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Hassen und zurückhassen

Bitte kein journalistischer Vergeltungsschlag nach Charlie Hebdo

Nach dem Pariser Attentat auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" stellt sich eine zentrale Frage: Stellen wir uns auf die Seite von Pegida, Front National und den Salafisten und arbeiten an derselben Munitionsfabrik?

Von Donnerstag, 08.01.2015, 10:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.04.2015, 13:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Zum Pariser Attentat auf das Satiremagazin Charlie Hebdo gibt es erfreulich viele Stimmen, die vor einer unheiligen Allianz warnen. Gabor Steingart drückte das am Tag nach dem Terroranschlag so aus:

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„Die Extreme aller Länder sind heute Morgen in Empörung vereint. Munter wird das Abendland gegen das Morgenland, der Islam gegen das Christentum, das Fremde gegen das Bekannte in Stellung gebracht. Man könnte meinen, Pegida, Front National und die Salafisten arbeiten in derselben Munitionsfabrik. Ihr Ziel: Der religiöse Kulturkampf, ein Re-Import aus dem Mittelalter, soll auf den Marktplätzen des 21. Jahrhunderts ausgetragen werden.

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Doch die Pressefreiheit wird nicht mit der Kalaschnikow verteidigt. Wir dürfen nicht zurückhassen. Die Kriegserklärung, die uns islamische Extremisten zur Unterschrift vorlegen, muss unsigniert bleiben. Journalistische Unabhängigkeit verbietet den Vergeltungsschlag. Eine Zeitungsredaktion ist eben nicht die Fortsetzung des Kulturkampfes mit publizistischen Mitteln.“

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Am Abend des Massakers erinnerte der Moderator der ARD in einem Spezial nach der Tagesschau an die Demonstrationen in islamischen Ländern gegen die Mohammed-Karikaturen im September 2005 in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten. Von ihnen sagte der Moderator, sie hätten „die islamische Welt in einen Aufruhr gestürzt“. Mir ist klar, das war damals und ist heute noch nicht nur das Bild der Journalisten, sondern von praktisch allen. Trotzdem ist es falsch. Warum, erzählt der Chef des dänischen Rundfunks, Ulrik Haagerup, in seinem Buch Constructive News:

„In der sogenannten Karikaturen-Krise 2005 protestierten fanatische Muslime in aller Welt gegen die Veröffentlichung von Zeichnungen des Propheten Mohammed in der Zeitung Jyllands-Posten. Die meisten Fernseh-Stationen zeigten live islamische Demonstrationen in der arabischen Welt. In Dänemark wurde schnell politische Realität, dass die muslimische Welt Dänemark hasste und Dänen überall im Nahen Osten in Gefahr waren.“

„Ja“, schreibt Haagerup, „die dänische Botschaft im Libanon wurde in Brand gesteckt. Ja, es gab Demonstrationen mit brennenden dänischen Flaggen und heftige Rhetorik von muslimischen Anführern. Aber waren Millionen Muslime tatsächlich dabei, gegen das kleine Dänemark zu Felde zu ziehen? Wie es große Flammenzeichen in den Hauptstädten von Indonesien, Pakistan, Ägypten und Libanon signalisierten? Oder war es vielmehr wahr, dass es Proteste gab, die Kameras aber nur auf die wenigen Handvoll (maximal hunderte) Demonstranten in den großen Städten gerichtet waren, während die große Masse Menschen in den muslimischen Gemeinden sich kaum um das kümmerten, was Zeitungen tausende Kilometer weit weg in Dänemark veröffentlichten?“ Der dänische Rundfunk ließ einen ihrer Reporter eine riesige dänische Flagge durch Beirut tragen „und absolut niemand reagierte.“

Das Bild vom Aufruhr in der islamischen Welt entstand im Fernsehen, weil der Kamerablick auf die Wenigen sich wirksam zum Eindruck von Massen verdichtete. So sehr, dass die meisten Journalisten selbst davon überzeugt wurden. Und so sehr, dass der ARD-Moderator in seinem Spezial zum Pariser Attentat das Bild vom Aufruhr in der islamischen Welt als feststehende Tatsache in Erinnerung rief.

Ich bin sicher, es war keine Absicht. Aber in der Wirkung machen sich Medien, denen spektakuläre Bilder von Protesten wichtiger sind als ihre nüchterne Einordnung, zu Mitwirkenden in der von Steingart beschriebenen „Munitionsfabrik“ von Pegida, Front National und Salafisten. Aktuell Meinung

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  1. Aron Laubinger sagt:

    Es wäre ein schönes Signal, wenn die Muslime in Deutschland Lichterketten bilden würden und dabei die Karrikaturen der ermordeten Zeichner tragen.
    Man könnte die Zeichnungen auch, wie einst Martin Luther seine Thesen, an die Eingangstür der Morscheen nageln.

  2. Sabine sagt:

    Herr Laubinger, ich gehe von Ironie aus, aber trotzdem.

    Sämtliche muslimische Gemeinden werden offenbar in den kommenden Tagen das Attentat in Frankreich verurteilen, wie es soeben in der Tagesschau verlautete. Selbstverständlich fürchten auch sie sich vor solchen Attentaten, immerhin sind sie Teil der europäischen Gesellschaft und besuchen ebenfalls öffentliche Plätze.

    Aber warum sollten Muslime nun die Karikaturen befürworten? Nie und nimmer würde ich das an ihrer Stelle mit mir machen lassen. Solidarität kann man auch anders ausdrücken und das heißt nicht, dass man sämtliches unterstützen muss, was die Opfer hervor gebracht haben. Ich bin weder Charlie noch IS, und ich wette ich bin da nicht die einzige

  3. aloo masala sagt:

    Steht es schon fest, dass die Attentäter radikale Muslime waren? Ich würde erst einmal die Ermittlungen abwarten und nicht allzu viel darauf geben, was in den Medien unmittelbar nach einem Attentat hinausposaunt wird.

  4. aloo masala sagt:

    Die Forderung, das Muslime nun Lichterketten veranstalten sollen oder gar Karikaturen zeigen, ist emotionale Erpressung der billigsten Sorte. Hinzu kommt, dass die Karikaturen von Charlie Hebdo teilweise unter aller Sau sind.

  5. aloo masala sagt:

    Der journalistische Vergeltungsschlag wird dank PEGIDA dieses mal ausfallen. Die deutsche Presse ist zum einen zu sehr damit beschäftigt, PEGIDA davor zu warnen die Toten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Zum anderen holen die Journalisten gerade zum Vergeltungsschlag gegen PEGIDA wegen des Vorwurfs der „Lügenpresse“ aus. Die Presse instrumentalisiert auf billige Art selbst die Leichen, um PEGIDA in einen Topf mit islamistischen Mördern zu werfen. Denn beide seien gegen Meinungsfreiheit, was im Falle von PEGIDA natürlich Unsinn ist.

    Wie auch immer, die ansonsten nutzlose PEGIDA ist dieses mal auch zu etwas nützlich.

  6. Poser sagt:

    @Sabine

    Distanzieren ist die eine Sache. Sich zu einer Werte-Gemeinschaft zu bekennen ist die andere. Was schlagen Sie vor, wie muslimische Vereine ein Zeichen setzen können, dass sie zu unserer Gesellschaft und zu unseren Werten stehen? Dass man nicht unbedingt eine der Karikaturen an die Tür einer Moschee hängen muss, seh ich ja ein. Man sollte aber schon ein Zeichen setzen, so sehr man diese Karikaturen auch ablehnt, dass die Meinungs- und Pressefreiheit auch für Muslime ein hohes Gut darstellt. Was schlagen Sie vor?

    „Je suis Charlie“ steht übrigens für Meinungs- und Pressefreiheit inwiefern, muß ich Ihr Kommentar also verstehn, wenn Sie sich nicht als „Charlie“ verstehen? Drücken Sie damit nicht aus, dass Sie sich halt nicht klipp und klar für unsere Gesellschaft entschieden haben, sondern sich selbst ausgrenzen und Teil einer anderen Gesellschaft mit eigenen Werten sind

  7. Poser sagt:

    @aloo masala

    Es ist erwiesen, dass die Terroristen Islamisten sind, wer sonst würde denn hochgerüstet mit IS-Fahne im Auto eine Satire-Zeitung angreifen? Halten Sie den radikalen Islamismus für eine Erfindung der westlichen „Lügenpresse“ (frei nach Pegida)?

  8. aloo masala sagt:

    @Poser

    —-
    Es ist erwiesen, dass die Terroristen Islamisten sind, wer sonst würde denn hochgerüstet mit IS-Fahne im Auto eine Satire-Zeitung angreifen? Halten Sie den radikalen Islamismus für eine Erfindung der westlichen “Lügenpresse” (frei nach Pegida)?
    —-

    Erwiesen ist bisher noch nichts.

  9. karakal sagt:

    Steht es fest, daß die Täter Muslime waren, so wie für die US-Regierung nur wenige Stunden nach den Anschlägen vom 11. Sep. 2001 feststand, daß die Täter Osama ibn Ladens 19 Flugzeugentführer waren – ohne wirkliche Beweise? Selbst wenn die Tat von Personen mit muslimischem Hintergrund ausgeführt wurde, könnte es sein, daß die Drahtzieher dahinter andere sind, Leute, die ein Interesse daran haben, Nichtmuslime und Muslime gegeneinander aufzuhetzen oder die französische Regierung für eine bestimmte Handlung zu strafen (bspw. die beabsichtigte Anerkennung eines palästinensischen Staates). Der Anschlag ist zu professionell ausgeführt, um leichthin zu glauben, er sei von den verdächtigten Personen allein geplant worden. In Frankreich gab es bereits einen ähnlichen Fall, in dem ein Jugendlicher mit algerischem und muslimischem Hintergrund bei einem Anschlag Angehörige einer jüdischen Tora-Schule ermordete. Der als Täter Verdächtigte wurde dann von der Polizei in einem Feuergefecht erschossen, obwohl man ihn nach Expertenmeinung gut lebend hätte unschädlich machen und gefangen nehmen können. Es besteht der Verdacht, daß irgend jemand Einflußreicher im Hintergrund nicht wollte, daß der Verdächtige vor Gericht aussagte und mögliche Drahtzieher genannt hätte. Mit dem Tod des vermutlichen Einzeltäters ist der Fall für die Behörden abgeschlossen, und es wird nicht weiter nachgeforscht. Es ist zu befürchten, daß die Jagd nach den vermutlichen Tätern des jetzigen Anschlags ähnlich ausgeht, nämlich daß sie in einem Feuergefecht mit der Polizei getötet werden und nicht mehr vor Gericht aussagen können.

  10. karakal sagt:

    @ Poser

    Warum wird von den Muslimen gefordert, das vermeintliche Recht auf Massenbeleidigung, der Herabsetzung und Verächtlichmachung dessen, was ihnen heilig ist, als einen „Wert“ anzuerkennen?
    In einer globalisierten Welt sollten die Abendländer lernen, zwischen berechtigter und zivilisiert vorgebrachter Kritik und der Massenbeleidigung der Angehörigen einer Weltreligion zu unterscheiden. Andernfalls kommt es zu einem Dauerkonflikt zwischen den Kulturen. Sie müssen begreifen, daß Europa nicht mehr der Mittelpunkt der Welt ist und sie ihre vermeintlichen Werte nicht mehr nach Herrenmenschenart den Angehörigen anderer Kulturen aufzwingen können.
    Freiheit der Meinungsäußerung stellt auch für die Muslime einen Wert dar, um den es zu kämpfen gilt, nicht jedoch, wenn diese die Beleidigung anderer oder dessen bedeutet, was ihnen heilig ist. Wird in irgendeinem Film Jesus Christus auf entwürdigende Weise dargestellt, gibt es Proteste dagegen seitens der Muslime, weil Jesus im Islam als Prophet geehrt wird. Umso mehr fühlen sich die Muslime angegriffen, wenn Muhammad, der Prophet der Barmherzigkeit, auf lügenhafte und herabsetzende Weise als Terrorist dargestellt wird. Es ist unvorstellbar, daß ein wirklicher Muslim solche Karikaturen gutheißt oder gar darüber lacht.
    Ist es nicht auch Heuchelei, von den Muslimen zu fordern, sich beleidigen und das ihnen Heilige schmähen zu lassen, während die Meinungs-, Presse- und künstlerische Freiheit nicht die rote Linie der „Holocaust-Leugnung“ überschreiten darf? Warum darf man alle Religion und deren Angehörige verächtlich machen, außer einer einzigen? Im Falle einer Karikatur, die den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als Vergifter des Friedensprozesses darstellt erhoben sich sofort zahlreiche scharfe Proteste, und es wurde mit der Antisemitismuskeule geschwungen, obwohl die Karikatur rein gar nichts mit Juden oder dem Judentum zu tun hat, sondern nur mit dem israelischen Ministerpräsidenten, gleich ob dieser Jude ist oder nicht. Wie desinformiert und verblendet müssen all jene Leute sein, die jetzt demonstrieren „Ich bin Charlie-Hebdo“!