Anerkennung ausländischer Abschlüsse
„Es ist schön zu sehen, wie viel Selbstvertrauen Menschen wiedergewinnen.“
Seit April 2012 ist das Anerkennungsgesetz in Kraft. Mehrere zehntausend Anerkennungsverfahren wurden seitdem durchgeführt. Zeit für ein kleines Fazit: Was hat das Gesetz gebracht und was gibt es noch zu tun? Wir sprachen mit Ralf Maier, Leiter des Referats „Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Sonntag, 25.01.2015, 17:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 25.01.2015, 17:35 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
MiGAZIN: Das Anerkennungsgesetz ist nach einer langen Wartezeit am 1. April 2012 in Kraft getreten. Wieso war und ist dieses Gesetz so wichtig?
Ralf Maier: Der aktuelle Migrationsbericht der Bundesregierung zeigt erneut, dass Deutschland eines der beliebtesten Einwanderungsländer ist. Mit dem Anerkennungsgesetz verbessern wir die Möglichkeiten für die Menschen, die zu uns kommen, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Und das Gesetz hat einen Paradigmenwechsel bewirkt. Ausländische Qualifikationen werden jetzt als Potenzial wahrgenommen – weg vom Bild der unterstützungsbedürftigen Migranten.
Was hat sich seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geändert?
Maier: Eine ganze Menge! Das Gesetz erleichtert und vereinheitlicht insgesamt die Anerkennung von ausländischen Qualifikationen in Deutschland. Eine wesentliche Änderung ist, dass die bisher zum Teil bestehenden Regelungen für EU-Abschlüsse jetzt auch auf Abschlüsse aus Drittstaaten erweitert wurden. Neu ist auch, dass der Antragsteller in der Regel innerhalb von drei Monaten den Bescheid erhält, wenn er alle Unterlagen eingereicht hat. Und im Bereich der dualen Ausbildungsberufe wurde erstmals überhaupt ein Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren geschaffen.
Was an diesem Gesetzeswerk hat sich besonders bewährt?
Maier: Die Regelungen zur Anerkennung haben sich verhältnismäßig schnell und gut etabliert – gerade im Bereich der Kammern und der dualen Ausbildungsberufe, wo es ja vorher überhaupt keine einheitlichen Verfahren gab. Die Kammern haben äußerst schnell Strukturen aufgebaut, damit ihre zuständigen Stellen die Gleichwertigkeitsprüfungen qualitätsgesichert durchführen können, zum Beispiel die IHK FOSA, die bundesweit die Anträge für die Abschlüsse im Bereich der Industrie- und Handelskammern bearbeitet – oder die Handwerkskammern, die sogenannte „Leitkammern“ für die verschiedenen Herkunftsländer der Abschlüsse eingerichtet hat.
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf, damit die Anerkennung von Qualifikationen von Einwanderern noch einfacher und schneller geht?
„Es ist schön zu sehen, wie viel Selbstvertrauen die Menschen mit der Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse wiedergewinnen.“
Maier: Das deutsche Berufesystem ist sehr komplex. Das fängt zum Beispiel damit an, dass bestimmte Berufe vom Bund geregelt sind und andere vom Land. So werden die Regularien des Krankenpflegers vom Bund der des Krankenpflegehelfers vom Land bestimmt. Hier gibt es sicherlich Vereinfachungsbedarf.
Mittlerweile sind zum Glück in allen 16 Bundesländern Länder-Anerkennungsgesetze für die Berufe in Landeszuständigkeit in Kraft. Allerdings liegt auch die Umsetzung der Bundesregelungen in Länderzuständigkeit. Es gilt, diese weiter zu vereinheitlichen – beispielsweise durch die dringend benötigte zentrale Gutachtenstelle für die Gesundheitsberufe. Die Länder müssen sich jetzt zügig über die Finanzierung und Ausgestaltung einigen!
Wie sind die Erfahrungen mit Personen die vom Gesetz profitieren können bzw. die es umsetzen?
Maier: Hinter jeder Anerkennung steckt eine spannende Lebensgeschichte. Es ist schön zu sehen, wie viel Selbstvertrauen die Menschen wiedergewinnen, wenn sie wissen, dass Ihre Qualifikation – auch ganz offiziell – genauso viel wert ist wie die von in Deutschland ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen. Kürzlich hatten wir die Geschichte eines jungen Mannes aus Kroatien, der durch den beruflichen Erfolg nach der Anerkennung sogar sein Stottern verloren hat.
Und natürlich merken wir auch, dass die Arbeitgeber enorm von den Anerkennungsregelungen profitieren – zum Beispiel im Gesundheitsbereich, wo der Fachkräftemangel schon an vielen Stellen spürbar ist. Hier weisen viele Unternehmen ihre potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das notwendige Verfahren hin und unterstützen zuweilen bei Behördengängen. In anderen Berufsfeldern ist man noch nicht so weit, viele Arbeitgeber nutzen die Möglichkeiten der Anerkennung noch zu wenig.
Das Statistische Bundesamt hat zuletzt Zahlen bekanntgegeben. Danach wurden im Jahr 2013 fast 17.000 Anerkennungsverfahren durchgeführt. Davon wurden rund 12.000 ausländische Berufsqualifikationen anerkannt bei rund 530 negativen Bescheiden. Das hört sich positiv an. Sie haben sicher weitere Kriterien, an der Sie den Erfolg messen?
Maier: Über 26.000 Anträge seit Inkrafttreten sind gerade bei einem neuen Gesetz doch sehr beachtlich. Das Interesse am Thema ist sehr hoch und steigt weiter.
Das sehen wir bei der Nachfrage nach den Informationenangeboten wie der Hotline des BAMF und den Beratungsstellen im Netzwerk „Integration durch Qualifizierung – IQ“. Nicht zuletzt haben auch fast zwei Millionen Besucher das Internetangebot www.anerkennung-in-deutschland.de seit dessen Start im März 2012 genutzt. Von den aktuell monatlich rund 100.000 Besuchern kommen über 40 Prozent aus dem Ausland – Tendenz steigend. Die Besucher können sich in sieben Sprachen über die wichtigsten Voraussetzungen für die Anerkennung informieren und die für sie richtige zuständige Stelle finden.
„Das Interesse an der Anerkennung steigt weiter.“
Aber nicht jedes Beratungsgespräch führt zu einem Antrag – und das ist manchmal auch gut so. In einigen Fällen ist die Anerkennung vielleicht nicht nötig oder eine Umschulung sogar der bessere Einstieg in den Arbeitsmarkt. Hier ist die richtige Beratung durch die zuständigen Stellen oder das Netzwerk-IQ ganz entscheidend. Wichtig ist aber auch, dass die Anerkennungsinteressierten wissen, dass sich ein Anerkennungsverfahren auch dann lohnt, wenn keine volle Gleichwertigkeit bescheinigt wird – denn Arbeitgeber und Betriebe können auch bei teilweiser Gleichwertigkeit die vorhandenen Qualifikationen leichter einordnen. Aber insgesamt gibt es bei den Antragszahlen natürlich noch Spielraum nach oben.
Werfen wir einen Blick auf die vergangenen zweieinhalb Jahre: Welches Fazit ziehen Sie und was sehen Sie, wenn Sie in die Zukunft schauen?
Maier: Insgesamt ist seit 2012 viel Bewegung in das Thema Anerkennung gekommen und es hat sich mit dem Anerkennungsgesetz vieles zum Positiven geändert. Die rund 26.500 Anträge auf eine berufliche Anerkennung belegen den wichtigen Beitrag des Anerkennungsgesetzes für die Sicherung unseres Fachkräftebedarfs. Es zeigt sich auch, dass insbesondere Anträge im Bereich der reglementieren Berufe gestellt werden, dort wo die Anerkennung zwingend notwendig ist und wo vielerorts bereits ein akuter Mangel an Fachkräften besteht. Und für viele Menschen, die zu uns zuwandern oder aus den Krisengebieten dieser Welt zu uns flüchten, bedeuten die Möglichkeiten zur Anerkennung ihrer Abschlüsse eine zentrale Einstiegshilfe in Deutschland.
Jetzt ist es Aufgabe aller Beteiligten, die Anwendung der Anerkennungsregelungen – insbesondere zwischen den Länderbehörden – weiter zu vereinheitlichen und sie im Sinne einer echten, gelebten Willkommenskultur auszugestalten.
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