Fremdenfeindlichkeit
Flüchtlingsunterkünfte immer häufiger in Flammen
Die Zahl von Brandstiftungen auf Flüchtlingsunterkünfte steigt dramatisch. Allein im ersten Halbjahr 2015 gab es 150 Übergriffe auf Flüchtlingsheime. Die Politik zeigt sich schockiert, mehr als Appelle gibt es bisher aber nicht.
Dienstag, 21.07.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.07.2015, 13:26 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Vorra und Reichertshofen in Bayern, Meißen in Sachsen, Limburgerhof in Rheinland-Pfalz oder die Hansestadt Lübeck – die Liste der Orte, in denen fremdenfeindliche Brandstifter Anschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte verübt haben, wird immer länger. Am Wochenende brannte eine leerstehende Unterkunft in Remchingen bei Karlsruhe aus. Die Polizei vermutet Brandstiftung und schließt fremdenfeindliche Motive der Täter nicht aus.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh verurteilten den mutmaßlichen Brandanschlag. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte auf Facebook: „Jeder Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft, ein Angriff auf uns alle. Es reicht!“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rief erneut dazu auf, „klare Kante“ gegen solche Angriffe zu zeigen.
150 Angriffe auf Asylunterkünfte
Gebäude, in denen Asylbewerber untergebracht sind oder noch einziehen sollten, wurden in den vergangenen Monaten immer wieder Ziel fremdenfeindlicher Angriffe. Im ersten Halbjahr 2015 wurden laut Bundesinnenministerium bundesweit rund 150 solcher Straftaten gezählt. Bundespräsident Joachim Gauck nannte die Attacken vor wenigen Tagen „widerwärtig“ und „unerträglich“. Innenminister de Maizière sagte Frankfurter Allgemeinen Zeitung, gegen solche Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte „müssen wir klare Kante zeigen“.
Deutschland werde für längere Zeit eine steigende Zahl von Flüchtlingen aus Krisenländern aufnehmen müssen. „Solange die großen Krisen in Syrien und Irak anhalten, werden wir wohl noch etliche Jahre mit hohen Flüchtlingszahlen aus Krisengebieten rechnen müssen“, sagte de Maizière. An der Unterbringung der Flüchtlinge aus Krisenregionen müssten sich alle beteiligen. „Keiner soll sagen können: Bei mir aber nicht“, unterstrich de Maizière. „Als reiches Land sind wir da im Vergleich überhaupt nicht überfordert, wohl aber herausgefordert.“
Immer wieder Anschläge
Am Wochenende wurden Flüchtlingsunterkünfte in Baden-Württemberg und Bayern offenbar Ziel von Brandstiftern. In Remchingen bei Karlsruhe brannte nach Polizeiangaben in der Nacht zum Samstag eine geplante Unterkunft für Asylbewerber aus. Da das Gebäude noch leer stand, wurde den Angaben zufolge niemand verletzt. Den Sachschaden bezifferte die Polizei auf rund 70.000 Euro.
Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) sprach von einem niederträchtigen Brandanschlag. „Wir werden alles daran setzen, den Anschlag auf das geplante Flüchtlingsheim in Remchingen aufzuklären. Bei uns ist kein Platz für Hass und Ausgrenzung“ erklärte er einem SWR-Bericht zufolge.
Polizei: fremdendlicher Hintergrund möglich
Auch der badische Landesbischof Cornelius-Bundschuh zeigte sich „zutiefst erschüttert“ über den mutmaßlichen Brandanschlag. Alle gesellschaftlichen Kräfte seien gefordert, ein Klima der Offenheit und der Begegnung aufrechtzuerhalten. Es sei wichtig, Zeichen zu setzen, „damit Flüchtlinge, die nach leidvollen Erfahrungen und Verlusten hier ankommen, sich willkommen fühlen“, sagte der evangelische Theologe.
Am frühen Samstagmorgen brannte es auch in einer Flüchtlingsunterkunft in Waldaschaff bei Aschaffenburg. Von den 30 Bewohnern wurde bei dem Feuer niemand verletzt. Den Angaben zufolge hatte ein in der Garage abgestellter Papiercontainer Feuer gefangen. An beiden Orten wird der Polizei zufolge noch nach den Ursachen des Brandes gesucht. Einen fremdenfeindlichen Hintergrund schließt die Polizei nicht aus.
Brandanschläge auch in Bayern und Sachsen
In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Brandanschläge auf geplante Asylbewerberunterkünfte. Erst in der Nacht zum Donnerstag hatten unbekannte Täter im oberbayerischen Reichertshofen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Brand gesteckt. Dabei wurde niemand verletzt. In den vergangenen Wochen hatte es dort Bürgerproteste gegen die geplante Einrichtung in einem ehemaligen Gasthof gegeben.
Im sächsischen Meißen und im rheinland-pfälzischen Limburgerhof hatte es ebenfalls in unbewohnten Unterkünften gebrannt. Im Dezember 2014 war im fränkischen Vorra bei Nürnberg eine geplante Flüchtlingsunterkunft abgebrannt. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel
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