und angemessenen Verpflichtungen und Auflagen verknüpft wird, die gegenüber der staatlichen Gemeinschaft zu beachten sind.