Völlig überzogen
Verbände kritisieren geplante Änderungen im Aufenthaltsrecht
Die geplanten Änderungen am Aufenthaltsrecht werden von Wohlfahrtsverbänden und die Flüchtlingsorganisationen scharf kritisiert. Danach droht den allermeisten Flüchtlingen die Inhaftierung. Die Grünen bezeichnen das Gesetz als "vergiftete Praline".
Freitag, 06.03.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.03.2015, 16:38 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Wohlfahrtsverbände und die Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ haben die von der Bundesregierung geplanten Änderungen im deutschen Aufenthaltsrecht scharf kritisiert. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zur Inhaftierung von Flüchtlingen sowie zu Wiedereinreisesperren und Aufenthaltsverboten seien unverhältnismäßig und „völlig überzogen“, erklärten „Pro Asyl“, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und Paritätischer Wohlfahrtsverband am Donnerstag in Berlin. Sie könnten massive Verschärfungen nach sich führen und die gleichzeitig geplante Bleiberechtsregelung konterkarieren.
An diesem Freitag berät erstmals der Bundestag über das Gesetz aus dem Bundesinnenministerium. Es soll einerseits seit langem in Deutschland lebenden Geduldeten die Chance auf einen sicheren Aufenthaltstitel geben. Andererseits soll das Ausweisungs- und Abschieberecht reformiert werden, um Ausländer ohne Bleiberecht besser abschieben zu können.
Der Geschäftsführer von „Pro Asyl“, Günter Burkhardt, kritisierte, auch mit diesem Entwurf, der zwischenzeitlich geändert wurde, drohe praktisch allen Flüchtlingen, die nach der Dublin-Regel in einem anderen EU-Land ihr Asylverfahren durchlaufen müssten, Inhaftierung. Das Bundesinnenministerium hatte nach scharfer Kritik dem Vorwurf widersprochen, man wolle massenhaft Flüchtlinge in Haft nehmen. Burkhardt sagte, selbst wenn dies nicht geplant sei, „das Instrument liegt bereit“.
Die Gesetzesänderung sieht zudem Aufenthaltsverbote für Ausländer vor, die innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist nicht ausgereist sind. Solch ein Verbot verhindere gleichzeitig ein dauerhaftes Bleiberecht, das mit dem Gesetz versprochen wurde, sagte Diakonie-Flüchtlingsreferent Sebastian Ludwig.
Das Bleiberecht soll Geduldeten zugutekommen, die per Gesetz eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind, aber nicht abgeschoben werden können. Viele von ihnen leben seit vielen Jahren mit dem unsicheren Status in Deutschland. Ludwig sagte, sie könnten tatsächlich profitieren. Für künftig ankommende Flüchtlinge laufe die Regel aber ins Leere, wenn gleichzeitig Aufenthaltsverbote erteilt würden, die das Bleiberecht verhindern. Die Entscheidung über ein dauerhaftes Bleiberecht hänge dann vom Ermessen des Mitarbeiters in der Ausländerbehörde ab.
Wolfgang Barth von der Arbeiterwohlfahrt sagte, man könne nicht immer wieder Rechtstreue von Ausländern in Deutschland fordern, „wenn auf Regierungsseite ein Hintertürchen nach dem anderen aufgemacht wird“. Gemeinsam mit dem Paritätischen kritisiert die Arbeiterwohlfahrt, es sei die Chance verpasst worden, Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Sie verwiesen auf die Forderung nach Integrationskursen für Flüchtlinge und Geduldete sowie nach einer Abschaffung des umstrittenen Sprachnachweises beim Ehegattennachzug.
Die Grünen im Bundestag schlossen sich der Kritik der Verbände an. „Dieser Gesetzentwurf ist eine vergiftete Praline“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Volker Beck. Die Möglichkeit zur Inhaftierung von Flüchtlingen sei europarechtlich äußerst problematisch.
Das Gesetz wird nach der ersten Lesung zunächst in den Ausschüssen beraten. Die Verbände hoffen auf wesentliche Änderungen im Gesetz. Burkhardt zufolge ist am Donnerstag eine E-Mail-Kampagne gestartet worden, bei der Kritik an den Plänen der Regierung an die Fraktionen von SPD und Union geschickt werden soll. (epd/mig) Leitartikel Politik
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