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Ossi-Diskriminierung

Nicht nur Migranten haben es schwer, auch Ostdeutsche massiv unterrepräsentiert

Nicht nur klassische "Migranten" sind Diskriminierungen ausgesetzt, sondern auch "Ossis". 25 Jahre nach dem Mauerfall stammen nur 2,8 Prozent aller Entscheidungsträger in Deutschland aus Ostdeutschland. Das belegt eine bisher kaum beachtete Studie. Von Marcel Helbig

Von Marcel Helbig Mittwoch, 21.01.2015, 6:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.01.2015, 16:01 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

25 Jahre sind vergangen, seitdem wir Ossis dem Geltungsbereich des bundesdeutschen Grundgesetzes beigetreten sind. Auf dem Leipziger Parteitag der SPD am 24. Februar 1990 hatte uns Günter Grass „vor der Gefahr des bloßen Anschlusses der DDR an die Bundesrepublik“ und der „Kolonialherrenmentalität“ der Wessis gewarnt. Dass derartige Aussagen von SPD-Größen zu ihren Wahldebakeln am 18. März in der DDR und am 2. Dezember 1990 in der neuen Bundesrepublik führten, ist längst Geschichte.

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War aber die Warnung vor der Kolonialherrenmentalität der Wessis berechtigt? Kurz nach der Wende hatte man schon das Gefühl. Die hohen und höheren Positionen in vielen gesellschaftlichen Bereichen wurden im Osten stark von den Westdeutschen beherrscht. Das Wort „Buschzulage“ landete auf Platz zwei bei der Wahl zum Unwort des Jahres 1994. Für uns Ossis war dies jedoch kein Unwort. Es war die Beschreibung real existierender gesellschaftlicher Ungerechtigkeit. Westdeutsche Beamte aus den alten Bundesländern erhielten neben ihrem ohnehin höheren Westgehalt auch noch weitere Zulagen, damit sie uns beim Aufbau Ost helfen konnten. Diese Ungleichheit war jedoch nicht nur auf den öffentlichen Dienst beschränkt. 1994 befanden sich 6,8 Prozent aller großen ostdeutschen Betriebe (über 400 Beschäftigte) noch in ostdeutscher Hand. Bei dieser Akkumulation von Betriebskapital hat auch die Treuhandgesellschaft, deren hohe Positionen fast ausschließlich von Westdeutschen besetzt waren, eine unrühmliche Rolle gespielt. Ebenfalls 1994 befanden sich im ostdeutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur 4 Ostdeutsche unter den 21 Inhabern hoher Positionen – bei den Intendanten kein einziger.

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Die Ungleichheit im Transformationsprozess betraf nicht nur den Zugang zu den Positionen der gesellschaftlichen Elite. Jedes Jahr durften wir uns aufs Neue anhören, ob wir nun 28, 29 oder 30 Prozent weniger verdienten als die Wessis. Neben der geringeren Bezahlung waren auch die Arbeitsbedingungen ostdeutscher Arbeitnehmer deutlich schlechter. Die Angst vor der allgegenwärtigen Arbeitslosigkeit ließ ostdeutsche Arbeitnehmer Arbeitsbedingungen hinnehmen, die im Westen zu einem Aufschrei geführt hätten.

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Wie immer man diese Ungleichheiten nun bewerten oder rationalisieren will, jedenfalls haben sie dazu geführt, dass 1998 in einer Studie mehr als die Hälfte aller 25-jährigen Sachsen angaben, die Ostdeutschen würden von den Westdeutschen als Bürger zweiter Klasse behandelt, und nur 20 Prozent angaben, einen gerechten Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand zu erhalten. Auch wenn mir einige Ostdeutsche widersprechen mögen, aus meinem ostdeutschen Umfeld kenne ich dieses diffuse Deprivationsempfinden ebenfalls. Geschichte. Vergangen. Wirklich?

Notiz am Rande: „Ossi“ steht handschriftlich auf einem Bewerbungsschreiben, und ein Minus-Zeichen (oben nachgestellt). Eine badenwürttembergische Firma hatte eine Bewerberin, die in der DDR aufgewachsen ist, abgelehnt und deren Unterlagen kommentiert. Die Bewerberin klagte gegen die Benachteiligung aufgrund ihrer ethnischen Herkunft – erfolglos.

Letztes Jahr wurde am WZB die deutsche Elite untersucht. Die Studie löste wenig Aufsehen aus. Aus meiner Sicht liefert die Studie knapp 25 Jahre nach der Wende ein desaströses Ergebnis. Nur 2,8 Prozent aller Entscheidungsträger in Deutschland stammen aus Ostdeutschland. Wenn wir die gleiche Chance hätten, in derartige Positionen aufzusteigen, müsste der Anteil eigentlich 17 bis 19 Prozent sein. Betrachtet man die einzelnen Bereiche, verschärft sich die Lage weiter: Anteil Ostdeutscher bei den Wirtschaftseliten 0 Prozent, bei den Wirtschaftsverbänden 0 Prozent, in der Justiz 0 Prozent, im Militär 0 Prozent, in den Medien 0 Prozent, in den Gewerkschaften 0 Prozent, Sonstige Eliten 0 Prozent, Wissenschaft 2,5 Prozent, Verwaltung 4,3 Prozent. Einzig in der Politik (13,8) und überraschender Weise bei den Kirchen (16,7) sind Ostdeutsche nur unwesentlich unterrepräsentiert. Auch wenn nur ein Drittel der deutschen Elite an dieser Studie teilgenommen hat, ist nicht davon auszugehen, dass gerade die ostdeutschen Entscheidungsträger in geringerem Umfang teilnahmen.

Auch eine Ebene unterhalb der in der Befragung betrachteten Eliten ist das Bild nicht viel besser. Das Beispiel der Soziologieprofessoren in Deutschland zeigt: Hier stammten 2009 nur 3,8 Prozent aller Professoren aus Ostdeutschland. Selbst bei den unter 45-Jährigen, die ihr Studium nach der Wende beendet haben, sind nur 5,8 Prozent aus dem Osten.

Im Bereich der gesellschaftlichen Eliten und der Professorenschaft wird gemeinhin die Gruppe der Frauen als besonders benachteiligt definiert. Im Hinblick auf die Unterrepräsentierung von Ostdeutschen haben Frauen heute deutlich bessere Chancen, sich in der Elite Deutschlands oder auf einer Soziologieprofessur wiederzufinden. Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Tai Fei sagt:

    Samuel Moishe Goldstein sagt: 31. Januar 2015 um 15:32
    „blub blub…Mit “Geld” hatte das nichts zu tun, sondern mit soziokultureller Prägung. Natürlich kann man das Gegenteil annehmen, aber irgendwann gerät man dann halt in Erklärungsnöte….Blubb Blubb.“

    Kulturalismus ist auch nur verbrämter Rassismus. So etwas bezeichnet man heute als Rassismus ohne Rassen.
    ———————————————————————————–
    Samuel Moishe Goldstein sagt: 31. Januar 2015 um 15:32
    „Fest steht, dass Halle, Leipzig, Dresden, Berlin und andere Städte früher weltweit führend waren, jetzt aber international bedeutungslos sind. Wenn man immer der Ansicht ist, dass der Staat für alles zuständig ist, sollte man sich lieber gleich ins Feudalzeitalter zurückbeamen lassen. Ihren Vorwurf des “Schwachsinns” können Sie keineswegs empirisch belegen.“

    Fest seht auch, das Leipzig auch unter der SED-Diktatur international bedeutend war, da es über seine Messe Knotenpunkt der Systeme war. Erst NACH dem Systemwechsel verlor Leipzig seine Bedeutung. Hat also nichts mit Staat, SED und Kommunismus zu tun. Im Übrigen ist das geschichtlich nichts Neues. Es gibt auf der Welt etliche Städte, die mal bedeutend waren und heute nur noch Dörfer sind oder gar nicht mehr existieren. Ihre unterstellte Kausalität von SED-Diktatur -> fehlendes Bürgertum > schwindende Bedeutung ist historischer Blödsinn.
    ——————————————————————————————-

    Samuel Moishe Goldstein sagt: 31. Januar 2015 um 15:32
    „Wieso soll z.B. der “fiktive Durchschnittssohn” eines Handwerkers einer “fiktiven Durchschnittstochter” eines Professors in praktischen Dingen nicht überlegen sein? Der Staat kann diesen Unterschied nicht übertünchen, weil sein Ausbildungssystem die Erfahrung und die Tradition gar nicht ersetzen kann, die es in einer Familie gibt. Das ist völlig logisch.“

    Warum sollte die „fiktive Durchschnittstocher“ eines Professors einen „fiktiven Durchschnittssohn“ eines Handwerkers NICHT in praktischen Dingen überlegen seine können. Was Sie hier propagieren ist doch letztendlich ein Kastenwesen. Und ja es IST die Aufgabe des DEMOKRATISCHEN Staates solche Unterschiede zu minimieren und das BILDUNGSSYSTEM, nicht wie Sie schreiben das Ausbildungssystem, entsprechend zu optimieren. Sie offenbaren in Ihrer Einstellung zutiefst antidemokratische Einstellungen, die viel eher in den Feudalismus gepasst hätten, als Sie mir hier unterstellen.

  2. Samuel Moishe Goldstein sagt:

    @ Tei Fei ein Rassismus ohne Rassen ist kein Rassismus.
    Rein sprachlich ist das schon ein Unsinn. Ihre Weltsicht beruht auf der Annahme, dass die Kultur und das Lernen nicht auf „Tradition“ beruhen, sondern auf der Verabreichung anonymer Instanzen. Diese Sicht halte ich für gewagt, weil sie die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Staates weit überschätzt. Sie setzt voraus, dass es überhaupt einen „Staat“ gibt, was keinesfalls selbstverständlich ist.
    Menschen sind „Traditionstiere“. Wir fahren auf der rechten Straßenseite, weil das Tradition ist, wir verwenden die römische Schrift, weil das Tradition ist, wir benützen die babylonische Zeitrechnung, weil das Tradition ist, wir sind pünktlich, weil das Tradition ist, wir zahlen Steuern, weil das Tradition ist, wir greifen bei Meinungsverschiedenheit nicht zur Waffe, weil das Tradition ist. Wir haben die christliche Zeitrechnung, weil das Tradition ist und lassen die Woche mit dem Tag der Freya (Freitag) enden, weil das Tradition ist. Wir werden Lehrer, weil das Papa war, wir werden Verkäuferin, weil das Mama war, wir werden Professor, weil das Opa war. So wird das immer sein und bleiben.
    Tradition ist die Basis jeder Kultur. Unsere westlich-moderne Kultur ist nun mal eigenständig und unterscheidet sich von der vergangener Zeiten und anderer Weltregionen.

    Wenn Sie sich mit europäischer Geschichte auseinandersetzen würden, wüssten Sie, dass die europäische Gesellschaft – wenn man von so einer reden möchte – nie eine homogene war. Sie leugnen, dass menschliche Sozietäten Traditionsgemeinschaften sind. Sie unterstellen latent, dass jede Familie, Gruppe, Ethnie usw., ganz gleich wo sie auf diesem Erdball lebt, in ihrem Denken usw. völlig gleich ist. Das ist eben nicht der Fall. Ich möchte beispielsweise daran erinnern, dass das, was Sie als „Ausbildungssystem“ bezeichnen, in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition hat, eine Tradition, die es halt in Spanien oder anderswo so nicht gibt. Hierzulande war z.B. das Handwerk sehr viel stärker ausgeprägt als anderswo, hierzulande gab es mehr Schulen als anderswo, usw. So etwas wirkt sich bis heute aus. Wo wollen Sie denn in der tiefsten spanischen Provinz die Handwerksmeister herbringen, um ein duales Ausbildungssystem aufzubauen, wenn es die gar nicht gibt? Die „Demokratie“ und der Wunsch nach Gleichmacherei helfen ihnen da auch nicht weiter.

    Außerdem: Warum glauben Sie wohl, dass die SED-Diktatur eine Mauer gebaut hat? Um die Klassenfeinde bei sich zu behalten?

  3. Tai Fei sagt:

    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    „@ Tei Fei ein Rassismus ohne Rassen ist kein Rassismus.
    Rein sprachlich ist das schon ein Unsinn.“
    Das ist kein sprachlicher Unsinn sondern ein Oxymoron. Auch inhaltlich ist das kein Unsinn sondern ein anerkannter Topos der Rassismusforschung. Hier fließen Begriffe wie Klassismus, Sozialfaschismus, Kulturalismus ein. Wie wär´s wenn Sie einfach mal googlen würden?

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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    !Ihre Weltsicht beruht auf der Annahme, dass die Kultur und das Lernen nicht auf “Tradition” beruhen, sondern auf der Verabreichung anonymer Instanzen. Diese Sicht halte ich für gewagt, weil sie die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Staates weit überschätzt. Sie setzt voraus, dass es überhaupt einen “Staat” gibt, was keinesfalls selbstverständlich ist.“

    Bildung war seit jeher weniger eine Frage der Tradition sondern eher eine Frage der Ressourcen. Wem Ressourcen über die Subsistenz hinaus zur Verfügung standen, der konnte sich Bildung leisten. Was Sie meinen ist eher eine Ausbildung, sprich handwerkliche Weitergabe von Fähigkeiten von einer Generation zur nächsten. So etwas hat bis ins Manufakturzeitalter recht gut funktioniert. Eine hochindustrielle Gesellschaft lässt sich so aber nicht aufbauen, da Techniken in vielen Bereichen innerhalb einer Generation obsolet werden. Deswegen hat sich in Europa doch erst das Schulwesen entwickelt, weil es für Industrie und Militär notwendig wurde, das JEDER zumindest lesen konnte. Und ja dies musste von einer „fernen Institution“ organisiert werden. Bildung kostet Ressourcen und hier musste eine Verteilung organisiert werden. Solche Institutionen, wie sie auch aussehen sind IMMER nötig um die Organisation zu übernehmen. Wo hat sich den Weltweit die Schriftkultur entwickelt? Richtig, in urbanen Ballungsräumen, die Ressourcen für die Bildung zur Verfügung stellten.

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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    „Menschen sind “Traditionstiere”. Wir fahren auf der rechten Straßenseite (1), weil das Tradition ist, wir verwenden die römische Schrift (2), weil das Tradition ist, wir benützen die babylonische Zeitrechnung (3), weil das Tradition ist, wir sind pünktlich (4), weil das Tradition ist, wir zahlen Steuern (5), weil das Tradition ist, wir greifen bei Meinungsverschiedenheit nicht zur Waffe (6), weil das Tradition ist. Wir haben die christliche Zeitrechnung (7), weil das Tradition ist und lassen die Woche mit dem Tag der Freya (Freitag) enden (8), weil das Tradition ist.

    Ich bin froh, dass wir Menschen eben gar nicht solche „Traditionstiere“ sind. Sonst würden wir nämlich noch in Höhlen hocken und uga uga singen. ;)
    1. Bis ins 19. Jh gab es überhaupt keine Regelungen auf welcher Straßenseite man fuhr. Zumeist war das auch obsolet, da es kaum entsprechend breite Straßen gab. Sowohl Links- wie Rechtsverkehr waren lokal üblich. Die heutigen Regelungen basieren auf nationalen Rechtsbeschlüssen.
    2. Wir verwenden eine Schrift, die auf dem lateinischem Alphabet basiert, weil es in Europa keine frühere Schriftkultur gab, bzw. überliefert ist. Allerdings hat sich unsere Schrift inzwischen auch oft verändert. Bis in die 30ger des 20. Jh. sahen dt. Druckerzeugnisse noch ganz anders aus. Die heutige Generation dürfte diese Bücher nur noch mit Mühe lesen können. Von grammatikalischen und orthographischen Änderungen ist da noch nicht mal die Rede. Dafür haben wir in Europa aber ziemlich schnell die „Tradition“ der röm. Zahlen über Bord geworfen und arabische eingeführt. Ferner gibt es in Europa drei Länder die ein völlig anderes Alphabet benutzen.
    3. Wieso benutzen wir babylonische Zeitrechnung – bzw. in 7. steht wir benutzen christl. Zeitrechnung beides schließt sich aus. Mal bitte präzisieren.
    4. „Pünktlichkeit“ ist eine Erfindung des Industriezeitalters und keine Tradition. Tatsächlich ist das Leben in einer Gesellschaft, die auf Landwirtschaft basiert ganz, ursprünglich ganz anders geregelt mit völlig anderen Tagesabläufen die auch noch jahreszeitlichen Schwankungen unterlegen sind. Eine moderne Industriegesellschaft kann sich aber auf dieser Basis nicht entwickeln, da sie planbare zeitliche Abläufe benötigt.
    5. Erzählen Sie das mal einem Ulli Hoeneß. Wir bezahlen Steuern nicht aus Tradition, sondern weil wir dazu verpflichtet sind unter Androhung von Sanktionen.
    6. Auch das basiert auf weniger auf Tradition sondern eher auf einen Gesetzeskanon. Noch bis ins 18. Jh. war persönliche Gewaltausübung durchaus noch Tradition in Europa. Das staatl. Gewaltmonopol ist eine Erfindung des modernen Nationalstaates und nur dieser hatte auch die Mittel dieses Durchzusetzen. Zuvor gab es da zwar auch entsprechende Initiativen, die aber wenig fruchteten.
    7. Auch hier hat es Änderungen gegeben, schon mal von der gregorianischen Reform gehört? Für eine Änderung unseres Kalenders hat sich ansonsten noch kein Anlass geboten. Das kann sich aber auch noch ändern, da auch dieser nicht sonderlich genau ist. Das betrifft aber eher zukünftige Generationen. Im übrigen basiert ein Kalender auf mathematischen Naturgesetzen, die sich generell nicht ändern, allenfalls neu interpretiert werden
    8. Also meine Woche endet mit dem Sonntag. In anderen Ländern beginnt sie damit. Die Arbeitswoche endet ebenfalls nicht Freitag sondern Sonnabend. Dieser Tag gilt TRADITIONELL als Werktag. Das trifft für viele Arbeitnehmer heute nicht mehr zu. Also nix mit Tradition.

    ——————————————————————————
    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    „Wir werden Lehrer, weil das Papa war, wir werden Verkäuferin, weil das Mama war, wir werden Professor, weil das Opa war.“

    Also mein Vater war Ingenieur, ich bin Sachbearbeiter im Gesundheitswesen. Mein Sohn macht eine Ausbildung im Hotelfachwesen. Bähm Theorie widerlegt.

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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    „So wird das immer sein und bleiben.
    Tradition ist die Basis jeder Kultur. Unsere westlich-moderne Kultur ist nun mal eigenständig und unterscheidet sich von der vergangener Zeiten …“

    Na was denn nun: entweder bleibt etwas für immer oder es unterscheidet sich von vergangenen Zeiten. Sie sollten sich mal entscheiden was Sie denn nun sagen wollen.

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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    „Wenn Sie sich mit europäischer Geschichte auseinandersetzen würden, wüssten Sie, dass die europäische Gesellschaft – wenn man von so einer reden möchte – nie eine homogene war. Sie leugnen, dass menschliche Sozietäten Traditionsgemeinschaften sind. Sie unterstellen latent, dass jede Familie, Gruppe, Ethnie usw., ganz gleich wo sie auf diesem Erdball lebt, in ihrem Denken usw. völlig gleich ist. Das ist eben nicht der Fall.“

    Ne, habe ich nirgends behauptet. Natürlich gibt es regionale Unterschiede und Traditionen. Das heißt aber nicht, dass Traditionen obsolet werden und sich regionale Unterschiede im Rahmen der Globalisierung relativieren. Sehen sie sich doch mal moderne Metropolen an. Ich bekomme in jeden großen Supermarkt in Bangkok alle Zutaten für Spagetti Bolognese und kann ich München an jeder Ecke Sushi erstehen. Vor ein paar Jahren, war ein koreanischer Popsong in allen Charts weltweit in den Top Ten. Mein Sohn liest Animes, wie in Japan üblich, von hinten nach vorn usw.usf. Traditionen spielen durchaus eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, sie sind aber keine Naturgesetze. Sie haben sich immer geändert.

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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 2. Februar 2015 um 15:15
    „Ich möchte beispielsweise daran erinnern, dass das, was Sie als “Ausbildungssystem” bezeichnen, in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition hat, eine Tradition, die es halt in Spanien oder anderswo so nicht gibt. Hierzulande war z.B. das Handwerk sehr viel stärker ausgeprägt als anderswo, hierzulande gab es mehr Schulen als anderswo, usw. So etwas wirkt sich bis heute aus. Wo wollen Sie denn in der tiefsten spanischen Provinz die Handwerksmeister herbringen, um ein duales Ausbildungssystem aufzubauen, wenn es die gar nicht gibt?“

    Das duale Ausbildungssystem hat in DE gar nicht so eine lange Tradition. In ganz Europa war im Handwerk eher das Meister – Gesellen –System relevant. Die duale Ausbildung ist eher auf das Industriezeitalter zurückzuführen. Allerdings sehe ich hier keine wirkliche Relevanz für´s Thema. Die USA, China und Japan haben kein entsprechendes System und sind wirtschaftliche Supermächte, und? Natürlich gab und gibt es in DE mehr Schulen als in Spanien, wir haben auch eine viel größere Bevölkerung, und? Ich verstehe hier nicht die Relevanz zu ihrer Behauptung soziale Durchlässigkeit wäre abhängig von Kultur und Ethnie. Sie verbrämen das sehr schön über die „sogenannte Bildung“ aber was Sie hier verzapfen ist ein plutokratisches Kastensystem, welches jegliche soziale Mobilität ausschließt. Das ist jedoch zutiefst antidemokratisch und, ja ich nenne es so, sozialfaschistisch.

  4. Samuel Moishe Goldstein sagt:

    @Tei Fei

    1. Über Worthülsen („Kulturalismus“) zu streiten, ist im Prinzip unsinnig, weil jeder darunter verstehen kann, was er will. Am Ende kommt man doch eh nur zu der Erkenntnis, dass der modernen Gesellschaft ein destruktiver Grundcharakter anhaftet (Adorno). Ich persönlich halte nichts von einer Forschung , die mit wenig exakten Begriffen hantiert („Rassismus“ bedeutet im historischen Sinn schon etwas anderes als das im heutigen Diskurs üblich ist).

    2. Selbstverständlich lässt sich über den konkreten Ursprung von Traditionen streiten. Das ändert aber nichts daran, dass wir in Traditionen leben (die 12 Stunden sind z.B. meines Wissens nach eine babylonische Tradition, die Schrift eine römische, die Zahlen eine arabische, der Rechtsverkehr geht wohl auf Napoleon zurück usw.). Mir geht es aber eigentlich nicht darum.

    3. Entscheidend ist Folgendes: Wo Tradition fehlt, helfen weder Kapital noch Globalisierung. Da muss eine Tradition aufgebaut werden. Mit einem „Plan“ und „Geld“ ist es da nicht getan.

    4. China, die USA usw. sind wirtschaftliche Supermächte haben aber keinen vergleichbaren Mittelstand, eben weil die historische Entwicklung eine andere war. Die gesellschaftlichen Systeme dort sind alles andere als erstrebenswert und mit denen in Europa nicht vergleichbar auch nicht im Zeitalter der Globalisierung.

    5. Das duale Ausbildungssystem bei uns hat in den Städten und Reichsstädten seine Wurzeln, wo neben der handwerklichen Ausbildung auch die schulische üblich war.

    6. Der Erfolg einzelner Gruppen wie der Juden und der Hugenotten erklärt sich nicht allein aus den „Ressourcen“. Diese hat Annahme hat schon mehrmals zu falschen Schlüssen geführt …

    7. Die Globalisierung führt zur Nivellierung und letztlich zur Prekarisierung und zum Outsourcing. Leute, die schon am Rande stehen, werden es daher doppelt schwer haben.

    8. Deutschland hat sich aus Gründen zur Industrienation entwickelt, die nicht erst im 19. Jahrhundert zu suchen sind.

    9. Ich halte es für problematisch zu glauben, dass alle Menschen auf der Welt grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten haben. Ich bezweifle, dass sich viele Leute in Bangladesh italienische Nudeln leisten können oder wollen. die Globalisierung hilft ihnen da kaum weiter. Es wird immer Menschen geben, die in einer „Tradition“ leben, die sich für sie ungünstig auswirkt.

    10. Ihr Vater war Ingenieur, Sie sind Sachbearbeiter im Gesundheitswesen und ihr Sohn macht eine Ausbildung im Hotelfachwesen. Na das hört sich doch nach einer klassischen Mittelstandstradition an! Ich bin Akademiker, mein Vater war Akademiker, mein Großvater war Kunsthändler und meine Mutter ist Lehrerin. So sieht meine Biographie aus. Wir alles sind recht unsportlich. Meine Tochter wird daher vermutlich Spitzensportlerin .)

    11. Selbstverständlich ist Steuerzahlen Teil der Tradition, genauso wie die Pünktlichkeit oder die Gesetzestreue. Es ist kulturell betrachtet keineswegs selbstverständlich, dass Menschen Steuern zahlen, pünktlich sind und gesetzestreu. Das nennt die Wissenschaft Sozialkonditionierung. Die braucht Jahrhunderte. Fragen Sie mal deutsche Unternehmer, die Erfahrungen in anderen Ländern gemacht haben.

    Mit geht es nicht um Wortglaubereien oder krude Thesen, sondern lediglich um die Feststellung, dass aus „wenig“ nur langsam „mehr“ werden kann, während aus „viel“ sehr viel leichter „mehr“ werden kann.

  5. Tai Fei sagt:

    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „1.Über Worthülsen (“Kulturalismus”) zu streiten, ist im Prinzip unsinnig, weil jeder darunter verstehen kann, was er will. Am Ende kommt man doch eh nur zu der Erkenntnis, dass der modernen Gesellschaft ein destruktiver Grundcharakter anhaftet (Adorno). Ich persönlich halte nichts von einer Forschung , die mit wenig exakten Begriffen hantiert (“Rassismus” bedeutet im historischen Sinn schon etwas anderes als das im heutigen Diskurs üblich ist).“

    Jede Forschung, die nicht im naturwissenschaftlichen Bereich arbeitet, hantiert mit nicht exakten Begriffen. Diese als obsolet zu betrachten ist ziemlich ignorant.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „3. Entscheidend ist Folgendes: Wo Tradition fehlt, helfen weder Kapital noch Globalisierung. Da muss eine Tradition aufgebaut werden. Mit einem “Plan” und “Geld” ist es da nicht getan.“

    Wieso sollten irgendwo Traditionen fehlen? Traditionen sind ein kulturimmanenter Bestandteil jeder menschlichen Zivilisation. Das hat mit Kapital oder Globalisierung nichts zu tun. Traditionen sind jedoch keine Naturgesetze und ständigen Änderungen unterworfen.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „4. China, die USA usw. sind wirtschaftliche Supermächte haben aber keinen vergleichbaren Mittelstand, eben weil die historische Entwicklung eine andere war. Die gesellschaftlichen Systeme dort sind alles andere als erstrebenswert und mit denen in Europa nicht vergleichbar auch nicht im Zeitalter der Globalisierung.“

    China hatte über Jahrhunderte ein ausgeprägten Mittelstand, der im Manufakturwesen den europäischen in nichts nachstand, sogar lange Zeit deutlich überlegen war. Ob die gesellschaftlichen Systeme in Spanien und Griechenland als Teil Europas z.Z. so erstrebenswert sind, wage ich zu bezweifeln. Das Thema hat im übrigen auch wenig mit Ihren unterstellten Traditionen zu tun.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „5. Das duale Ausbildungssystem bei uns hat in den Städten und Reichsstädten seine Wurzeln, wo neben der handwerklichen Ausbildung auch die schulische üblich war.

    Na die Analphabetenzahlen sagen aber was anderes. Das Duale Ausbildungssystem mit volksweiter schulischer Ausbildung ist eine Errungenschaft des ausgehenden 19. Jh.. Das ist Fakt. Erst die Industriegesellschaft benötigte eine solche Ausbildung.

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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „6. Der Erfolg einzelner Gruppen wie der Juden und der Hugenotten erklärt sich nicht allein aus den “Ressourcen”. Diese hat Annahme hat schon mehrmals zu falschen Schlüssen geführt“

    Das ist statistischer Unsinn. Niemand zählt die gescheiterten Existenzen beider Volksgruppen.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „7. Die Globalisierung führt zur Nivellierung und letztlich zur Prekarisierung und zum Outsourcing. Leute, die schon am Rande stehen, werden es daher doppelt schwer haben.“

    Das ist völlig richtig, widerlegt aber schon Ihre Traditionstheorie.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „8. Deutschland hat sich aus Gründen zur Industrienation entwickelt, die nicht erst im 19. Jahrhundert zu suchen sind.“
    Deutschland hat bis ins. 19. Jh. gar keine nationale Existenz.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „9. Ich halte es für problematisch zu glauben, dass alle Menschen auf der Welt grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten haben. Ich bezweifle, dass sich viele Leute in Bangladesh italienische Nudeln leisten können oder wollen. die Globalisierung hilft ihnen da kaum weiter. Es wird immer Menschen geben, die in einer “Tradition” leben, die sich für sie ungünstig auswirkt.“

    Natürlich haben nicht alle Menschen auf der Welt die gleichen Möglichkeiten, weil die nicht die gleichen Ressoucen haben. Ferner bin ich mir da gar nicht mal so sicher, ob italienische Nudeln in Bangladesh wirklich so teuer sind. Immerhin kaufen die meisten Afrikaner ja europ. Hühnchen, was deren lokalen Bauern schwer zu schaffen macht. Dass die Globalisierung denen hilft habe ich auch nie behauptet. Im Gegenteil, diese hilft nur den Industrienationen. Was das allerdings wieder mit dieser „Tradition“ zu tun hat, will mir nicht einleuchten. Ich vermute mal sie wollen hier dem rückständigen islamischen Kulturkreis rumhacken. Ist nur komisch das in DE viele hochqualifierte, muslimische Iraner leben, dass gebildete hinduistische Inder gefragte Programmier sind. Bildung ist und bleibt eine Frage der Ressourcen, nicht irgendwelcher nicht näher definierter Tradition.
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    Samuel Moishe Goldstein sagt: 3. Februar 2015 um 09:58
    „11. Selbstverständlich ist Steuerzahlen Teil der Tradition, genauso wie die Pünktlichkeit oder die Gesetzestreue. Es ist kulturell betrachtet keineswegs selbstverständlich, dass Menschen Steuern zahlen, pünktlich sind und gesetzestreu.“

    Steuern sind in praktisch jeder Kultur verankert, da Steuern ein System der gesellschaftlichen Umverteilung sind. Sie werden kein Land finden, in dem es keine Steuern gibt. Sie werden aber auch kein Land finden, in dem es keine Steuervermeidung gibt. Was Gesetzestreue betrifft, so ist das lediglich eine Frage der Durchsetzung. Mord, Raub, Vergewaltigung sind praktisch in allen menschlichen Kulturen verpönt. Die Frage ist lediglich, wie die Einhaltung, bzw. die Sanktionierung von Fehlverhalten hier durchgesetzt werden kann. Zur Pünktlichkeit: In Agrargesellschaften unterliegt die Pünktlichkeit keiner Relevanz. Geerntet kann erst werden, wenn das Getreide reif ist, gesät erst wenn kein Frost mehr die Pflanzungen gefährdet. Die Viehwirtschaft unterliegt ebenfalls einen natürlichen Biorythmus. Erst die Industrialisierung hat Zeit als knappes Gut und damit die Pünktlichkeit hervorgebracht, da die komplexen ökonomischen Prozesse planbar werden mussten. Jedes Jahr erleiden Bauer z.B. massive Verluste durch die Zeitumstellung, welche auch den Kühen aufgenötigt wird, um die industrielle Weiterverarbeitung der Milch zu gewährleisten. Pünktlichkeit ist daher ein ziemlich relativer Begriff und abhängig von der Wirtschaftsordnung. Das dt. Unternehmer mit der Pünktlichkeit in anderen Ländern so ihre Probleme haben, liegt vielleicht auch daran, dass sie sich nicht mit den dortigen Infrastrukturen auseinander gesetzt haben. Dem Problem der maroden Infrastruktur in diesen Ländern wird ja mit Werkswohnung begegnet (war übrigens in DE auch eine Zeitlang so). Zumindest scheinen ja Addidas, H&M, Foxconn, Jack Wolfskin und wie die ganzen Ausbeuterbuden in den Ländern so heißen, ja trotz der angeblichen uneuropäischen Unpünktlichkeit dort ordentliche Profite zu erwirtschaften.

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    Insgesamt finde ich es schon bemerkenswert. Sie behaupten:“Ich persönlich halte nichts von einer Forschung , die mit wenig exakten Begriffen hantiert.“ Andererseits hantieren sie mit solchen diffusen Begriffen wie Traditionen, die praktisch jeder anders für sich definiert.

  6. Anonymus sagt:

    @Tei Fei Steuern im heutigen Sinn gehen auf das 15. Jahrhundert zurück. Man darf das nicht mit Naturalabgaben und grundherrlichen Geldabgaben verwechseln, die gewohnheitsrechtlich geregelt waren. Steuern waren außerordentliche Abgaben, die meist bei Kriegen fällig wurden. Landesherren mussten sie erst mühsam mit den Ständen aushandeln. Sie waren daher nach heutigen Begriffen ausgesprochen arm.
    Erst im Absolutismus kann man daher von souveräner „Staatlichkeit“ sprechen.
    „Fakt“ ist, dass die Geldwirtschaft bis ins 18. Jahrhundert hinein keineswegs die „Haupteinkunftsquelle“ für die meisten Menschen war. Beamte hatten meist irgendein Lehen, einen Hof oder eine Pfründe, von der sie zusätzlich lebten. „Güter“ waren nicht wie heute omnipräsent, sondern konnten meist nur auf Märkten besorgt werden. Der Regelfall war die Subsistenzwirtschaft, auf dem Land z.T. sogar noch bis in die 1950er Jahre.

    Das mit der Industrialisierung und der Zeit stimmt, allerdings darf man da auch nicht vergessen, dass andere Länder im Vergleich zu Deutschland recht spät industrialisiert wurden, was an der Pünktlichkeitsmentalität wohl immer noch abzulesen ist. Korruption und mangelnde Steuermoral werden in anderen Ländern durchaus als kulturelles Problem wahrgenommen. Nicht überall hat man den Menschen eingebläut, dass sie „aufgeklärte“, „gute Staatsbürger“ sein sollen. Nicht überall zahlt man so selbstverständlich seine Abgaben wie hierzulande.
    Natürlich spielt Tradition auch für industrielle Strukturen eine herausragende Rolle. Ich möchte nur daran erinnern, dass hierzulande im Autoland Deutschland das erste wirklich funktionstüchtige Benzinfahrzeug erfunden wurde. Die Folgen sind bis heute zu spüren.
    Das Argument mit dem Analphabetismus kann nicht widerspruchslos hingenommen werden, da Deutschland zu den Ländern gehört hat, die für eine im Verhältnis niedrige Analphabetenquote bekannt waren. Deutschland war halt nicht nur tiefste Provinz, sondern auch Zentrum und zwar schon seit der Frühen Neuzeit. Nürnberger Ingenieure haben sich schon damals in Amerika oder Italien verlustiert. Wenn Baden-Württemberg und Franken noch heute eine starke Industrie haben, hängt das schon damit zusammen. Gebildete Menschen gibt es im ganzen muslimischen Orient, aber haben Sie sich schon mal eine Liste mit Nobelpreisträgern durchgelesen?

  7. Tai Fei sagt:

    Anonymus sagt: 3. Februar 2015 um 14:49
    „@Tei Fei Steuern im heutigen Sinn gehen auf das 15. Jahrhundert zurück. Man darf das nicht mit Naturalabgaben und grundherrlichen Geldabgaben verwechseln, die gewohnheitsrechtlich geregelt waren. Steuern waren außerordentliche Abgaben, die meist bei Kriegen fällig wurden. Landesherren mussten sie erst mühsam mit den Ständen aushandeln. Sie waren daher nach heutigen Begriffen ausgesprochen arm.

    Wie Steuern eingetrieben werden ist völlig egal. Es spielt keine Rolle ob dies pekuniär oder über Naturalien geschieht. Steuern wurden bereits in den ersten Hochkulturen eingetrieben, als es noch gar kein Geld gab. Dies war seit jeher auch nicht Gewohnheitsrecht sondern immer ziemlich genau datiert. Tatsächlich ist die menschliche Schriftkultur nur deshalb entstanden um genau diese Abgaben zu dokumentieren und zu verwalten. Naturalabgaben SIND also ebenfalls Steuern, so wurden diese z.B. in Japan noch bis ins 19. Jh in Reis bezahlt.

    Was die Verhandlungen der Landesherren mit den Ständen in Kriegszeiten angeht, war das weniger ein Frage der Steuern, sondern dem Problem geschuldet, dass es bis zur Zeit des Absolutismus kein stehendes Heer gab.

    Anonymus sagt: 3. Februar 2015 um 14:49
    „Korruption und mangelnde Steuermoral werden in anderen Ländern durchaus als kulturelles Problem wahrgenommen. Nicht überall hat man den Menschen eingebläut, dass sie “aufgeklärte”, “gute Staatsbürger” sein sollen. Nicht überall zahlt man so selbstverständlich seine Abgaben wie hierzulande.“

    Was Korruption und mangelnde Steuermoral angeht, gibt es in DE eine wesentlich Diskrepanz zwischen der Realität und der Wahrnehmung. Tatsächlich hat DE verschiedene Regelungen gegen Geldwäsche bis HEUTE noch nicht vollständig umgesetzt. Ferner hat die Steuerzahlung auch nichts mit Tradition zu tun. Die Mehrheit der Deutschen sind Lohn- und Gehaltsempfänger. Denen wird die Steuer von vornherein abgezogen. Die Mehrheit der Deutschen hat daher gar keine Chance großartig Steuern zu hinterziehen. Steuermoral ist immer abhängig von der Wahrscheinlichkeit einer Sanktionierung im Falle einer Steuervermeidung.

    Anonymus sagt: 3. Februar 2015 um 14:49
    „Das Argument mit dem Analphabetismus kann nicht widerspruchslos hingenommen werden, da Deutschland zu den Ländern gehört hat, die für eine im Verhältnis niedrige Analphabetenquote bekannt waren.“

    Richtig, dies gilt aber ERST seit dem ausgehendem 19. Jh.

  8. Anonymus sagt:

    Mein Gott Tei Fei, in diesem Punkt muss ich Ihnen entschieden widersprechen. Die Deutschen haben die Möglichkeit, die Steuern zu hinterziehen, notfalls nimmt man halt eine Strafe einfach in Kauf. Ähnlich wie man Bauvorschriften lässig verletzen kann und ein paar peanuts zahlen kann, reicht es mit Goldbarren im Westentaschenformat („Goldtafeln“) über die Grenze zu gehen. Aber es hinterziehen nun mal nicht alle Deutschen Steuern. Steuermoral hängt von Sanktionen ab, aber auch vom „Glauben an den Staat“, von der Kompetenz und der Unbestechlichkeit der Beamtenschaft usw. Steuerhinterziehung gilt hierzulande als Delikt, anderswo ist sie ein Wahlgeschenk. Berlusconi wäre für uns der Horror, in Italien sieht man das trotz allem etwas gelassener.

    Wie man ein stehendes Heer ohne Steuern finanzieren will, entzieht sich meinem Denken. Die königliche Hühnerpfalz und ihre Krautgärten haben dafür nicht ausgereicht. finanzieren Sie mal eine Armee als Privatier! Mit einem Heer das von den Ständen finanziert wurde, konnte man diese schlecht unter Druck setzen. Erst die Gewöhnung an ständige Steuerforderungen und die Einbindung des Adels in den Staatsapparat hat die Akzeptanz für den Absolutismus ermöglicht.

  9. Tai Fei sagt:

    Anonymus sagt: 4. Februar 2015 um 11:56
    „Die Deutschen haben die Möglichkeit, die Steuern zu hinterziehen, notfalls nimmt man halt eine Strafe einfach in Kauf. Ähnlich wie man Bauvorschriften lässig verletzen kann und ein paar peanuts zahlen kann, reicht es mit Goldbarren im Westentaschenformat (“Goldtafeln”) über die Grenze zu gehen. Aber es hinterziehen nun mal nicht alle Deutschen Steuern. Steuermoral hängt von Sanktionen ab, aber auch vom “Glauben an den Staat”, von der Kompetenz und der Unbestechlichkeit der Beamtenschaft usw. Steuerhinterziehung gilt hierzulande als Delikt, anderswo ist sie ein Wahlgeschenk.“
    Anonymus sagt: 4. Februar 2015 um 11:56
    o.K. noch mal. Lohn- und Gehaltsempfänger KÖNNEN in DE kaum Steuern hinterziehen. Diese werden Ihnen ja sofort vom Gehalt abgebucht. Allenfalls bei der Steuererklärung kann in bescheidenen Rahmen getrickst werden. Da heißt im dt. Steuersystem ist es der Mehrzahl der Steuerzahler gar nicht möglich Steuern zu hinterziehen, dass können im wesentlichen nur die, welche Einkommen aus Kapital erhalten. Dass bei denen die Option der Hinterziehung reichlich genutzt wird, sollte bekannt sein. Ferner hat DE auch einen nicht unerheblichen Schwarzarbeitsmarkt, was ebenfalls Steuerhinterziehung darstellt. Und bevor Sie da mal wieder auf andere Traditionen verweisen, die Arbeitgeber in diesem Bereich sind Deutsche. Steuerhinterziehung ist nirgendwo ein Wahlgeschenk. Steuerhinterziehung ist IMMER und ÜBERALL ein Delikt. Man kann die Gesetzgebung natürlich entsprechend anpassen, dass man Schlupflöcher öffnet, dann ist das aber LEGAL und keine Hinterziehung sondern allenfalls Steuervermeidung. Das System funktioniert aber auch in DE sehr wirksam. Die LuxLeaks belegen das.

    Anonymus sagt: 4. Februar 2015 um 11:56
    „Berlusconi wäre für uns der Horror, in Italien sieht man das trotz allem etwas gelassener.“

    Ach in DE wohl nicht? Unserem Ulli wurde doch von allen Seiten Respekt gezollt, dass er sein Urteil so schnell angenommen hat.

    Anonymus sagt: 4. Februar 2015 um 11:56
    „Wie man ein stehendes Heer ohne Steuern finanzieren will, entzieht sich meinem Denken. Die königliche Hühnerpfalz und ihre Krautgärten haben dafür nicht ausgereicht. finanzieren Sie mal eine Armee als Privatier! Mit einem Heer das von den Ständen finanziert wurde, konnte man diese schlecht unter Druck setzen. Erst die Gewöhnung an ständige Steuerforderungen und die Einbindung des Adels in den Staatsapparat hat die Akzeptanz für den Absolutismus ermöglicht.“

    Was denn für eine Gewöhnung? Steuern gab es bereits im alten Babylon. Steuern in welcher Form auch immer (Geld oder Naturalien) wurden seit Jahrtausenden in ALLEN Kulturen erhoben.

    Was die Finanzierung von Kriegen angeht. Natürlich was es eine Zeitlang üblich diese als Privatier durchzuführen. Der ganze 30jährige Krieg wurde auf diese Art durchgeführt. Diese Epoche ist dann auch der Wendepunkt vom Lehnssystem zum Absolutismus. Zuvor banden Landesherren ihre Vasallen an sich, in dem sie Ihnen Lehen überbliesen. Aus den Einnahmen dieser Lehen (Steuern oft in Naturalien) bestritten diese im Wesentlichen ihren Unterhalt und ihre Kriegsbereitschaft. Mit der Entwicklung des urbanen Bürgertums und der Geldwirtschaft geriet der Landadel deshalb auch in die Krise, was dem Absolutismus zum Siegeszug verhalf. Stehende Heere sind erst eine Entwicklung des 17. Jahrhunderts, wobei in dieser Zeit das Söldnertum noch überwog.
    Das alles hat aber mit der Existenz von Steuern NICHTS zu tun. Kein Landadliger, Landesherr oder König, vom Klerus mal ganz zu schweigen, hätte ohne Abgaben existieren können. Und Abgaben SIND Steuern. Ich weiß nicht, was daran so schwer zu kapieren ist? Das sich das Steuersystem im Altertum von dem im Mittelalter und dem der Neuzeit unterscheidet ist klar. Steuerzahlung hat nicht mit „Tradition“ zu tun, es ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Wie soll ein öffentliche Infrastruktur OHNE Steuern aufgebaut werden? Wie wurden denn Stadtmauern, Viadukte, Abwassersysteme, Straßen, Brunnen, Rathäuser, Tempel usw. usf. finanziert?

  10. Sigi sagt:

    @Tei Fei Man kann grundlegend verschiedene Epochen nicht miteinander vergleichen.
    Natürlich hätte ein Adeliger nicht ohne „Steuern“ existieren können, aber deshalb kann doch nicht von einem Steuerstaat und einer durch Steuern finanzierten Administration die Rede sein. Könige und Kaiser ritten noch lange durch die Landen, um zu herrschen. Regierung wurde hauptsächlich durch Gabe und Gegengabe, durch Rituale und Konsensfindung ausgeübt, weil es in erster Linie darum ging, „Frieden“ zu sichern, in einer Welt, die eben keine „Polizei“ und keine „Justiz“ kannte. „Ehre“, „Treue“ und Anhang waren dem mittelalterlichen Herrscher wichtiger als „Geld“. Steuern an den Adeligen sind im mittelalterlichen Sinn gewohnheitsrechtlich geregelte Anerkennungs- und Schutzabgaben, aber nur bedingt Abgaben zur Sicherung öffentlicher Angelegenheiten. Wie hätte sich auch Karl der Große im fernen Aachen um die Belange in Hinterholzingen am Bodensee kümmern sollen? Das „Finanzamt“ gab es nun mal nicht, damit auch keine Erfassung der Bürger (höchstens noch in Urbaren). Einen Innenminister kannte niemand und eine weit entfernte, nichtmobile „Regierungszentrale'“ schon gleich gar nicht. Straßen, Viadukte usw. bauten die Menschen in aller Regel selbst – ohne „Staat“, meist auf kommunaler Basis. Denn die mittelalterliche Kultur war nun einmal eine kommunal-örtlich bezogene. Stromleitungen von Flensburg nach Berchtesgaden gab es nicht. Das hätte auch keiner verstanden.

    Nein und nochmals nein, man kann nicht jede Kultur 1:1 setzen. Nehmen wir das Beispiel Sizilien: Ein Sizilianer „tickt“ nun mal anders als ein Hanseate. Jeder kennt die Kultur der Patronage in Sizilien, die „stärker“ ist als der Staat. Gabe und Gegengabe eben. In Bayern war es auch noch vor 100 Jahren üblich, dem Finanzbeamten einen Rehschlegel zu überreichen, damit er nicht ganz so streng ist.