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Tobias Busch, Immigrierte Chefs, Kolumne, MiGAZIN
MiGAZIN Kolumnist Tobias Busch - schreibt über Auswirkungen von Migrationsbewegungen © privat, bearb. MiG

Immigrierte Chefs

Der hässliche Deutsche und die menschenfreundlichen Südländer

Wirtschaftskrise, Eurokrise, Grexit. Egal, wie man es bezeichnet, die Krise hat zwei Gesichter: Das Bild vom hässlichen prinzipienreitenden Deutschen und den menschenfreundlichen Südländern. Von Tobias Busch

Von Mittwoch, 29.07.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.07.2015, 17:10 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Die deutsche Frage ist zurück“ liest man in Blättern wie der New York Times oder der Financial Times! Etwas erschreckend, wie schnell und bereitwillig im Jahr 2015 nationale Vorurteile und Zuschreibungen auf allen Kanälen Konjunktur haben. In den sozialen Medien und in der Boulevardpresse ohnehin. Aber ebenso, wie die verlotterten Griechen nicht nur von der Bildzeitung erfunden wurden, so ziehen jetzt auch die Deutschland Stereotypen durch alle Medien unabhängig von Niveau und Machart.

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Eigentlich schon eigenartig zu einer Zeit, in der sich die europäischen Länder in einem historischen Ausmaß durch Migration vermischen. Sicher kann man nachvollziehen, dass manche im deutschen Bestehen auf Einhaltung von Fiskaldisziplin und bestehenden Vereinbarungen ein Überlegenheitsgefühl erspüren und allein schon das Gerede von „nicht gemachten Hausaufgaben“ hat natürlich etwas schrecklich Schulmeisterliches. Trotzdem fragt man sich, mit welcher Politik die deutsche Regierung diese Vorwürfe eigentlich hätte verhindern können. Im Grunde hat sie nichts anderes vertreten, als die große Mehrheit der Europäer für richtig hält. Und sich nun an einzelnen Stilfragen oder Formulierungen hochzuziehen, scheint mir die Dinge etwas umzudrehen: es war vor allem die neue griechische Regierung, die die Nerven ihrer Partner mit uneinlösbaren Wahlversprechen, Unverschämtheiten und irrationalen Kehrtwendungen strapaziert hat.

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Man könnte in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, ob wohl die eingewanderten Deutschen ebenso so hässlich sind wie die „Ur“-Deutschen? Oder ob vielleicht Hoffnung auf mehr Schönheit in der Zukunft besteht, wenn doch jedes zweite Neugeborene in Deutschland einen Immigrationshintergrund hat?

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Den Wettbewerbsdruck der globalisierten Wirtschaft jedenfalls können keine Rhetorik und keine wohlmeinenden Politiker oder „Experten“ von Griechenland nehmen. Eine griechische Regierung kann nicht die Regeln der Weltwirtschaft aus den Angeln zu heben. Das war von Anfang an klar und gilt unabhängig davon, ob man diese Regeln schätzt oder nicht.

Es ist wirklich verblüffend, dass die neuen Machthaber in Athen, insbesondere der Ministerpräsident als ihr Anführer, so populär sind wie nie zuvor, obwohl sie von all ihren Versprechen und Ankündigungen überhaupt nichts umsetzen konnten. Vielleicht gibt es ein etwas gestärktes Selbstwertgefühl im Land und das wäre dann tatsächlich ein Erfolg. Rechnerisch und sachlich aber hätte das Ergebnis von sechs Monaten Regierungsarbeit aus griechischer Sicht schlechter nicht sein können. Die Regierung hat einen Fehler nach dem nächsten gemacht, vieles auch inzwischen als Fehleinschätzung eingestanden. Sie hat alle zarten Pflänzchen der wirtschaftlichen Verbesserung vollständig zertreten und damit auch die Chancen auf eine wirklich veränderte Politik von vornherein vertan, weil sie die Situation sowie die Überzeugungen und die politischen Zwänge ihrer europäischen Partner völlig falsch eingeschätzt hat. Vielleicht hätte mit einem innovativen Konzept, das die Situation in den Partnerländern und deren politischen Spielräume angemessen hätte berücksichtigen müssen, ein teilweiser Politikwechsel gelingen können. Mit Arbeitszeitverlängerungen statt Entlassungen und Lohnkürzungen zum Beispiel, mit der Bitte um kostengünstige Unterstützung bei der Beseitigung der staatlichen Organisationdefizite unter griechischer Führung, mit der Streckung von Kreditlinien statt dem ständig propagierten Schuldenschnitt. Stattdessen gab es nur Interviews und Vorträge eines philosophierenden Finanzministers, aus denen nie hervorging, wie es denn nun eigentlich gehen sollte. Trotz allem: Das Volk bejubelt seinen jungen Ministerpräsidenten.

Vielleicht hat es ja recht, das Volk und Herr Tsipras wird noch zu einer großen historischen Figur. Bisher sieht es nicht so aus, als habe er die Krise als Chance erkannt, die vielfältigen Missstände im Land mit Macht anzugehen. Aber manchmal braucht es einen zweiten Anlauf und vielleicht gelingt es ihm noch, dem geschenkten Vertrauen gerecht zu werden. Ein hoffnungsvolles Vorbild könnte er in Indien finden, wo 1991/1992 der seinerzeitige Premierminister Rao und sein Finanzminister Manmohan Singh (der spätere Premierminister) die drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes und die Forderungen des IWF dazu genutzt haben, gegen vielfältigste Widerstände fast handstreichartig das Land zu modernisieren und von einem Teil der erdrückenden Bürokratie und des völlig ausgeuferten Staatssektors zu befreien.

Jedenfalls sollten die Europäer aufhören, sich an der Griechenlandfrage zu entzweien. Das Bild vom hässlichen prinzipienreitenden Deutschen, der die Schwachen demütigt und den menschenfreundlichen Südländern, die auch mal fünfe gerade sein lassen, hält einer sachlichen Überprüfung ohnehin nicht stand. Jedes Land verfolgt seine eigenen Interessen mehr oder weniger hart, da sind die Deutschen keine Ausnahme. Die Alternativen zu den Vorschlägen der Gläubiger hätten von den Griechen kommen müssen und sie sind nicht gekommen: politische Vorträge und weltanschauliche Diskussionen können das Problem nicht lösen. Austerität hin oder her wären zusätzliche Gelder für Griechenland in Europa einfach nicht mehrheitsfähig ohne einen wenigstens halbwegs plausiblen Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt. Also blieben nur die Ideen der Geldgeber als Verhandlungsbasis – und was die für den richtigen Weg halten, war ja bekannt! Aktuell Meinung

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  1. Peter Arun Pfaff sagt:

    Hallo,
    Manmohan Singh, der der 14. Primer Minister Indiens war, ist seit dem 27.5.2014 nicht mehr im Amt. Ob seine Politik als gutes Beispiel für Griechenland dienen kann ist aber eine andere Frage.
    Es handelt sich bei dem im Artikel verwendeten Vergleich meiner Ansicht nach um die sprichwörtlichen Äpfel und Birnen.
    Schade, die Frage die sich Hr. Busch stellt könnte ein guter Ausgangspunk um die Verwerfungen der deutschen und europäischen Identitätspolitiken zu erörtern.
    Vielleicht beim nächsten mal.

    (Quelle: http://pmindia.gov.in/en/former_pm/dr-manmohan-singh-2/)

  2. Alexei sagt:

    Respekt.Einen so neutral gestalteten Bericht in diesem Medium hab ich glaube ich noch nie gelesen.
    Der Schuldenschnitt wird langfristig natürlich kommen MÜSSEN,nur darf man das die Griechen jetzt nicht spüren lassen.Würde man den Schuldenschnitt jetzt durchführen hätte man keinerlei Druckmittel mehr und die Griechen würden ohne Reformen zu implementieren gleich morgen neue Schulden machen.Erst nach der Implementierung der Reformen, kann der Schuldenschnitt kommen was der Griechischen Wirtschaft erlauben wird sich selbst zu tragen.

  3. Arnoh sagt:

    Standpunkte – Eine Replik auf die hässlichen Deutschen und die menschenfreundlichen Südländer

    Ein Kommentar auf den kürzlich von Tobias Busch veröffentlichten Artikel lobt die Neutralität des Artikels. – Sorry, aber so etwas wie Neutralität gibt es einfach nicht. Wenn mensch sich das erst mal vergegenwärtigt, dann fällt es auch prinzipiell leichter Positionen auszumachen und zu verstehen aus welcher Perspektive eine Aussage getroffen wird. In diesem Fall fehlt vordergründig ein Bewusstsein für die Trennlinie zwischen „oben“ und „unten“, dem üblicherweise unsichtbar gemachten Interessengegensatz. Ob dies aus taktischen Erwägungen geschieht oder schlicht auf Naivität oder gar Ignoranz zurückzuführen ist, sei dahingestellt.

    Der Artikel entspricht nicht der gängigeen Anti-Griechen-Hetze, lässt aber eben auch komplett außen vor, dass es eine unheilvolle Allianz aus griechischen Staatseliten, Milliardären und Banken und der internationalen „Investorengemeinde“ gab/gibt, die Nutznießer des politisch allseits geförderten Systems waren. Was wir in Griechenland erleben sind die Folgen des Handelns dieser Neo-Feudalen Kasten. Die Folgen ihres Handelns wurden mit der Finanzkrise sichtbar. Die griechischen „Normalbürger“ sind dabei (ebenso wie die deutschen) diejenigen, die die Zeche der Krise zu bezahlen haben. Realistisch betrachtet ware sie aber weder Nutznießern des ganzen finanzkapitalistischen Zirkus noch hatten sie jemals darüber zu befinden. Sie müssen nun mit ihrem Lebensunterhalt für Interessen, Entscheidungen und Schulden büßen, die nie die ihren waren.

    Genau darüber empören sich die Menschen. Deswegen haben sie eine Regierung gewählt, die diese Logik anzweifeln sollte. Dieser Versuch wurde, nicht zuletzt durch eine starke mediale Unterstützung, im Keim erstickt. Von dieser „Illusion“ durfte nichts am Leben bleiben. So gesehen stellt sich schon die Frage welche Regierungen einen Volkswillen vertreten und welche die Interessen des nationalen Finanzkapitals. Eine andere Illusion, nämlich die, dass „wir“ Zugriff auf die eigentlichen Nutznießer dieses Systems haben könnten, haben wir schon längst verworfen. Mehr noch: Wir tun so, als gäbe es diesen Kreis an Menschen nicht. Wir tun so, als gäbe es zu den neoliberalen Auswucherungen der letzten Jahrzente keine Alternative. Dass wir uns momentan inmitten eines Neo-Feudalen Systems befinden bekommen wir gar nicht (mehr) mit. Jegliche Kritik an den bestehenden wirtschaftlichen oder gar politischen Verhältnissen wird als Gutmenschentum, Spinnerei oder gar Extremismus abgeschmettert. Wieso aber sollte es verboten sein weiter zu denken? Was ist daran verwerflich alternative Utopien zu entwerfen?

    Den 0,1 Prozent der reichsten deutschen Haushalte gehören 14 bis 16 Prozent des Gesamtvermögens. Der Anteil des reichsten Prozents der Deutschen liegt bei ein Drittel des Gesamtvermögens. Die reichsten zehn Prozent der deutschen Haushalte vereinigen sogar 63 bis 74 Prozent des Gesamtvermögens. Tendenz steigend! Das Schweigen darüber spricht auch Bände…

    Es kommt ja nicht von ungefähr, dass auf eine solche griechische Regierung mit voller Härte eingedroschen wird. Nicht weil sie sich „strategisch unklug“ verhalten hat, sondern weil sie ideologisch gefährlich sind. Sie dürfen auf keinen Fall als Vorbild dienen,. Sie dürfen nicht den kleinsten Erfolg vorzuzeigen haben. Andernfalls könnte die Trennlinie zwischen oben und unten ins Visier geraten. Das muss mit aller Macht verhindert werden.

    Zur Legitimation und ideologischen Verschleierung von genau derlei wird dann eine Kollektividentität in Stellung gebracht. Von „faulen Griechen“ und den „fleißigen Deutschen“ ist dann die Rede. Wir täten gut daran uns nicht von solchen vorgegebenen Lesarten gegeneinander aufwiegeln zu lassen und mehr Solidarität und Empathie untereinander walten zu lassen. Die eigentlichen Akteure sind zumeist andere…

  4. "Millionär" sagt:

    „Den 0,1 Prozent der reichsten deutschen Haushalte gehören 14 bis 16 Prozent des Gesamtvermögens. Der Anteil des reichsten Prozents der Deutschen liegt bei ein Drittel des Gesamtvermögens. Die reichsten zehn Prozent der deutschen Haushalte vereinigen sogar 63 bis 74 Prozent des Gesamtvermögens.“

    Aber wir haben einen Sozialstaat, der 850 Milliarden umfasst. Denn muss der Durchschnittsverdiener bezahlen. Das verhindert die Vermögensbildung bei biodeutschen Normalbürger und führt dazu, dass die soziale Pyramide immer schlimmer wird. Selber schuld!