Roma-Scouts
„Die Leute wollen arbeiten“
Neu eingewanderte Roma-Familien müssen in Deutschland viele Hürden überwinden - bei der Arbeitsuche, bei der Wohnungssuche. Viele Vorurteile behindern das Ankommen. In Duisburg-Rheinhausen werden sie aber unterstützt von Freiwilligen - mit Erfolg.
Von Frank Bretschneider Mittwoch, 08.04.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.04.2015, 22:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Den Begriff Scouts kennt man vor allem aus dem Wilden Westen: Fährtensucher, die noch in schwierigstem Gelände Spuren erkennen können. Scouts heute – das sind Menschen, die anderen durch den modernen Bürokratie- und Verwaltungsdschungel helfen. In Duisburg-Rheinhausen gibt es seit einem Jahr sogenannte Roma-Scouts. Die Ehrenamtlichen unterstützen Roma-Familien aus Rumänien bei ihrem schwierigen Neuanfang in Deutschland.
Der Gedanke des Projekts, das von der Diakonie-Dienststelle Duisburg-West angestoßen wurde: „Die Roma, die nach Deutschland kommen, kennen weder Sprache, noch Gesetze, noch das städtische Meldesystem oder die Gepflogenheiten des Miteinanderwohnens in ihrer neuen Heimat“, sagt Dieter Herberth, Pfarrer der Christuskirchengemeinde Duisburg-Rheinhausen, der das Projekt mitinitiiert hat. Die Scouts begleiten die Familien daher zu Behörden, Ärzten, Vermietern und Arbeitgebern.
Fünf Roma-Familien werden derzeit von sieben Scouts betreut. Die Ehrenamtlichen haben sich über die Geschichte der Roma, Fragen des Sozialrechts und die städtischen Hilfsangebote kundig gemacht, um optimal helfen zu können.
Dabei ist die Verständigung mit den Roma nicht immer einfach. Während für die Familien Sprachkurse in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule organisiert wurden, müssen die Scouts oft improvisieren: „Wir verständigen uns mit Händen und Füßen“, schmunzelt Ingrid Strauß. Professionelle Unterstützung kommt von einer zum Projekt gehörenden Sozialarbeiterin, die fließend Rumänisch spricht.
Das Konzept hat sich nach Ansicht der Initiatoren bewährt: „Die Zugezogenen können Schritte in die Selbstständigkeit gehen“, bilanziert Jürgen Voß, bei der Diakonie für das bislang einmalige Ehrenamtler-Projekt zuständig. So haben inzwischen alle betreuten Familien eine eigene Wohnung – ein großer Erfolg. Denn die Wohnungssuche sei nach der Räumung eines sogenannten Roma-Hochhauses mit zwischenzeitlich etwa 1.400 Bewohnern das größte Problem gewesen.
„Die Roma, die zumeist in Großfamilien mit bis zu sechs Kindern leben, begegneten hier massiven Vorurteilen“, sagt Pfarrer Herberth. Viele hätten nur in dem heruntergekommenen Hochhaus, das bundesweit als „Problemhaus“ Schlagzeilen machte, eine Unterkunft gefunden. Der Wohnort habe die Roma bei der Arbeitssuche stigmatisiert. Jeder Arbeitgeber habe abgewinkt, wenn er die berüchtigte Adresse gehört habe, erinnert sich Voß von der Diakonie. Inzwischen haben sich durch Vermittlung der Scouts Vermieter bereiterklärt, auch ohne Kaution an die mittellosen Roma zu vermieten.
Erfolge gibt es inzwischen auch bei der Einschulung der Roma-Kinder. „Die Kinder sind in der Schule gut angekommen“, berichtet Voss. Ihre Bereitschaft zu lernen sei groß. „Von allen Schulen gibt es nur rückhaltlose Anerkennung“, sagt Heiner Augustin, Pfarrer der Rheinhauser Friedenskirchengemeinde. „Mittlerweise dolmetschen die Kinder für ihre Eltern.“ Ein Problem sei allerdings der Mangel an Kindergartenplätzen in Rheinhausen.
Schwieriger ist indes die Arbeitssuche für die Familienväter. Zwar sind mit den neuen Adressen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gestiegen. Doch wegen der noch längst nicht ausreichenden Sprachkenntnisse bekommen viele nur Gelegenheitsjobs, manche arbeiten etwa als Fensterputzer. Viele der Männer sind um die 45 Jahre alt und ohne Bildung, sagt Roma-Scout Ingrid Strauß.
Das weit verbreitete Vorurteil, die Roma seien nur als Armutsflüchtlinge nach Deutschland gekommen, um von Sozialhilfe zu leben, hält Pfarrer Dieter Herberth für völlig unangemessen: „Die Leute wollen arbeiten. Sie hatten in ihrer Heimat nur einfach nicht die Chance, sich Bildung anzueignen.“ (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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