Flüchtlingspolitik
Sind Ihnen Ihre neuen Schuhe auch wichtiger als ein ertrinkendes Kind?
Stellen Sie sich vor, Sie gehen spazieren und sehen, wie in einem Teich ein schreiendes Kind zu ertrinken droht. Sie könnten das Kind retten, würden dann aber Ihren schicken Anzug und Ihre schönen neuen Lederschuhe ruinieren. Kann man Ihnen diesen Verlust moralisch zumuten oder halten Sie diese Frage schon für unmenschlich?
Von Sanjay Patel Donnerstag, 30.04.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.05.2015, 17:06 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Auf der anderen Seite fliehen Menschen wegen Krieg, Verfolgung und Chaos aus ihren Heimatländern, um Zuflucht in Europa zu suchen. Viele von ihnen kommen dabei ums Leben. Sie ertrinken im Mittelmeer. Sind wir moralisch dazu verpflichtet, Schutzbedürftige aufzunehmen oder halten Sie auch diese Frage schon für unmenschlich?
Das Kind zu retten ist eine Verpflichtung, die keiner Kosten-Nutzen-Rechnung unterliegen darf. Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar. 1 Flüchtlinge zu schützen ist eine humanitäre und völkerrechtliche Verpflichtung, die ebenfalls keiner Kosten-Nutzen-Rechnung unterliegen darf.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in ihrer letzten Neujahrsansprache: „Eine Folge dieser Kriege und Krisen ist, dass es weltweit so viele Flüchtlinge gibt wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele sind buchstäblich dem Tod entronnen. Es ist selbstverständlich, dass wir ihnen helfen und Menschen aufnehmen, die bei uns Zuflucht suchen.“ Merkel redet schön.
Übertragen wir die Haltung Deutschlands im Umgang mit Flüchtlingen aber auf das Kind im Teich, ergibt sich folgende Szene: Der Anzugträger geht spazieren und sieht, wie das Kind im Teich zu ertrinken droht. Moralisch und juristisch ist er verpflichtet, das Kind zu retten. Wenn er das aber tut, wird er seinen Anzug und seine Lederschuhe opfern. Das möchte er nicht. Dilemma. Und weil das Schreien des Kindes herzzerreisend ist und den moralischen Druck steigert, legt er sich einfach Ohrstöpsel auf und schaut weg.
Die Bundesregierung sieht sich in einem ähnlichen „Dilemma“. Sie bekennt sich offiziell zu den internationalen Vereinbarungen und Menschenrechten, will aber schon lange nicht mehr Personen „selbstverständlich“ aufnehmen, die „buchstäblich dem Tod entronnen“ sind, um bei den Worten Merkels zu bleiben. Unser Wohlstand ist der Anzug mit den teuren Lederschuhen. Um dieses Problem zu lösen, legt sich Deutschland einfach Ohrstöpsel an und schauen weg nach folgendem Schema:
Flüchtlinge, die in Deutschland Zuflucht suchen, können einen Antrag auf Asyl nur auf deutschem Boden stellen. Die Ohrstöpselpolitik der deutschen Regierung ist deswegen seit 25 Jahren bemüht, dass ein Flüchtling gar nicht erst zum Schreien kommt, also deutschen Boden betritt und einen Antrag stellen kann. So kann sich Deutschland offiziell zu seinen humanitären Verpflichtungen bekennen, ohne einen einzigen Flüchtling aufzunehmen. Wo kein Kind gibt im Teich, da keine Rettungspflicht.
Dieses Prinzip verfolgt auch die EU. Wer Zuflucht in einem Mitgliedstaat der EU sucht, muss erst nach Europa gelangen. Mangels sicherer und legaler Zugangswege nach Europa, mutet die EU mit ihrer Politik denjenigen, die „buchstäblich dem Tod entronnen“ sind, einen weiteren Überlebenstest im Mittelmeer zu. Die Flüchtlinge haben nicht viel zu verlieren und nehmen das Risiko auf sich. Auf diese Weise ist das Mittelmeer zu einem Massengrab geworden. Seit Ende des Kalten Krieges sind etwa 25.000 Flüchtlinge ertrunken, jährliche Tendenz steigend. Diese Zahlen nennen nur die bekannten Fälle, die Dunkelziffer dürfte höher liegen.
Öffentliche Aufmerksamkeit erregen nur die etwa jährlich stattfindenden größeren Unglücke mit mehreren hundert Toten. Der Ablauf ist stets der gleiche: 1) Moralische Größen wie der Papst oder der UN-Generalsekretär verdammen die Politik der EU und fordern Maßnahmen; 2) die EU betrauert die Toten, erklärt die Schlepper zum Sündenbock und mahnt an, dass man etwas unternehmen müsse; 3) nichts Wesentliches passiert – auch nicht nach dem nächsten Unglück.
Schlepper und kriminellen Banden nutzen nicht nur die Misere der Flüchtlinge aus, sondern profitieren in erster Linie von der rigiden Abschottungspolitik der EU, die Flüchtlingen keine legalen Fluchtwege nach Europa bietet. Weil die EU bisher keine ernsthaften Bemühungen zeigte, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern, ist das Mittelmeer zum Symbol einer Abschreckungspolitik geworden, die ertrunkene Flüchtlinge stillschweigend als Kollateralschaden in Kauf nimmt, um weitere Schutzbedürftige davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen.
Dabei ist Asyl nicht nur ein universelles Menschenrecht sowie moralisch und juristische Verpflichtung, sondern es ist auch ein Teil der grundlegenden Werte, auf denen das heutige Europa aufgebaut wurde. Es sind nicht die Flüchtlinge, die eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen. Die Gefahr sind Menschen, die Flüchtlingen das Asyl verweigern wollen und eine Politik, die diesem Wunsch stattgibt.
Wenn wir Flüchtlingen den Schutz verwehren, vergessen wir, wer wir sind, was unsere Prinzipien sind und wofür wir stehen. Wir wären dann Anzugträger, denen die schönen Schuhe wichtiger sind, als die Rettung eines ertrinkenden Kindes.
- § 323c Strafgesetzbuch: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
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Hallo Hans Peter Klause,
vielen Dank für den Link zur FAZ. Den Artikel kannte ich noch nicht und er war für mich sehr interessant zu lesen.
Nun zu Ihren Argumenten:
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“Der Anteil afrikanischer Auswanderer, die auf der Flucht vor politischer Verfolgung oder gewalttätigen Konflikten seien, beträgt nach der Studie nur etwa vierzehn Prozent.”
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Bezieht sich die Zahl auf die Gesamtmigration der Afrikaner, also auch auf die Binnenmigration oder nur auf den Anteil der Afrikaner, die nach Europa einwandern? Das geht für mich aus dem Artikel nicht hervor.
Die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Deutschland zu gelangen versuchen, sind nicht nur Afrikaner, sondern auch aus Syrien, zum Beispiel.
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Asylrecht ja, Wirtschaftsflüchtlinge sind aber keine Flüchtlinge, die Asylrecht geniessen.
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Ich habe nicht behauptet, dass „Wirtschaftsflüchtlinge“ schutzbedürftig sind. Bei allem Verständnis für die Lage derjenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihren Ländern entfliehen, sie sind keine Schutzbedürftigen im Sinne der Genfer Konventionen.
Somit sind wir einer Meinung. Wo es allerdings auseinandergeht ist, dass ich nicht nur „ja“ zum Asylrecht sage, sondern es auch für die Schutzbedürftigen einfordere, während Sie – wenn ich Sie richtig verstehe – es nicht als universelles Menschenrecht betrachten, sondern es nach Kosten-Nutzenerwägungen einschränken möchten.
Bei den Kommentaren und den Kommentatoren, bitte immer im Hinterkopf behalten, dass wir hier in Europa bzw in Deutschland leben. Bei einigen scheint Geiz wirklich geil zu sein. Immerhin sprechen wir hier von den einigen reichsten Ländern der Welt. Für den Weltfrieden scheinen sich einige Kommentatoren nicht zu interessieren. Europa möchte bestimmen aber keine Verantwortung übernehmen. Es gibt immer eine Lösung, wenn eine Lösung angestrebt wird, und wenn llosungsorientiert gearbeitet wird.
So schwierig, wie einige Kommentatoren es darstellen, ist es doch gar nicht. Diese Menschen müssen nicht ertrinken. Anscheinend müssen hier einige Kommentatoren selber betroffen sein, damit sie sehen könne, wie unmenschlich ihre Einsicht doch ist. Eigentlich ist es immer der gleiche Typ Kommentator, der keine Ausländer mag. Am liebsten würde er in seiner eigenen homogenen Welt leben. Für ihn sind die anderen grundsätzlich schlecht und wollen ihm etwas wegnehmen. Er allein kennt die Wahrheit und alles was seiner Wahrheit entspricht ist richtig. Für ihn sind die Menschen selber schuld, wenn sie im schönen Mittelmeer ertrinken.
S P: Ihre Quelle ist aber sehr dürftig. Der Ausschluss der Betroffenen erfolgte offensichtlich im Einklang mit dem geltenden Recht. Und nur weil Sie und Herr Bade anderer Ansicht sind stellt dies noch lange keinen „Ausschluss “ ganzer Personengruppen dar. Nicht jeder der von sich sagt er sei Asylberechtigt ist dies auch tatsächlich.
ich finde Matthias Gedanken sehr gut.
Den Artikel finde ich einseitig und plump undabhängig davon, dass es nicht wissenschaftlich erarbeitet ist.
Es gibt unglaublich viele Probleme und natürlich ist der Wohlstand eines davon.
Den großen Ansturm von Flüchtlingen hätte auch jedes andere Land überfordert. Deutschland ist überfordert, aber es hat sich mehr oder weniger bewusst darauf eingelassen. Welche anderen Länder machen das?
Würden Sie ihre Türe einer Gruppe von Kindern öffnen, die einen Schlafplatz suchen? Für eine längere Zeit? Gehen sie in ein Flüchlingslager und verbringen dort Zeit mit den Menschen?
Warum immer alles abwälzen auf die Politik, wenn das Volk selber zeichen setzten könnte.
Ihre herausfordernde Frage ist gut, aber hypothetisch!
Die weiteren Äußerungen sind nicht ermutigend und herausfordernd sondern schüren Kummer und Sorge darum seinen Platz strittig zu sehen.
Wir haben nicht das Recht alle Verantwortung der Politik zu überlassen, wenn wir davon reden, dass es unser Land ist.
Wer von uns wäre nicht überfordert und erschlagen von so viel Leid!
Wer von uns wäre nicht ohnmächtig vor den unglaublich schweren Fragen die einbrechen?
Es ist keine Entschuldigung dafür, dass die Politik überlegen muss.
Aber ich sehe, dass sie es verzweifelt und erschlagen doch auch tun!
Was tun sie?
Hallo Mike,
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Ihre Quelle ist aber sehr dürftig. Der Ausschluss der Betroffenen erfolgte offensichtlich im Einklang mit dem geltenden Recht. Und nur weil Sie und Herr Bade anderer Ansicht sind stellt dies noch lange keinen “Ausschluss ” ganzer Personengruppen dar. Nicht jeder der von sich sagt er sei Asylberechtigt ist dies auch tatsächlich.
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Sie ignorieren den Kontext meiner Aussage. Der Kontext war folgender: Ein User lehnte eine Grenzöffnung für Flüchtlinge ab, weil zu viele Wirtschaftsflüchtlinge das Asylrecht durch Identitätsverschleierung und Vorspiegelung anderer falscher Tatsachen missbrauchen würden.
Was der User auch nicht erwähnte ist, dass aus abgelehnten Asylanträgen automatisch ein Asylmissbrauch folgen würde. Denn die deutsche Ablehnungspraxis lehnte auch reihenweise Asylbewerber ab, die Bürgerkriegsflüchtlinge waren und nicht unter die Kategorie von Wirtschaftsflüchtlingen fällt. Denn das Asylverfahren untersuchte nicht, ob ein Flüchtling verfolgt oder an Leib, Leben oder Freiheit bedroht wurde, sondern ausschließlich, ob es eine aus Sicht des Herkunftsstaates politisch motivierte, individuelle Verfolgung gab.
Dafür gab ich Quellen an. Es handelt sich hierbei nicht um private Ansichten von Prof. Klaus Bade oder von mir, sondern um einen Sachverhalt.
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Nicht jeder der von sich sagt er sei Asylberechtigt ist dies auch tatsächlich.
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Eine solche Behauptung habe ich zu keinem Zeitpunkt aufgestellt, noch vertrete ich diesen Standpunkt.
Beste Grüße
sp
Hall SP,
Ein abgelehnter Asylantrag stellt für mich keinen Asylmissbrauch dar. Bei einem offensichtlich unbegründeten Ablehnungsbescheid sieht das anders aus.
Und bei einem Asylantrag wird IMMER neben dem Asylgrund, auch die Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungshindernisse geprüft. das Verfahren ist mehrstufig. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, wenn Migazin mal einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge anonymisiert abdrucken würde. Dann würde es deutlich klarer.
Und ein abgelehnter Asylantrag (also auch die abgelehnte Flüchtlingseigenschaft) bei einem Bürgerkriegsflüchtling … ob das tatsächlich nachweisbar und vor Allem reihenweise so passiert wage ich zu bezweifeln.
Ich könnte mir vorstellen, dass da unterschiedliche Definitionen von Bürgerkrieg vorliegen. Viele aus dem ehem. Jugoslawien einreisende bezeichnen sich auch als Bürgerkriegsflüchtling, obwohl de facto der Krieg nicht mehr besteht.
@Sanjay Patell Meines Wissens sind die meisten Asylbewerber keine Kriegsflüchtlinge, auch nicht politisch Verfolgte, dennoch bleiben Sie. Das legt auch ihre Herkunft nahe. Mit anderen Worten: Wie können Sie den Behörden hartes Vorgehen vorwerfen, wenn es den Anschein hat, dass geltendes Recht nicht umgesetzt wird?
Bei einem ertrinkenden Hund sähe die Ausgangslage schon wieder anders aus..
Hallo Matthias,
ich bezog mich auf folgende Aussage von Ihnen:
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Hier bestimmt in vielen Fällen nicht der Staat, ob sie bleiben, sondern vielfach die Personen selbst, etwa durch Identitäsverschleierung. Diese Asylanträge Werden i.d.R. Als offensichtlich unbegründete Asylanträge abgelehnt.
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Weshalb offensichtlich unbegründet?
Gruß
sp
S P: es gab zu Zeiten des AuslG 1990 das sog. „Große Asyl“ und daneben als weiteren Schutzstatus das „kleine Asyl“. Mittlerweile wird im Asylverfahren 4stufig geprüft: Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Fluechtlingseigenschaft, subsidiaerer Schutz und zu guter Letzt Abschiebungsverbote.