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Koloniale Kontinuitäten

Kulturgüter in europäischen Museen

Koloniale Kontinuitäten zeigen sich nicht nur in Denkweisen und Weltbildern, sondern auch im deutschen Alltag. Die Initiative No Humboldt21! kritisiert, dass noch immer Kulturgüter in europäischen Museen ausgestellt werden, die aus einem kolonialen Unrechtskontext stammten.

Von Delia Friess Freitag, 07.08.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 05.09.2015, 10:32 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Da sei zum Beispiel das Tangué aus dem Kamerun, das sich im Münchner Völkerkundemuseum befindet, berichtet Christian Kopp, Fachreferent für Dekolonisierung im Berliner Promotorenprogramm bei Berlin Postkolonial. Die Königsinsignie, eine hölzerne Bugverzierung, sei um 1884/85 nach Deutschland gebracht worden, nachdem deutsche Soldaten eine Stadt im Kamerun niedergebrannt und geplündert hätten. Der beteiligte deutsche Konsul und spätere Direktor des Münchner Völkerkundemuseums, Max Buchner, bezeichnet das Tangué in seinen Memoiren als seine „Hauptbeute“. Es gehörte Kum’a Mbape, dessen Enkel Kum’a Ndumbe es zurückfordert, und für dessen Nachfahren es ein Medium zwischen dem Diesseits und Jenseits darstelle, das nur einmal im Jahr zum Wasserfest der Öffentlichkeit gezeigt werde. Im Münchner Völkerkundemuseum wird es nun das ganze Jahr über ausgestellt.

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Ein weiteres Beispiel sei der Thron Bamoun-Sultans Ibrahim Njoya aus Foumban in Kamerun, der im Ethnologischen Museum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin zu sehen ist. Laut der Beschreibung des Ethnologischen Museums handelt es sich um eine Schenkung, die im Kamerun üblich gewesen sei, um diplomatische Beziehungen zu festigen. Der Verein No Humboldt21 bezweifelt das. Der Sultan habe eine Kopie anfertigen lassen und musste das Original verschenken. Um ihm die neuen Machtverhältnisse nochmals deutlich zu machen, sei ihm ein lebensgroßes Porträt des Kaisers Wilhelm II. geschenkt worden, kritisiert NoHumboldt21 die Umstände der „Schenkung“.

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„Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wolle einzelne Fälle von Kulturraub im Kontext des Kolonialismus prüfen. Diese Aussage impliziert aber, dass ein Großteil der Gegenstände unter fairen Bedingungen erworben sei. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass Völker ihre Masken, Gottesfiguren oder Kunstschätze freiwillig verschenkten oder billig verkauften“, sagt Kopp. Im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind auch etwa 500 wertvolle Bronzestatuen, die aus Benin, Hauptstadt des Edo-Königreiches, dem heutigen Nigeria stammen. Während der Zerstörung von Benin durch britische Soldaten seien sie unter fragwürdigen Umständen nach Großbritannien gekommen. „Obwohl sich der Großteil der Statuen in Großbritannien befindet, sind immer noch mehr Bronzestatuen aus Nigeria im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin als in Nigeria selbst“, berichtet Kopp. „Etwa 10 dieser Statuen werden ausgestellt, der Rest wird im Keller gelagert“, meint der Historiker.

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„Es handelt sich nicht um Kulturgüter, die im Austausch mit anderen Ländern oder Museen in Deutschland ausgestellt werden, sondern um Gegenstände, die direkt während des Kolonialismus geklaut wurden, oder unter problematischen Bedingungen nach Europa kamen, das heißt durch Gewaltanwendungen oder Drohungen erpresst wurden oder durch den Bruch mit sogenannten Verträgen oder andere Betrügereien erbeutet wurden“, sagt Tahir Della, Vorsitzender des Vereins Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Und: „Die Gegenstände sind nicht nur wertvoll, sondern nicht selten in einem religiösen Kontext von Bedeutung oder stellen Gottesfiguren in den jeweiligen Kulturen dar.“

Laut Senat habe das Ethnologische Museum die Herkunft der rund 500.000 Gegenstände seiner Sammlung noch immer noch nicht systematisch und detailliert erforscht. „Das Ethnologische Museum bemüht sich nach eigenen Bekundungen zwar darum, die Provenienzforschung voranzubringen und mit dem kolonial-rassistischen Blick zu brechen, aber uns ist das nicht genug“, äußert Della.

Im Falle der Bronzestatuen aus Nigeria erklärte der Senat, dass es für die Rückgabe dieser Sammlung keine völkerrechtliche Grundlage gebe. Tatsächlich greift das Internationale Völkerrecht nur bei Kulturgütern, die nach 1954 bzw. 1970 gestohlen wurden. Es existieren zwei internationale Vorgaben: Die Haagener Konvention zum Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten (1954) und die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (1970). Der Internationale Museumsrat veröffentlichte 1986 einen Leitfaden für ethische Richtlinien „Code of Professional Ethics“ (ICON). Darin steht: „Wenn ein Herkunftsland oder -volk die Rückgabe eines Objektes oder Gegenstandes erbittet, von dem belegbar ist, dass es/er […] auf anderem Wege übereignet wurde und es/er zum kulturellen oder natürlichen Erbe dieses Landes oder Volkes gehört, sollte das betroffene Museum umgehend verantwortungsvolle Schritte einleiten, um bei der Rückgabe zu kooperieren, sofern es rechtlich dazu befugt ist.“

Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland kritisiert, dass sich Museen noch immer hinter rechtlichen Konzepten versteckten: „Zwar gibt es Anfragen von den Linken und den Grünen an die Bundesregierung, aber es wird immer darauf verwiesen, dass überhaupt nicht klar sei, wer überhaupt ein Recht auf Rückforderung hat. Ganz dubios wird dann auf Zeit gesetzt, dass die Dinge eben im Sande verlaufen. Das ist eine ganz generelle politische Linie. Nur langsam wird erkannt, dass man auch selber eine Verantwortung benehmen muss. Die Einrichtungen müssen sich selbst auf den Weg machen, selbst Verantwortung zeigen und fragen „Gibt es Gegenstände, die in einem Unrechtskontext erworben wurden, gibt es die Möglichkeit Dinge zurückzugeben oder Gegenstände in den Ländern selber auszustellen?“

In Fällen für vor 1954 unrechtmäßig eingeführte oder erworbene Kulturgüter, treten an die Stelle internationaler Gesetze, diplomatische Beziehungen. Diese sollen durch ein Kontrollgremium der UNESCO geregelt werden. Die Krux: Nur Mitgliedsstaaten der UNESCO können es in Anspruch nehmen. Und: Es besitzt keinerlei rechtlichen Anspruch. Für Privatpersonen, Volksgruppen, Stämme oder Regionen ist es also schwierig den Gegenstand zurückzuerhalten. Staaten forderten ihre Kulturschätze allerdings erst gar nicht zurück, um die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland nicht zu gefährden, meint Christian Kopp. Feuilleton Leitartikel

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  1. TaiFei sagt:

    PS: @Katholikin
    Nur um mal noch ein paar Zahlen zu nennen. Im sogenannten goldenen Zeitalter (17.Jh.) wurden ALLEIN von niederländischen Malern ca. 70.000 Gemälde PRO JAHR hergestellt. Statistisch hatte damals jeder Einwohner Europas 2,5 Bilder. Dieser Ausstoß an Bildern ist NIEMALS wieder in der europ. Geschichte erreicht wurden. Bildersammlungen von über hundert Bildern waren damals selbst beim mittleren Bürgertum keine Seltenheit.

  2. Gegenstimme sagt:

    @Tei Fei Im 17. Jahrhundert wurde in den Niederlanden sehr viel Kunst produziert, gewiss, aber Sie befinden sich hier schon fast am Ende des Feudalzeitalters. In Deutschland und anderswo herrschte damals Krieg, so dass die Kunst dort darniederlag.. Insofern ist Ihr Argument unsinnig. Ohne kirchiiche und höfische Einflüsse hätte sich die niederländische Malerei dieser Zeit nie entwickeln können.

    Die Kirche hat lange schon gesammelt bevor mobile Höfe sesshaft wurden. Sie war halt viel ortgebundener und sie hat davon profitiert, dass Zweit- und Drittgeborene Adelige sich als Mäzene profiliert haben. So sind die Sammlungen der Herzöge von Brugund in alle Winde verstreut eben weil dieses Geschlecht ausgestorben ist. Kirchliche Bestände blieben hingegen besteh.

    Und abgesehen davon hat auch das übrige Europa kräftig Bilder produziert. Die niederländische Bildhauerkunst konnte von den Errungenschaften des 17. Jahrhunderts im Übrigen nicht in dem Maße profitieren wie die anderen Schönen Künste. Logisch, das galt ja auch aus religiösen Gründen als verpönt. Von Ältären, Fresken usw. reden wir gar nicht. Süddeutsche Künstler des 18. Jahrhunderts können mit den Niederländern darum spielend mithalten. Die Schwerpunktsetzung war halt auch eine andere. Die Qualität der Rokokokunst in Bayern und Österreich wurde von der in anderen Ländern nicht erreicht. (Ich behaupte außerdem mal ganz frech, dass die Museen in München und Wien reichhaltiger sind als die in den Niederlanden, schon deshalb weil die Niederlande habsburgisch waren und die bayerischen Herzöge zu den ersten gehörten, die systematisch gesammelt haben)
    Man muss schon differenzieren. Aber dass „die“ „Kirche“ vor 1700 die meiste Kunst produziert har, liegt auf der Hand. Vor 1500 auf jeden Fall.
    Mit der Reaniassancekunst ist es ähnlich, ohne Kirche hätte die nie ihre Ausmaße gewonnen. Rom war da weit vorne dran. Noch nie etwas vom Sacco die Roma gehört?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Vatikanische_Museen

  3. TaiFei sagt:

    @Gegenstimme
    Dennoch ist die Behauptung, dass „60% aller heutigen Bilder“ mal der Kirche gehörten eine maßlose Übertreibung. NUR darum ging es in meinem Posting. Die wichtige Rolle der Kirche für die Kunst, habe ich nie in Frage gestellt.
    Ich weiß gar nicht wo das Problem ist? Ich widerspreche eigentlich nur einer völlig unbewiesenen, maßlosen Übertreibung und alle meinen, ich wäre hier der ANTICHRIST.
    Nochmal MEINE Aussage ganz langsam und auch für Legastheniker verständlich:
    Es ist nicht korrekt, dass 60% ALLER heutigen WELTWEIT vorhanden BILDER mal im BESITZ der Kirche waren und ungerechtfertigt dieser entwendet wurden.

  4. TaiFei sagt:

    @Gegenstimme
    PS Ihr Link zu den vatikanischen Museen geht völlig an meinem Posting vorbei. Die Bilder in den Vatikanischen Museen sind ja immer noch im Kirchenbesitz. Wo wurde denn ja enteignet?

  5. Kunsthistoriker sagt:

    1. 60% aller „Gemälde“ (natürlich nicht weltweit, wobei hier schon zu betonen ist, dass bemalte Leinwand außerhalb Europas eher ungebräuchlich war) in deutschen Kunstsammlungen, soweit sie Renomme und ein gewisses Alter haben, müssten sehr wohl zurück an ihre Besitzer. Nehmen Sie darüber hinaus nur mal die vielen Heiligenstatuen, Altäre und Retabeln, die gehören in Kirchen! Museen wie das Nationalmuseum in München wären um mindestens 50% ärmer.

    2. Es liegt doch eigentlich auf der Hand, dass wir hier über eine Zeit sprechen, in der fast ausschließlich europäische Kunst gesammelt wurde.
    Gesammelt haben v.a. die Kirchen. Sorry, aber die Kirche war nun mal eine kulturelle Supermacht hierzulande, auch in Österreich, Portugal, Spanien, Frankreich und Italien im Übrigen. Fugger, Medici sind bankrott gegangen, die Kirche nicht. Fugger und Medici lebten nicht von Grund und Boden, sondern von einem damals noch sehr volatilen und anfälligen Geldverkehr.

    3. Kaisergräber, Kunstwerke (Cluny!) und Bibliotheken wurden während der Französischen Revolution vernichtet. So sieht es aus. Das würde Entschädigungen rechtfertigen.

    4. Die Behauptung Besitztümer des Adels gehörten nicht der Kirche ist „schräg“. Kirchen waren häufig Adelsgründungen. Umgekehrt waren „Kirchen“ häufig Lehenesherren von Niederadeligen. Kirche und Adel sind halt in vielen Bereichen eine Einheit im Feudalzeitalter. Die „Kirche“ ist nicht nur eine „Institution“ im Mittelalter, sondern eine an Hierarchien und Ordnungsvorstellungen gebundene Lebensform.

    5. Die Reconquista wäre ohne Kirchengelder wohl kaum möglich gewesen, schließlich waren Kirchen die Rücklage für Herrscher. Kirchen gehörten dem Adel. Sie hatten Kontingente und Gelder zu stellen. Dafür wurden sie beschützt und gefördert. Aber das weiß natürlich jemand nicht, der keine Ahnung hat.

    6. Die Renaissancekunst wurde zur Hälfte von der Kirche finanziert. Ein Blick nach Rom genügt. Wer das nicht sieht, ist blind. Für wen haben denn die führenden Künstler gewirkt?

    7. Familien wie Medici und Fugger finanzierten auch kirchliche Kunst. Aber das geht ja ihrer Meinung nach nicht, weil es nicht sein darf. Das passt nicht in ihre vorgefertigte Meinung. Außerdem befinden wir uns da schon in der Neuzeit.

    8. Vergessen Sie, dass die muslimische usw. Welt erst sehr viel später „gesammelt“ hat. Die meisten Samurai-Rüstungen und Obelisken befinden sich nun mal – raten sie mal – in Europa. Bei den Obelisken kann man sogar sagen, dass sie sich mehrheitlich in kirchlicher Hand befanden, denn Rom war ja bekanntlich in Besitz des Kirchenstaats. Mit chinesischer Kunst ist es im Übrigen auch nicht viel anders.

  6. Jochen sagt:

    Es liegt in der Natur der Kunst, dass sie „geklauft“ wird. Dass die Kirchen die größten Leidtragenden waren, ist unübersehbar, da sie vielerorts die größten Grundbesitzer waren (1. Stand) und somit auch das meiste Geld hatten. Sie wurden daher auch gerne bestohlen. Ich verstehe Ihr Problem nicht Tei Fei. Natürlich sind die Aussagen der Kommentaoren stark plakativ, aber in der Sache gibt es nichts daran zu rütteln. Nehmen Sie nur mal die Handschriften aus der Bilbiothèque Nationale in Paris. Der Großteil stammt eindeitig aus kirchlicher Hand (sofern er von aufgeklärten Dummköpfen nicht vernichtet wurde). Wer hätte sich über Jahrhunderte hinweg für lateinische

  7. TaiFei sagt:

    @ Kunsthistoriker 13. August 2015 um 11:00
    1. Im Originalpost stand 60% aller BILDER, nicht Gemälde, sprich ALLE BILDLICHEN DARSTELLUNGEN. Davon waren aber nie 60% allein mal im Kirchenbesitz, NUR DARUM ging es in meiner Kritik.
    2. Habe ich auch nie bestritten. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, das Kunst, Kultur und Wissenschaft erst wieder mit Aufschwung des Bürgertums eine neue Blüte erlebt haben. Die 1000 europ. Mittelalter stellen einen zivilisatorischen Rückschritt dar.
    3. Hab ich doch gesagt, die franz. und auch die russ. Revolutionen waren die einzigen massiven Enteignungen der Kirche. Allerdings gab es auch schon davor einige Bilderstürme.
    4. Eben, die dann über Scheckung, Stiftungen oder Lehen (wobei das eigentlich kein Besitzwechsel darstellt) in das Eigentum anderer überging.
    5. Von der Reconquista hab ich nicht gesprochen, sondern von der Conquista. Ja auch hier hatte die Kirche einige Gelder investiert. In der Hauptsache waren dies jedoch privatwirtschaftliche Investitionen. Ich habe auch nicht behauptet, dass Kirche und Adel nicht verquickt waren. Aber Besitz der Kirche ist Besitz der Kirche und nicht der von adligen Familien. Warum wohl besitzt die katholische Kirche eine eigene Bank?
    6. Das ist richtig und diese Werke, gerade in Rom, sind ja auch noch im Besitz der Kirche. Das Originalposting sagte aber „60% ALLER Bilder von Kirche enteignet oder gestohlen“.
    7. Habe ich NIERGENDS behauptet! Nochmal meine Kritik ging um die Aussage: „60% ALLER Bilder von Kirche enteignet oder gestohlen“
    8. Samurai-Rüstungen sind keine Bilder. Immerhin enthalten Obelisken ja bildliche Darstellungen. Was den Besitz angeht, so sollten auch SIE wissen, dass die konstantinische Schenkung ein BETRUG war. Inwieweit bildliche Darstellung des chinesischen Kulturkreises mal rechtmäßige Besitztümer der Kirche sein sollten, entzieht sich meiner Kenntnis.
    9. Auch an Sie noch mal mein Einspruch. Ich bestreite keineswegs die große und wichtige Rolle der Kirche für die Kunst und Kultur in Europa. Aber die Behauptung „60% aller Bilder waren mal im Besitz der Kirche“ ist erstens unbewiesen und zweitens im globalen und gesamtgeschichtlichen Zusammenhang eine maßlose Übertreibung. NUR darum ging es in meinem Einwand. NICHTS anderes habe ich gesagt. Aber bitte, belehren Sie mich eines Besseren. Zeigen Sie mir die Quelle, die EINDEUTIG die Behauptung „60% aller weltweit existierenden Bilder gehörten mal rechtskräftig der Kirche und wurden ohne Entschädigung irgendeiner Art entwendet“ unterstützt.

  8. TaiFei sagt:

    Jochen sagt:
    „Ich verstehe Ihr Problem nicht Tei Fei. Natürlich sind die Aussagen der Kommentaoren stark plakativ, aber in der Sache gibt es nichts daran zu rütteln“
    Sie ist nicht nur plakativ, sie ist im globalem Maßstab (wir haben ja nicht nur einen europ. Kulturkreis auf unserer Erde) und im gesamtgeschichtlichen Maßstab (die Menschheitsgeschichte mit künstlerischen Darstellungen ist mehrere tausend Jahre alt) eben maßlos übertrieben. „DIE KIRCHE“ hat nicht ALLES und JEDEN seit EWIGER Zeit auf unserem Planeten bestimmt. Das ist ein selbstgefälliges, eurozentrisches, und ja auch ein fundamentalistisches, Weltbild. Also bleiben wir mal schön auf dem Teppich und relativieren die Maßstäbe. 2000 Jahre Kirchengeschichte sind NICHT DIE Menschheitsgeschichte, schon gar nicht im globalen Maßstab.

  9. Jochen sagt:

    @Tei Fei

    1. „Es ist nicht korrekt, dass 60% ALLER heutigen WELTWEIT vorhanden BILDER mal im BESITZ der Kirche waren und ungerechtfertigt dieser entwendet wurden.“ Wenn Sie nicht jede Aussage stur wortwörtlich nehmen würden, hätten Sie vielleicht gemerkt, dass der Kommentator tatsächlich nur die Museen in Mitteleuropa meint. und zwar diejenigen, die über eine mehrere hundert Jahre umfassende Tradition verfügen. Es ist ja auch von Kulturgütern in europäischen Museen die Rede.

    2. Leinwandgemälde sind eine europäische Erfindung. Dass es in anderen Kulturkreisen genauso viel bildliche Darstellungen gibt, ändert nichts daran, dass dort viel weniger „gesammelt“ wurde. Ist ja auch logisch, Fresken und Statuen kann man schlecht transportieren, Leinwandgemälde schon. Insofern ist ihr Argument durchaus etwas einseitig. Das hängt einfach damit zusammen, dass der europäische Adel und das Bürgertum einfach viel mobiler waren. Bilder sollten beweglich sein genauso wie Wandteppiche. Die Ölmalerei kommt nun mal aus Europa, die Buchmalerei hat dort ein hervorragendes Zentrum. Pergament und Papier sind im Mittelalter gebräuchliche Medien für die Produktion von Kunst. Das ist nicht überall so. Darum hat hier Europa einfach die Nase vorn.

    3. Das Sammeln von Kunst ist in erster Linie ein europäisches Phänomen. 1001 ein Museum in einem Landkreis, das gibt es halt nur in Europa. Kuriositätenkabinette usw. sind eine europäische Erfindung. Mir ist nicht bekannt, dass man im China des 17. oder 18. Jahrhunderts bereits christliche oder indiianische Kunst gesammelt hätte. In Europa ist das schon damals der Fall.

    4. Die Konstantinische Schenkung war kein „Betrug“ (wer wäre denn geschädfigt worden?), sondern eine Traditionskonstruktion. Das ist etwas anderes. Karl der Große war auch kein römischer „Kaiser“ genausowenig wie Napoleon.

    6. Nichts ist maßlos übertriben. Die Kirche hat die lateinische Schrift in die Moderne hinübergrerettet, sie hat das Universitätssystem hinterlassen, im weitesten Sinn hat sie sogar die kapitalistische Wirtschaftsethik mitbestimmt. Ohne christliche Religion würde Europa und damit die Welt heute anders aussehen. Ohne Kirche hätte es weder den Humanismus noch die Aufklärung gegeben. Das Vernunftsdenken der Moderne hat einfach im Mittelalter seine Wurzeln.

    7. Ist eine eurozentrische Sicht auf die Welt nach wie vor angebracht. Der kulturelle Einfluss Europas ist einfach zu nachhaltig. Es steht einfach fest, dass die moderne Kultur Asiens und Amerikas ohne Europa unvorstellbar wäre. Noch vor 100, 200 Jahren war ein Großteil der Welt in europäischer Hand. Umngekehrt wäre die europäische Kultur ohne die Kirche undenkbar.

    8. Die „Modernisierung“ der Welt wäre ohne Europa undenkbar. Selbst Mao Tse Tung und die Japaner haben bei den Europäern abkupfert. Nur hat man halt dort so brutal modernisiert, dass die eigene Tradition darunter gelitten hat.

    9. Befindet sich ein Großteil der chinesischen und japanischen Kunst in europäischen Museen, hat nichts mit der Kirche zu tun, aber mit europäischer Sammlerkultur

    10. Hat gerade die katholische Kirche römisches Recht und die antike Philosophie tradiert. Hätte es die Kirche nicht gegeben, wäre der Zivilisationsfall nach dem Ende des Römischen Reichs noch viel gravierender gewesen. Kommen Sie mir nicht mit dem girechischen Kulturraum, der war auch kirchlich geprägt. Die Muslime haben diesen Kulturraum zur Hälfte erobert und davon profitiert, gewiss.

    11. Hat die Kirche eben weil sie lange im „finstren Mittelalter“ verweilt hat, eine Kultur des Bewahrens und Tradierens geschaffen. Wissen war wichtig für das Seelenheil. Darum hat man fieberhaft Bücher und Handschriften gesammelt. Das ist der tiefre Grund, wieso Europa so eine Sammelleidenschaft entwickelt hat. Nirgendwo ist die Angst so groß wie hier, Tradition verlieren zu müssen,

    12. Hat die Kirche weil sie einen instutionellen Charakter hatte viel mehr bewahren können als der Adel, der erst spät „sesshaft“ wurde und oft auch „ausstarb“. Hauptstädte und feste Residenzen gibt es in Mitteleuropa erst ab 1500, ein Grund, wieso die Kirche hier die Nase vorne hatte. Kirchenschätze haben sich darum weitaus besser erhalten.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Aachener_Domschatzkammer#/media/File:Aachen_Domschatz_Bueste1.jpg

  10. TaiFei sagt:

    Jochen sagt: 15. August 2015 um 09:57
    1. Hat er so aber nicht gesagt. Wenn er das meint, was möglich ist, soll er es auch konkret artikulieren. Mein Einwand bezog sich NUR auch die unbewiesene Pauschalisierung.
    2. Es hat in anderen Kulturkreisen auch bildliche Kunst auf Seide oder Papier gegeben, die auch ohne weiteres gesammelt werden konnte. Im Übrigen hatte die Leinwand/Öl-Malerei ihren Höhepunkt, erst AB der Renaissance.
    3. Allerdings wurde z.B. in China sehr wohl chinesische Kunst gesammelt. Ich darf darauf hinweisen, dass dieser Kulturkreis nachweislich bis ins 16.Jh. unserem technologisch voraus war.
    4. Die kostenlose Inbesitznahme großer Länderrein und die daraus abgeleitete Vorherrschaft gegenüber allen anderen Kirchen und weltlichem Adel auf Basis einer gefälschten Urkunde ist also KEIN Betrug? Man, hier weichen unsere Rechtsvorstellung aber gewaltig voneinander ab.
    5. Wo ist der Punkt hin?
    6. Nur was nützt die lateinische Schrift, wenn ein großer Teil der antiken Schriften in dieser gar nicht mehr vorlagen, bzw. in den Archiven des Vatikans solange verschollen waren, dass sie erst wieder im 18./19. Jh. wieder entdeckt wurden, wo sie nur noch Historiker von Nutzen waren. Der größte Teil des antiken Wissens wurde im byzantinischen und muslimischen Kulturkreis bewahrt. Na, immerhin hat die orthodoxe Kirche hier einen entscheidenden Einfluss. Da war aber das griechische mehr verbreitet. Was die kapitalistische Wirtschaftsethik angeht, ja der Dreieckshandel war z.B. schon eine tolle zivilisatorische Leistung und was den Humanismus, die Aufklärung und das „Vernunftsdenken“ angeht, da hat sich speziell die lateinische Kirche ja lange Zeit als gute Opposition gezeigt. Der Rest ist akademisch.
    7. Ist schon richtig, nur wie wurde diese Überlegenheit denn erreicht? Durch Eroberung, Ausbeutung, Völkermord und rassistische Unterdrückung.
    8. Nun, in Japan scheinen mir die Traditionen nicht sehr gelitten zu haben. Schön, wenn man ein feudales Kastenwesen mit einer Militäroligarchie, jetzt als erstrebenswertes Ziel erachtet, dann sieht die Sache etwas anders aus. Es ist zwar richtig, das Mao im kulturellem Bereich Chinas sicher ´ne Menge Schaden angerichtet hat. Allerdings gebe ich zu Bedenken, dass hier inzwischen durchaus eine Rückbesinnung anzutreffen ist und etliche ländliche Bereiche gar nicht so in Mitleidenschaft gezogen wurden. Tatsächlich dürfte die heutige kapitalistische Wirtschaft die traditionelle konfuzianische Tradition viel nachhaltiger beschädigt haben.
    9. Genau, Sammlerkultur auf Basis von Raub, Diebstahl und subventionierten Drogenhandel. Die Chinesen tragen uns z.B. die Plünderung des Sommerpalastes bis heute nach.
    10. Möglich, sogar sehr wahrscheinlich aber rein akademisch. Und ja, der byzantische und muslimische Kulturraum waren die wahren Bewahrer antiker Philosophie und Kultur.
    11. Wissen war wichtig für das Seelenheil? Hm, dass sollten Sie mal den Opfern der Inquisition erzählen oder auch den Frauen die alte Kräuterkunde bewahrten.
    12. Feste Residenzen gab es schon viel früher. Köln existiert seit fast 2000 Jahren, Aachen ebenfalls. Es ist zwar richtig, das die damaligen Herrscher im mitteleurop. Raum zwischen verschiedenen Residenzen hin und her pilgerten, aber das ist eine rein regionale Besonderheit in der Herrschaftsform, die ihren Ursprung in der schwachen Zentralgewalt und eben der besch…ssenen Verwaltung hat. Der lateinischen Kirche ist es insgesamt eher schlecht als recht gelungen antike Verwaltungsstrukturen zu bewahren. Was auch daran liegt, das schon simples Schreiben und Lesen im lateinischen Europa praktisch einer kleinen kirchlichen Elite vorbehalten war. Ich darf darauf hinweisen, dass z.B. der Tang-Dynastie, die zur Zeit des europ. Frühmittelalters existierte, ein riesiger Beamtenapparat zur Verfügung stand. Es existierten hier bereits Manufakturen für Gemälde (chin. Tuschmalerei auf Seide/Papier). Entsprechend gab es auch eine große städtische, bürgerliche Kultur mit privaten Sammlungen.
    Natürlich kann man der lateinischen Kirche zu Gute halten, in Europa den Versuch unternommen zu haben, die Verwaltung, Kunst und Kulturnachfolge aufrechterhalten. Allerdings hat sie diesen Job doch eher bescheiden erledigt. Nicht um sonst gilt das Mittelalter in Europa als finster (was allerdings nicht ganz korrekt ist) während andere Kulturen in der gleichen Zeit eine kulturelle Hochphase erlebten, siehe Ostrom, muslimische Blüte, chinesische Tang/Song-Dynastie, indisches Maurya Reich unter Ashoka, von Südamerika gar nicht zu reden.

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