Streit geht weiter
De Maizière „prinzipiell und fundamental“ gegen Kirchenasyl
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat sich gegen Kirchenasyl ausgesprochen. Das löst heftige Kritik nicht nur in der Kirche und in der Opposition aus. Selbst aus den Reihen des Koalitionspartners klare Worte.
Dienstag, 03.02.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.02.2022, 18:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erntet scharfe Kritik für seine Äußerungen zum Kirchenasyl. „Die Worte des Ministers belasten in ungewöhnlicher und überflüssiger Weise das gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat“, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister dem Evangelischen Pressedienst. De Maizière hatte den Kirchen vorgeworfen, sich über bestehende Gesetze hinwegzusetzen.
De Maizière wandte sich laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ „prinzipiell und fundamental“ gegen die aktuelle Praxis der Kirchen. Er habe als Christ zwar Verständnis, dass die Kirchen „in Einzelfällen“ unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge aufnehmen. Doch es gehe nicht, dass sie sich eigenmächtig über bestehende Gesetze hinwegsetzen. Der Minister äußerte sich dem „Spiegel“ zufolge bei einem Treffen der CDU-Spitze mit führenden katholischen Bischöfen am Dienstag in Berlin. Dabei bezeichnete der Migrationsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Norbert Trelle, das Kirchenasyl als „Ultima Ratio“.
Kirchenasyl ein notwendiger Schutzraum
Meister betonte als Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, dass das Kirchenasyl ein offensichtlich notwendiger Schutzraum für Menschenrechte sei: „Es wird nur gewährt, wenn jemand trotz aller staatlichen Gesetze und Hilfen von Abschiebung, menschenunwürdigen Umständen oder Lebensgefahr bedroht ist.“ Es wende sich nicht gegen den Rechtsstaat, sondern erinnere diesen an das grundgesetzlich verankerte Recht auf Menschenwürde, Freiheit und körperliche Unversehrtheit. In den meisten Fällen könne den Menschen in einem Kirchenasyl durch eine erneute Überprüfung ihres Schutzbegehrens geholfen werden, sagte Meister. Das zeige ganz klar seine Notwendigkeit, auch wenn es gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt.
Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es beruht zumeist auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung sind die umstrittenen Dublin-III-Bestimmungen der Europäischen Union. Im Kirchenasyl befinden sich zumeist Menschen, die über ein anderes EU-Land nach Deutschland eingereist sind. Sie dürfen nur im Herkunftsland, nicht aber in der Bundesrepublik Asyl beantragen – es sei denn, die Überstellungsfrist von sechs Monaten wird überschritten. Werden die Betroffenen als „flüchtig“ eingestuft, wie es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit kurzem tut, verlängert sich die Frist auf 18 Monate, die ein Flüchtling dann in einem Kirchenasyl ausharren muss.
Kritik von Grünen und SPD
Die Grünen-Politikerin Roth sagte, die Angriffe de Maizières auf das Kirchenasyl seien mit einer humanen Flüchtlingspolitik nicht zu vereinbaren. Das Kirchenasyl sei „ein notwendiges Korrektiv der Nächstenliebe“ für eine europäische Flüchtlingspolitik, die „mit Abschreckung und Abschottung auf einer völlig falschen Basis fußt“. Offenbar wolle der Minister sich bei den Anhängern der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und der anti-islamischen „Pegida“-Bewegung anbiedern.
Kritik erntet der Bundesinnenminister auch aus den Reihen des Koalitionspartners. SPD-Vorstandsmitglied Kerstin Griese sagte am Montag in Berlin, „pauschale Kritik am Kirchenasyl halte ich für unangemessen“. Bundesweit kümmerten sich viele Gemeindemitglieder in beeindruckender Weise um Flüchtlinge. Kirchenasyl sei häufig die letzte Möglichkeit, Flüchtlingen beizustehen, sagte die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion weiter. Sie habe Respekt vor allen Menschen, die aus christlicher Überzeugung Hilfe anbieten „auch wenn sie damit in Widerspruch zu staatlichen Entscheidungen geraten“, sagte Griese.
Der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zufolge sind gegenwärtig 200 Fälle von Kirchenasyl mit mindestens 359 Menschen bekannt, darunter sind 109 Kinder. Im Jahr 2013 gab es bundesweit erst 79 Fälle. (epd/mig) Aktuell Politik
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