Interview mit Akiz Ikon
„Wir leben doch nicht mehr in den 50er Jahren! Mein Film spielt im heutigen Berlin!“
In dem Kinofilm "Der Nachtmahr" spielen überwiegend junge Schauspieler mit Migrationshintergrund mit. Das Besondere daran: die Rollen sind deutsch, die Thematik des Filmes alltäglich. Wir sprachen mit dem Regisseur, Akiz Ikon (formally known as Achim Bornhak).
Von Lynn Femme Montag, 17.11.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.04.2016, 16:05 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
MiGAZIN: Bei Ihrem aktuellen Kinofilmprojekt ‚Der Nachtmahr‚ spielen sehr viele Schauspieler mit Migrationshintergrund mit. Die Namen und die Rollen selber sind aber deutsch.
Akiz Ikon: Das war kein Konzept. Ich wollte niemanden damit erziehen. Das hat sich einfach aus den Castings so ergeben. Ich habe diese Schauspieler ausgesucht, weil sie mich schauspielerisch überzeugt haben. Mir selber war das gar nicht aufgefallen, dass so viele „ausländische“ oder „ausländisch aussehende“ Schauspieler mitspielen, bis mich einige meiner Darsteller am Set darauf aufmerksam gemacht haben.
Info: Immer noch haben es Schauspieler mit einer anderen Hautfarbe schwer in der deutschen Filmbranche. Wenn ein Schauspieler nicht weiß, blond und blauäugig ist, sind viele Filmschaffende der Meinung, er könne keine „rein deutschen“ Charaktere spielen. Und wenn ethnische Schauspieler ernsthafte Hauptrollen spielen, so sind es meistens doch nur Filme über typische Ausländerprobleme. Dass eine „Sabine Müller“, die Rechtsanwältin ist, von einer nicht weiß-deutschen Schauspielerin dargestellt wird, bleibt nach wie vor eine Rarität – in den meisten Köpfen sogar immer noch eine Unmöglichkeit. Es gibt aber auch Filmemacher, die dieses altbackene Denken sprengen und neue Wege gehen. In dieser Reihe werden sie vorgestellt.
Auch für die Hauptfigur ‚Tina‘ hatten Sie die Castings für alle ethnischen Gruppen geöffnet. Hatten Sie keine Angst gehabt, dass, wenn die Hauptdarstellerin eine afrodeutsche, asiatische oder türkische Schauspielerin geworden wäre, der Film dann schlechter ankommen könnte oder ihn weniger Leute anschauen würden?
Ikon: Nein, das glaube ich wirklich nicht! Ich weiß auch gar nicht, wer meine Filme schaut und was dieser Zuschauer von mir erwartet. Ich mache mich davon nicht abhängig. Mir sind reine Äußerlichkeiten einfach nicht wichtig und ich gebe den Castern generell nie Angaben wie „Blond“ oder sowas vor. Außerdem, gucken Sie sich doch mal an, wer derzeit der beliebteste deutsche Schauspieler ist: Elyas M’Barek und der ist Halbtunesier.
Dieser aber spielt leider auch fast nur Klischeerollen. Das ist bei Ihrem Film ja anders. Wieso haben Sie sich z.B. nicht dazu entschieden, die Namen der Figuren umzuändern, um die Herkunft zu erklären oder mit Ausländerklischees zu spielen?
Der Nachtmahr erzählt die Geschichte einer jungen Clique, die ein unbekümmertes Partyleben führen – bis eines Tages eine von ihnen von einem abgrundtief hässlichem Wesen konfrontiert wird. Danach ist nichts mehr wie es vorher war. Kinostart: 2015
Ikon: Weil es für mich nicht wichtig war und für den Film völlig irrelevant. Es ging einfach um eine Clique, die zusammen aufwächst. Nur einmal, da habe ich einen Akzent verlangt. Ich wollte damit aber nicht den Klischeeausländer darstellen, nur weil zufälligerweise Arnel Taci die Rolle gespielt hat! Mir ging es um den Straßen-Slang, der von den Kids in den Großstädten gesprochen wird – und zwar auch von deutschen Kids, die keinen Migrationshintergrund haben. Weil sie cool sein wollen, und nur darum ging es mir.
Gab es in Ihrem Umfeld, vor allem bei den Produzenten, Stimmen, die gesagt haben, mach mal die Filmclique ein bisschen wießer, ein bisschen ‚deutscher‘?
Akiz Ikon (gebürtig Achim Borhak, *1969) ist ein deutscher Filmregiesseur und Künstler. Er studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg und wurde für zwei seiner Studentenfilme für den Oscar nominiert. 2007 erschien mit „Das wilde Leben“ sein Kinodebüt.
Ikon: Nein, Gott sei Dank arbeite ich mit Menschen zusammen, die alle sehr weltoffen sind. Keiner hatte mit meiner Besetzung ein Problem und ich wüsste auch nicht warum. Wir leben nicht mehr in den 50er Jahren. Mein Film spielt im heutigen Berlin! Und die Stadt ist nun mal sehr multikulturell.
Trotzdem sehen das nicht alle so selbstverständlich wie Sie. Es gibt immer noch Regisseure, teilweise sogar aus der jungen Generation, die der Meinung sind, sie könnten niemals einen ethnischen Schauspieler für eine Rolle besetzen, weil sie dann dessen Hautfarbe erklären müssten.
Ikon: Ich will keinen von meinen Kollegen dashen, aber ja… Es gibt Filmemacher, die halten ihr Publikum für dumm. Der Zuschauer kapiert nichts, der Zuschauer versteht nichts. Da wird von vorn bis hinten alles bis ins kleinste Detail erklärt – somit natürlich auch die Hautfarbe des Schauspielers. Diese Leute trauen ihrem Publikum nichts zu.
Was möchten Sie jungen Nachwuchsregisseuren und -filmemachern zu diesem Thema mit auf den Weg geben?
Ikon: Ich wünsche mir, dass die Filmbranche offener und toleranter wird. Damit meine ich nicht, dass man diese Quotenfilme dreht: so und so hoch muss der Ausländeranteil sein. So und so viele Frauen müssen mitspielen. Das ist Quatsch und das funktioniert meines Erachtens auch gar nicht. Die Menschen müssen ein echtes Interesse an ihrem Umfeld entwickeln und wirklich den Menschen dahinter sehen und nicht nur den Ausländer.
Und zum Schluss: Was möchten Sie ethnischen Schauspielern sagen?
Ikon: Man darf sich davon nicht entmutigen lassen, man darf es sich nicht zu einfach machen, indem man sagt, ich bekomme keine Rollen, nur weil ich Ausländer bin. Auch weiße Schauspieler haben mit ihren eigenen Klischeerollen zu kämpfen. Selbst ich als deutscher, weißer Regisseur werde mit Vorurteilen konfrontiert. Aber am Ende eines Lebens zählt es nur, dass man seine Kunst gelebt hat und sich davon frei macht, was andere von einem denken. Aktuell Feuilleton Interview
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