Nicht nur für Muslime
Die erste Islambank in der Eurozone
Das erste islamische Geldinstitut mit voller Banklizenz in Deutschland hat Experten zufolge in Deutschalnd durchaus Erfolgschancen. Das Konzept sei auch für nichtmuslimische Kunden interessant - auch aus ethischer Sicht.
Von Miriam Bunjes Freitag, 17.04.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.04.2015, 21:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Kuveyt Türk Bank hat Mitte März als erste islamische Bank in Deutschland eine Volllizenz für Bankgeschäfte erhalten. Damit ist sie auch die erste islamische Bank in der Eurozone. In Großbritannien gibt es allerdings schon seit mehr als zehn Jahren die Islamic Bank of Britain, die mit islamischem Recht – der Scharia – vereinbare Produkte und Dienstleistungen anbietet.
Der Sitz der Mutterbank ist in Istanbul. Hinter ihr steht die Finanzholding Kuwait Finance House, die nach eigenen Angaben mehrheitlich im Besitz staatlicher kuwaitischer Investoren ist. In Deutschland unterhält die Bank seit fünf Jahren eine Filiale in Mannheim, die allerdings bislang nur eine Teillizenz hatte – und daher beispielsweise keine Kredite vergeben durfte. Mit der frisch erteilten Lizenz will die islamische Bank schon im Juli neben dem Standort Mannheim Filialen in Frankfurt am Main und Berlin betreiben. Im Laufe des Jahres soll auch eine in Köln entstehen.
Alkohol, Rüstung, oder Glücksspiel sind ausgeschlossen
Die Bank arbeitet nach islamischen Prinzipien. Über deren Einhaltung wacht ein Ethikrat, dem nach Angaben der Bank sowohl islamwissenschaftliche als auch ökonomische Experten angehören. Bestimmte Geschäftsfelder wie Alkohol, Rüstung, Tabak, Glücksspiel und auch Prostitution sind per se ausgeschlossen. Eine zusätzliche Positivliste – auf der für Investitionen erwünschte Geschäftsfelder festgelegt werden – hat die Bank anders als die etablierten Ethikbanken in Deutschland nicht. Sie hat damit ein breiteres Geschäftsfeld als diese.
An anderen Stellen zieht sie als islamische Bank jedoch engere Grenzen als konventionelle Banken. Für das international Islamic Banking genannte Scharia-konforme Finanzgeschäft gilt nämlich ein Verbot für Zinsen und spekulative Geldgeschäfte wie etwa Derivate. Hintergrund ist der Vers 275 in der zweiten Sure des Korans, wonach Allah zwar den Handel erlaubt, aber das Zinsnehmen als des Teufels untersagt. Deshalb investiert eine islamische Bank statt in virtuelle Kapitalanlagen in reale Güter wie Immobilien und macht damit Gewinne. Grundsätzlich gilt: Kein Gewinn ohne Sachwerte.
Handels- und Kaufverträge statt Krediverträge
Bei einer Kreditvergabe für ein Auto zum Beispiel kauft die Bank das Auto vom Anbieter und verkauft es dann an den Kreditnehmer – mit Aufschlag und in Raten. Solche Handels- und Kaufverträge gibt es in vielen Spielarten, auch mit mehr Zwischenstufen und Vertragspartnern. Sparer werden an der durchschnittlichen Rendite aller Kreditgeschäfte beteiligt. Die Kredite werden entsprechend aus einem gemeinsamen Pool entnommen, in dem alle Spar-Einlagen gesammelt werden. Islamische Banken werden deshalb oft als Beteiligungsbanken bezeichnet. Viele Experten halten das Risiko für spekulative Blasen im islamischen Finanzsystem für geringer als im westlichen, da sich die Investoren grundsätzlich an die Realwirtschaft halten.
Experten zufolge kann die Bank in Deutschland aber nur dann Erfolg haben, wenn es sich auch an nichtmuslimische Kunden richtet. Die Bank müsse mit Produkten überzeugen und die Religion nicht in den Vordergrund stellen, sagte der Essener Volkswirtschaftsprofessor Volker Nienhaus, der auch am „International Centre for Education in Islamic Finance“ in Kuala Lumpur unterrichtet, dem Evangelischen Pressedienst. Dann passe das Konzept durchaus auch zu nicht- oder andersgläubigen Kunden.
Islambank hat in Deutschland durchaus Chancen
Der Wirtschaftsprofessor verwies darauf, dass die Kuveyt Türk Bank in der Türkei zusammen mit anderen Scharia-konformen Banken nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung erreiche, der Rest investiere konventionell. „Schaffen sie hier einen ähnlichen Schnitt, ist das die Größenordnung einer mittleren Sparkasse.“
Nienhaus sieht für die Islambank in Deutschland durchaus Chancen: „Dass ihr Geld bei konventionellen Banken in spekulative Finanzprodukte geht, stört viele Anleger, und Banken mit einem ethischen Anspruch liegen ja durchaus im Trend.“ Wegen des islamischen Zins- und Spekulationsverbotes investierten Islambanken nicht in Derivate oder ähnlich riskante Finanzanlagen, sondern in reale Güter. „Mit diesem Prinzip ähneln sie Sparkassen.“ Statt Geld gegen Zinsen zu verleihen, würden Kauf- oder Leasingverträge geschlossen.
Weltweit machen islamkonforme Finanzgeschäfte nur etwa einen Prozent des Gesamtmarktes aus. Allerdings haben sie hohen Zulauf. Ihnen hat auch die globale Finanzkrise seit 2007 deutlich weniger geschadet, da sie an den ausschlaggebenden Geschäften durch ihre inhaltlichen Vorgaben nicht beteiligt waren. Global liegen die Schwerpunkte des islamischen Finanzgeschäfts in Malaysia und Bahrain, europaweit in London. (epd/mig) Leitartikel Wirtschaft
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