Überfordert
Krise in Griechenland trifft Flüchtlinge
Die Wirtschaftskrise in Griechenland trifft vor allem die Flüchtlinge im Land. Es fehlen sauberes Wasser, Medikamente und Unterkunft. Die UN, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl appellieren an die EU, endlich zu handeln.
Dienstag, 14.07.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.07.2015, 20:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im krisengeschüttelten Griechenland verschärft sich die Lage für Flüchtlinge. Rund 78.000 Männer, Frauen und Kinder hätten seit Januar das Land erreicht, sagte die Sprecherin des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Laura Padoan, auf der Insel Lesbos. Damit seien in der ersten Jahreshälfte in Griechenland mehr als sechs mal so viele Menschen angekommen wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das von der Staatspleite bedrohte Land könne die steigende Zahl von Migranten nicht mehr bewältigen. Amnesty International berichtete von großer Solidarität der Griechen mit den notleidenden Flüchtlingen.
Padoan zufolge kommen täglich rund 600 Bootsflüchtlinge auf den griechischen Inseln an, die Hälfte von ihnen auf Lesbos. Nach der Ankunft auf Lesbos müssten sie rund drei Tage zu Fuß in sengender Hitze zu einem Registrierungs-Zentrum in Moria gehen, sagte die UNHCR-Mitarbeiterin. Laut griechischem Recht sei der Transport von nichtregistrierten Flüchtlingen verboten. In einem Camp auf Lesbos warteten derzeit rund 5.000 Flüchtlinge auf Papiere, damit sie auf das griechische Festland und in andere EU-Länder weiterreisen können.
Ärzte: Krise trifft Flüchtlinge
In dem überfüllten Lager herrsche akuter Mangel an Medikamenten und sanitären Einrichtungen, berichtete die UNHCR-Sprecherin. Viele Flüchtlinge seien krank und benötigten Hilfe. „Es treten auch Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser auf“, fügte Padoan hinzu. Auch die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ warnt vor einer Verschärfung der Lage für die Flüchtlinge. „Wenn sich die Situation für die griechische Bevölkerung selbst weiter verschlechtert, wird das die Flüchtlinge mit am härtesten treffen“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Florian Westphal.
Er appellierte an die EU, Griechenland umgehend zu unterstützen. „Es ist eine europäische Aufgabe, diesen Menschen einen Empfang zu bieten, der die Grundlagen der Versorgung sicherstellt.“ Die Lage für Flüchtlinge in Griechenland sei seit längerem sehr schwierig, erklärte Westphal. Da in diesem Jahr deutlich mehr Flüchtlinge, über Griechenland in die EU kommen, habe sich die Situation aber deutlich verschärft. Griechenland sei das europäische Mittelmeerland, in dem 2015 bislang die meisten Bootsflüchtlinge registriert worden seien.
Amnesty: Unerträgliche Bedingungen
Trotz eigener Geldprobleme versuchten viele Griechen den Flüchtlingen zu helfen. „Gerade auf den Inseln in der Ägäis ist die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung enorm“, berichtete Lia Gogou, Griechenland-Expertin von Amnesty International. „Die Inselbewohner kaufen Medikamente und andere Hilfsgüter. Sie tun das, was die Behörden nicht schaffen.“ Auch viele Touristen versuchten, den Flüchtlingen zu Hilfe zu kommen, sagte Gogou.
Nach Angaben von Amnesty kam der größte Teil der Menschen in Booten über das Ägäische Meer, weil die Landgrenze zur Türkei weitgehend abgeriegelt ist. Allerdings gibt es auf den ägäischen Inseln nur zwei Erstaufnahme-Einrichtungen, die hoffnungslos überfüllt sind. Ein Teil der Menschen ist daher in Haftzentren untergebracht, in denen laut einer Amnesty-Studie unerträgliche Bedingungen herrschen: „Überfließende Toiletten, schmutzige Matratzen, zu wenig Betten, Stromausfälle“. Es sei zu befürchten, dass die Probleme noch weiter zunähmen, sagte Gogou.
Pro Asyl: Eine Katastrophe
Auch Pro Asyl fordert eindringlich Hilfen für Flüchtlinge in Griechenland. „Hier zeichnet sich eine Katastrophe ab“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Für viele Flüchtlinge zum Beispiel auf den Inseln Kos und Lesbos gehe es ums nackte Überleben. Burkhardt forderte unter anderem, dass ein europäisches Hilfsprogramm aufgelegt wird und auch deutsche Katastrophenhilfeorganisationen eingreifen, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen und ihr Überleben zu sichern. Darüber hinaus müsse den Flüchtlingen die Ausreise ermöglicht werden. Die Aufnahme von bis zu 80.000 Menschen in Griechenland sei derzeit unmöglich. Es sei unerträglich zu hören, wie sich „Europa eine abstrakte Debatte um Quoten leistet, aber de facto seit Wochen und Monaten nichts tut“.
Die EU-Kommission hatte im Mai unter anderem vorgeschlagen, 40.000 Menschen von Italien und Griechenland aus innerhalb Europas zu verteilen. Allerdings streiten die Mitgliedsstaaten über Aufnahmequoten, was eine Umsetzung dieser Pläne bislang blockiert. (epd/mig) Ausland Leitartikel
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