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Wirtschaftsflüchtlinge

Ein bedingungsloses Ja zu den christlich-abendländischen Werten

Ok-Hee Jeong und ihre zwei Geschwister waren drei, fünf und acht Jahre als ihre Eltern sie in Korea ließen und nach Deutschland zogen. Das war in den 70ern. Heute würde man sie als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen und nicht haben wollen.

Von Ok-Hee Jeong Dienstag, 03.02.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.02.2015, 11:54 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Als meine Eltern uns, ihre drei Kinder, verließen, waren wir gerade mal drei, fünf und acht Jahre alt. Sie verließen uns, weil sie uns liebten.

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Südkorea war nach jahrzehntelanger japanischer Kolonialherrschaft und durch den Koreakrieg in Schutt und Asche gelegt, und in den siebziger Jahren gehörte Südkorea zu den ärmsten Ländern der Welt. Meine Eltern hatten gerade mal die High-School abschließen können. Studieren war nicht möglich, weil kein Geld dafür vorhanden war. Schulbildung war Luxus. Es ging nur ums Überleben. Es waren entbehrungsvolle Tage, es waren Tage ohne Hoffnung auf die Zukunft. Gott sei Dank gab es aber ein Anwerbeabkommen zwischen Südkorea und der damaligen BRD; die Möglichkeit als Gastarbeiter nach Deutschland zu gehen, war eine ungeahnte Möglichkeit für meine Eltern und ihre Großfamilie. Zuerst flog mein Vater nach Deutschland. Halbes Jahr später folgte ihm meine Mutter. Mein Vater sagte zum Abschied: „Ich werde mit viel Geld nach Hause zurückkommen.“ Meine Mutter sagte zum Abschied: „Ich werde ganz bald zurückkommen.“

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Ganz bald. Wie viele Tage bedeuteten „ganz bald“ für meine dreijährigen und achtjährigen Brüder? Wie viele Tage kannte ich wohl mit meinen fünf Jahren? Vielleicht habe ich damals die Nächte an meinen kleinen zehn Fingern abgezählt. Ein Finger für eine Nacht, ein zweiter Finger für eine weitere Nacht, dann noch ein weiterer Finger, noch ein weiterer Finger …

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Die zehn Finger abzuzählen muss für mich bestimmt wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Aber meine Eltern kamen auch nach dieser Ewigkeit nicht wieder. Nicht nach zehnmal schlafen, nicht nach hundertmal schlafen, nicht nachdem der Winter vorbei war und der Frühling kam; auch dann nicht, als nach den langen Monaten wieder der kalte Winter zurückkam; sie kamen auch dann nicht, als es wieder tonlos Frühling wurde, der schwüle, zähe Sommer sich langsam in den Herbst windete und als dieser Herbst, der in meinen Augen keine Farben mehr trug, wieder nur stumm in den kalten Winter mündete.

Als ich Mutter eines Kindes wurde, fragte ich mich, wie es meiner Mutter damals ergangen sein muss, sich von ihren kleinen Kindern zu trennen. Ich erahne es. Es muss ihr das Herz zerrissen haben. Denn genau das spüre ich an meinem eigenen Mutterherzen.

Als ich im Jahre 2011 der Einladung des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit folgte, während der Interkulturellen Wochen mein Theaterstück aufzuführen und Lesungen mit meinen Kurzgeschichten zum Thema Migration zu halten, weilte ich für einige Tage in Erfurt und Ilmenau, war in Jena und Gera, und besuchte dazu noch die abgelegenen kleinen Ortschaften in Thüringen, an deren Namen ich mich leider nicht mehr erinnern kann.

Tief in Thüringen einzutauchen, in den kleinen Dörfern und Städten zu gelangen, war für mich, die aus dem Westen kam, spannend. Die Menschen, denen ich begegnete, waren freundlich. Aber die Orte fühlten sich für mich nicht heimisch an. Es war ein anderes Deutschland, als das ich vom Westdeutschland kannte. Es fühlte sich seltsam anders an. Vielleicht lag es daran, dass überall eine gewisse Mutlosigkeit und Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit zu spüren war. Überall, wo ich ankam, war es mehr als augenscheinlich, dass es sehr viele hoch betagte Menschen gab, aber wenig junge Menschen. Die Binnenwanderung von Ost nach West, die nach der Wende unaufhörlich stattgefunden hatte, zeigte dort deutlich ihre Folgen. Zurückgeblieben schienen nur die Menschen, die nicht wegziehen konnten oder nicht die Möglichkeit hatten, wegzuziehen, oder einfach Glück gehabt hatten, dort bleiben zu dürfen, weil sie einen Arbeitsplatz hatten. Die Menschen, denen ich in diesen Tagen begegnete, klagten darüber, dass die ganze Wirtschaft dort nach der Wende ausgenommen und zerstört worden sei. Ich spürte ihre Wut und ihre Verbitterung und ihre Ohnmacht.

Ich erinnere mich an eine abendliche Lesung in einer Kleinstadt. Hoch betagte Menschen trudelten in die städtische Bibliothek ein, legten ihre Jacken ab und nach einem kleinen Plausch mit ihren Bekannten, machten sie sich auf den Holzstühlen zurecht und lauschten meinen Kurzgeschichten. Sie hörten aufmerksam und höflich zu, lachten an den lustigen Stellen und blickten betroffen bei den traurigen Stellen, während ich meine Kurzgeschichten vorlas, die von Migration handelten und natürlich auch von der Geschichte über die Trennung von meinen Eltern erzählten, als ich ein kleines Kind war.

Nach der Lesung folgte das Gespräch mit dem Publikum. An jenem Abend fühlten die alten Menschen und ich uns wohl sehr nah. Obwohl wir uns nicht kannten. Obwohl wir scheinbar aus unterschiedlichen Welten kamen. Ich erzählte von meiner Migrationserfahrung; sie erzählten von ihren Geschichten; sie erzählten von der Auswanderung ihrer Kinder und ihrer Verwandtschaft und Nachbarn. Auswanderung nach Westdeutschland oder gar ganz ins Ausland. Denn zu Hause gab es keine Arbeit. Keine Zukunftsperspektive. Sie nickten wissend und sagten wehmütig: „Wer will denn schon gern freiwillig seine Heimat verlassen?“

René, ein Studienfreund aus den neune Bundesländern, erzählt über den Stellenwert der Familie in der DDR: „Zur DDR-Zeit war für uns immer die Familie das allerwichtigste gewesen. Allen anderen konnte man ja nicht trauen. Ich erkläre mir damit den starken Familienzusammenhalt bei uns zu Hause.“ Leitartikel Meinung

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  1. Sigi sagt:

    @Tei fei unser Staat ist schlank, so schlank, dass ungefähr 50% aller Ausgaben für die Schuldentilgung, Arbeit, und Soziales aufgewendet werden. Unser Staat ist ausgesprochen „fett“, das ist die Wahrheit. „Konsum“ bringt Ihnen nichts, wenn Sie das, was Sie konsumieren, nicht selbst erwirtschaften. Nur Münchhausen konnte sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen.
    Schulden sind Verbindlichkeiten, die ja auch bedient werden müssen. So lebt eine Bank von Zinsen. Aber nicht nur die Banken leben von Zinsen, sondern auch die Investoren. So profitieren ganze Wirtschaftszweige von Blasenstrukturen, die irgendwann platzen müssen, weil ja alles an die Wunderkraft der Schulden und des billigen – irregulären – Geldes glaubt. Wer sagt denn, dass ein Kredit zurückbezahlt wird? Wer garantiert denn, dass Zinsen beglichen werden? Wer stellt sicher, dass Geld einen Wert hat? Und wieso ignorieren Sie, dass gerade Landesbanken 2007 Schwierigkeiten hatten?

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/finanzkrise-staatliche-banken-verlieren-dreimal-so-viel-geld-wie-private-a-648797.html

    Was hilft Ihnen bei einem Börsenkrach der Rückgriff auf Erspartes? Gar nichts, weil der ja den Börsenkrach erst recht anfeuern würde.

    Die wunderbare Geldvermehrung führt nicht (oder besser: nur vorübergehend) zur Produktion von Mehrwert, sondern zur Steigerung von Börsenkursen und Anlagewerten. Die irreal hohen Börsenkurse und die fantastisch teuren Wohnungen in London, Shanghai oder anderswo kennen wir alle. Das hat mit Realwirtschaft nichts mehr zu tun.

  2. Tai Fei sagt:

    @Nanni60, machen Sie sich mal keine Sorgen um die „Vermögen“ des „kleinen Mannes“. Um die geht es gar nicht. Wie wär´s, wenn Sie erstmal einen Blick auf die Vermögensverteilung in DE werfen. Da kann man ganz wo anders anfangen. Es geht auch gar nicht um Enteignung. Es würde schon reichen die Steuersätze der 80er wieder einzuführen. Was damals recht war, kann doch heut nur billig sein. Was die Aldi-Brüder angeht, nun wirklich arm waren die nicht und gute Ideen und Sparwillen haben die auch bestimmt. Der Sparwillen setzt bei denen dann immer zuerst bei den Angestellten an. Schon mal was vom Mehrwert gehört?

    Sigi sagt: 5. Februar 2015 um 15:22
    @Tei fei unser Staat ist schlank, so schlank, dass ungefähr 50% aller Ausgaben für die Schuldentilgung, Arbeit, und Soziales aufgewendet werden.

    Nochmal, die Ausgaben für Arbeit und Soziales haben seit Jahrzehnten einen relativ stabilen Prozentualwert am BIP. Das der absolut zunimmt, ist klar, das BIP nimmt ebenfalls zu und wir schreiben auch seit Jahrzehnten „Steuereinnahmerekorde“, das ist völlig normal. Was die Schuldentilgung angeht, erfolgt die so gut wie gar nicht, es werden allenfalls die Zinsen bezahlt. Dabei wäre z.Z. der ideale Zeitpunkt neue Schulden aufzunehmen, um damit alte zu begleichen, da die Zinsen nahe Null liegen. Aber wir wollen ja die schwarze Null.
    Sigi sagt: 5. Februar 2015 um 15:22
    „Unser Staat ist ausgesprochen “fett”, das ist die Wahrheit. “Konsum” bringt Ihnen nichts, wenn Sie das, was Sie konsumieren, nicht selbst erwirtschaften.

    Was DE betrifft tun wir das doch, wir haben eine Rekordaußenhandelsüberschuss. D. h. wird erwirtschaften MEHR als wir konsumieren.“
    Sigi sagt: 5. Februar 2015 um 15:22
    „Schulden sind Verbindlichkeiten, die ja auch bedient werden müssen. So lebt eine Bank von Zinsen. Aber nicht nur die Banken leben von Zinsen, sondern auch die Investoren. So profitieren ganze Wirtschaftszweige von Blasenstrukturen, die irgendwann platzen müssen, weil ja alles an die Wunderkraft der Schulden und des billigen – irregulären – Geldes glaubt.“

    Richtig, und weil die so gut davon leben, könnten wir diese Gewinne auch ordentlich besteuern. Machen wir aber nicht, wir gleichen lieber deren Verluste mit Steuergeldern aus.

    Sigi sagt: 5. Februar 2015 um 15:22
    „Und wieso ignorieren Sie, dass gerade Landesbanken 2007 Schwierigkeiten hatten?
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/finanzkrise-staatliche-banken-verlieren-dreimal-so-viel-geld-wie-private-a-648797.html
    Was hilft Ihnen bei einem Börsenkrach der Rückgriff auf Erspartes? Gar nichts, weil der ja den Börsenkrach erst recht anfeuern würde.“

    Ich ignoriere die Schwierigkeiten der Landesbanken gar nicht. Die waren aber eine Folge des Rückbaus an staatlichen Kontrollinstanzen für die Finanzindustrie. Auf Weisung der EU mussten die Landesbanken, welche zuvor eher die Rückendeckung für die Sparkassen darstellten, diese staatlich unterstütze Kerngeschäft aufgeben, bzw. die allmähliche Privatisierung wurde eingeleitet. Diese ist heute bei einigen schon abgeschlossen bei anderen steht sie bevor. So wird die Bayerische Landesbank ihre Privatisierung dieses Jahr voraussichtlich abgeschlossen haben. Was den Artikel betrifft, naja dort werden erstmal KEINE Zahlen genannt, ferner wird unterschlagen, dass die Deutsche Bank, ihre Verluste ja kurz nach dem Crash an die HRE ausgelagert hat und allein schon die Ersteller der Studie scheine mir etwas suspekt. Das sind nämlich die Leute, die ständig freie Hand für den Finanzsektor fordern. Sie haben natürlich Recht, das ein Börsenkrach ihr Erspartes vernichtet, aaaber.
    1. Gerademal 10% der Bundesbürger besitzen überhaupt Aktien
    2. ist das eigentlich die ideale Werbung für die umlagefinanziert Rente

    Sigi sagt: 5. Februar 2015 um 15:22
    „Die wunderbare Geldvermehrung führt nicht (oder besser: nur vorübergehend) zur Produktion von Mehrwert, sondern zur Steigerung von Börsenkursen und Anlagewerten. Die irreal hohen Börsenkurse und die fantastisch teuren Wohnungen in London, Shanghai oder anderswo kennen wir alle. Das hat mit Realwirtschaft nichts mehr zu tun.“

    Da haben sie durchaus recht, daher wäre es ja sinnvoll diese Geldvermehrung, die nicht zur Produktion von realen Mehrwerten verwendet wird, einzudämmen und zwar durch höhere Steuern auf genau diese Gewinne. Das würde der Abkoppelung des Finanzsektors von der Realwirtschaft entgegenwirken und die Staatseinnahmen deutlich verbessern. Damit könnte der Staat auch wieder vernünftig in Infrastrukturprojekte investieren, welche wiederum realen Mehrwert erzeugen. Genau das passiert aber eben nicht. Die Steuern für Kapitaleinkünfte werden ständig gesenkt und ihr Anteil am Gesamtsteueraufkommen ist ebenfalls seit Jahren rückläufig.

  3. Tai Fei sagt:

    @Sigi
    Hier noch eine kurze Übersicht zur Rolle der Landesbanken in der Subprimekrise:

    http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/080618%20Troost,%20Diskussionspapier1%20zu%20Landesbanken.pdf

  4. Karl-Marx-Leser sagt:

    @ Tei Fei „Nochmal, die Ausgaben für Arbeit und Soziales haben seit Jahrzehnten einen relativ stabilen Prozentualwert am BIP.“

    1. Dieses Märchen glaube ich Ihnen nicht. Sie vergessen, dass ganze Industriezweige von der Misswirtschaft leben, was auch für den Sozialbereich gilt. Irgendwann platzt die Blase. Außerdem nimmt die Zahl der „produktiven“ Industriearbeiter auch in Deutschland stetig ab. Die Zahl des indirekt bezuschussten Dienstleistungsprekariats nimmt hingegen zu.

    2. Je mehr fiktives Kapital ich drucke, umso weniger darf ich die Anleger abschrecken, weil sonst der Kollaps droht.

    3. Das Problem des Kapitalismus liegt in seiner Selbstzweckstruktur, nicht in der Verteilung. Arbeit um der Arbeit willen, Gewinn um Gewinn zu machen. Das ist das Problem. Da unterscheidet sich der Straßenkehrer nicht vom Großunternehmer. Die Frage, was „benötigt“ wird, stellt sich gar nicht. Kein Umverteilungsideologe wird sagen „wir brauchen weniger“. Jeder der schon für Umverteilung ist, ist bereits Kapitalist.

    4. Die Produktion von Mehrwert („Gewinn“) erzwingt wegen der Weltmarktkonkurrenz die Reduktion von Arbeitskraft (weniger Arbeitsplätze) bei gleichzeitigem Anstieg der Investitionsquote. Die fallende Profitrate ist der eigentliche Grund für die Bankenkrise, die nur dadurch verschärft wird, dass man um der Krise auszuweichen Wachstum vorwegnimmt, indem man durch Schulden immer mehr in die Zukunft greift.
    Die USA wurden von der Finanzkrise nicht so sehr wegen der Spekulationen ergriffen, sondern aufgrund der Tatsache, dass dieses Land wegen seiner insgesamt schwachen industriellen Basis mehr importiert hat, als es exportiert hat. „Schuld“ am Desaster waren die Notenbanken, die Banken, aber auch die Konsumenten, die Schulden gemacht haben.

    5. Das beste Beispiel für die fallende Profitrate sind die Mobiltelefone oder die Computerchips. Früher waren das Luxusgüter, heute handelt es sich um Massenware.

    6. Sind Börsenblasen nichts anderes als kollektiver Selbstbetrug. „Den“ Schuldigen gibt es da nicht.

  5. Tai Fei sagt:

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 10:41
    @ Tei Fei “Nochmal, die Ausgaben für Arbeit und Soziales haben seit Jahrzehnten einen relativ stabilen Prozentualwert am BIP.”
    1. Dieses Märchen glaube ich Ihnen nicht. Sie vergessen, dass ganze Industriezweige von der Misswirtschaft leben, was auch für den Sozialbereich gilt. Irgendwann platzt die Blase. Außerdem nimmt die Zahl der “produktiven” Industriearbeiter auch in Deutschland stetig ab. Die Zahl des indirekt bezuschussten Dienstleistungsprekariats nimmt hingegen zu.
    Die Zahl der „produktiven Industriearbeiter“ nimmt eher zu. Was nicht zunimmt sind die Arbeitsstunden. Deswegen werden ja immer mehr bezuschusst, weil sie gezwungen sind prekär zu arbeiten und davon nicht mehr leben können. Der eingeführte „Mindestlohn“ ist ja ein Versuch diese Zuschüsse wieder zu senken.

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 10:41
    „2. Je mehr fiktives Kapital ich drucke, umso weniger darf ich die Anleger abschrecken, weil sonst der Kollaps droht.“
    Der Kollaps ist systemimmanent, die Frage ist nie ob sondern lediglich wann.

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 10:41
    „3. Das Problem des Kapitalismus liegt in seiner Selbstzweckstruktur, nicht in der Verteilung. Arbeit um der Arbeit willen, Gewinn um Gewinn zu machen. Das ist das Problem. Da unterscheidet sich der Straßenkehrer nicht vom Großunternehmer. Die Frage, was “benötigt” wird, stellt sich gar nicht. Kein Umverteilungsideologe wird sagen “wir brauchen weniger”. Jeder der schon für Umverteilung ist, ist bereits Kapitalist.“

    Der Straßenkehrer arbeitet doch nicht um der Arbeit willen noch wegen des Gewinns, er arbeitet subsistent. Die Frage nach dem was „benötigt“ wird, impliziert keineswegs die Erkenntnis, dass „wir weniger brauchen“. Das kann schon deshalb nicht funktionieren, weil die Menschheit als Ganzes wächst. Die derzeitige Angebotsstrategie darf man aber ganz sicher hinterfragen.

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 10:41
    „4. Die Produktion von Mehrwert (“Gewinn”) erzwingt wegen der Weltmarktkonkurrenz die Reduktion von Arbeitskraft (weniger Arbeitsplätze) bei gleichzeitigem Anstieg der Investitionsquote. Die fallende Profitrate ist der eigentliche Grund für die Bankenkrise, die nur dadurch verschärft wird, dass man um der Krise auszuweichen Wachstum vorwegnimmt, indem man durch Schulden immer mehr in die Zukunft greift.
    Die USA wurden von der Finanzkrise nicht so sehr wegen der Spekulationen ergriffen, sondern aufgrund der Tatsache, dass dieses Land wegen seiner insgesamt schwachen industriellen Basis mehr importiert hat, als es exportiert hat. “Schuld” am Desaster waren die Notenbanken, die Banken, aber auch die Konsumenten, die Schulden gemacht haben.“

    Grundsätzlich volle Zustimmung, nur hat sich die Situation der USA ja nicht geändert. Die USA haben IMMERnoch ein Handelsdefizit, die industrielle Basis hat sich kaum verbessert und „Schulden“ werden nach wie vor gemacht. Und nun?

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 10:41
    „5. Das beste Beispiel für die fallende Profitrate sind die Mobiltelefone oder die Computerchips. Früher waren das Luxusgüter, heute handelt es sich um Massenware.“
    Volle Zustimmung!
    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 10:41
    „6. Sind Börsenblasen nichts anderes als kollektiver Selbstbetrug. “Den” Schuldigen gibt es da nicht.“

    Die Frage ist aber wer für diesen Selbstbetrug entschädigt wird.

  6. Karl-Marx-Leser sagt:

    @Tei fei „Die Frage ist aber wer für diesen Selbstbetrug entschädigt wird.“ Diese Frage ist unsinnig. Die Erfahrung lehrt uns, dass Schuldenkrisen durch Inflationen und Währungsreformen gelöst werden. Wenn Sie feststellen, dass es nicht eine Frage ist, ob der Kollaps kommt, sondern nur wann, bestätigen Sie ja ungewollt, dass das Problem des Kapitalismus nicht in der Verteilung, sondern in seiner Selbstzweckhaftigkeit besteht.

    Selbstverständlich ist auch ein Straßenkehrer „Agent des Kapitals“, wie es Marx ausdrückt, genauso wie ein Manager oder ein Kapitän. Mag der Straßenkehrer für sich kein Interesse an mehr Arbeit haben, so will ihm doch sicherlich sein Arbeitgeber mehr Arbeit aufbrummen, ganz im Sinne einer Kostenminimierung.

    Völlig schleierhaft ist die Aussage, wonach industrielle Arbeitsplätze zunehmen. Haben Sie noch nie eine moderne Fertigungshalle besucht? selbst wenn in Deutschland momentan Leute eingestellt werden sollten, sieht es im übrigen Europa schon ganz anders aus.

  7. WeltohneGewalt sagt:

    @karakal – auch unter den „Muslimen“ gibt es viele nicht gläubige., warum solte es hier auch anders sein als bei allen Religionen. Gerade in den Ländern in denen mal „automatisch“ Muslim wird (z.B. dem Iran).

    Und die Sache mit der Nächstenliebe – das ist keine Eigenschaft die „die Muslime“ für sich haben während „die Christen“ sie nicht mehr haben.
    Es sind immer die Menschen die dahinter stehen. Denn gerade bei den Muslimen gibt es viele innerreligiöse Konflikte (Sunnitten vs. Schiiten z.B) die von Nächstenliebe nichts ziegen. Eher im Gegenteil.

  8. Cengiz K sagt:

    …Das höchste Gebot ist das: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein…

    Die Übersetzungen und die Überlieferung der Bibel im heutigen „christlichen“ Zustand im Allgemeinen hat auch den Tauhid hier verschwimmen lassen.. Jesus bezieht sich hier auf das Erste Gebot, sehr offensichtlich.. Wer Schindluder mit dem Kontext eines autorlosen Schriftstückes betreibt, das keine Quellenangaben zu bieten hat und zu einem übermäßigen Anteil rekonstruiert worden ist, macht am Ende sogar aus eins drei.. Oder aus Saulus Paulus.. Ist ja aber auch schwierig einen Kontext her zustellen aus etwas, was nicht Mithra oder Jupiter ist..

  9. Tai Fei sagt:

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 15:11
    „“Die Frage ist aber wer für diesen Selbstbetrug entschädigt wird.” Diese Frage ist unsinnig. Die Erfahrung lehrt uns, dass Schuldenkrisen durch Inflationen und Währungsreformen gelöst werden.“
    Währungsreformern und Inflationen ändern aber nichts an den Besitzverhältnissen an Produktionsmitteln. in den letzten Krisen hat man sich noch nicht mal mehr die Mühe gemacht, die Vergemeinschaftung der Spielschulden zu verschleiern.

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 15:11
    „Selbstverständlich ist auch ein Straßenkehrer “Agent des Kapitals”, wie es Marx ausdrückt, genauso wie ein Manager oder ein Kapitän. Mag der Straßenkehrer für sich kein Interesse an mehr Arbeit haben, so will ihm doch sicherlich sein Arbeitgeber mehr Arbeit aufbrummen, ganz im Sinne einer Kostenminimierung.“
    Und wo liegt da das Interesse des Straßenkehrers?

    Karl-Marx-Leser sagt: 6. Februar 2015 um 15:11
    „Völlig schleierhaft ist die Aussage, wonach industrielle Arbeitsplätze zunehmen. Haben Sie noch nie eine moderne Fertigungshalle besucht? selbst wenn in Deutschland momentan Leute eingestellt werden sollten, sieht es im übrigen Europa schon ganz anders aus.“
    Dann sehen Sie sich doch mal „moderne“ Fertigungshallen in China, Bangladesh und Indonesien an. Soweit müssen Sie aber nicht mal gehen. Die Versandabt. von Amazon reicht schon. Solange Menschen billiger als Maschinen sind, in DE haben wir ja nicht umsonst den größten Niedriglohnsektor Europas, stehen dort Menschen und keine Maschinen. Und selbstverständlich kann ich hier immer mehr Arbeitsplätze schaffen. Lt. dt. Arbeitslosenstatistik ist DER nicht arbeitslos, der mindestens eine Stunde pro Woche arbeitet. Bei ´ner angenommen 40h-Woche kann ich so theoretisch 40 Angestellte in „Brot und Lohn“ stellen. Dass davon keiner leben kann und der Rest dann staatlich subventioniert wird, steht auf einem anderen Blatt. Die Zahl der Arbeitsplätze hat keine Relevanz.

  10. Zorro sagt:

    @Tei Fei Banken haben nichts vom „fiktiven Kapital“ (=“Spielgeld“). Niedrige Zinsen zwingen sie zur Spekulation. Eine Bank lebt vom Geld anderer, darum kann sie sich keinen Verlust erlauben, denn sonst wäre ja das Vertrauen weg und die Bank pleite. Folglich muss sie spekulieren. Die Bank als solche besitzt keine Produktionsmittel, sondern nur Einlagen bzw. Gewinn- und Firmenanteile. Reines „reales“ Firmenunternehmertum widerspricht dem Sinn und Zweck einer jeden Bank. Das Katastrophale ist nicht die Vergemeinschaftung von Schulden, sondern die ungeheure Geldvermehrung (=“fiktives Kapital“) und das Zerreissen von Kreditketten und Wirtschaftskreisläufen, die mit einem Wirtschaftszusammenbruch verbunden sind. Wenn die US-Börse hustet, hustet nun mal die ganze Welt.

    2. Der Straßenkehrer hat Interesse 1. an Arbeit und 2. an mehr Kapital. Beides macht ihn zum Kapitalisten. Er ist ein Lohnarbeiter in einer weltmarktorientierten Arbeitsgesellschaft („Deutschland-AG“). Da er von Preissteigerungen, Lohneinsparungen usw. betroffen ist und folglich mehr Geld will, formuliert er direkt oder indirekt seine „kapitalistischen“ Interessen (z.B. über Gewerkschaften). Den Durchschnittsarbeiter möchte ich sehen, der weniger Geld will.

    Die Enteignung von Produktionsmitteln bringt nichts, denn der Staat wirtschaftet meist noch schlechter als die private Hand. Dadurch wird nur ein Kapitalist durch den anderen ersetzt. „Umfairteilen“ bringt halt nichts. Sozialismus ist Mist. Was bringt Ihnen z.B. die Enteignung einer Firma wie Aldi? Gar nichts sage ich Ihnen. Sie sitzen am Ende nur auf Verkaufshallen, die Sie nicht zu Geld machen können.

    Ihr Problem liegt darin, dass sie die fiktionale, irrationale Seite des Kapitalismus nicht durchschaut haben.