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Koloniale Kontinuitäten

Kulturgüter in europäischen Museen

Koloniale Kontinuitäten zeigen sich nicht nur in Denkweisen und Weltbildern, sondern auch im deutschen Alltag. Die Initiative No Humboldt21! kritisiert, dass noch immer Kulturgüter in europäischen Museen ausgestellt werden, die aus einem kolonialen Unrechtskontext stammten.

Von Delia Friess Freitag, 07.08.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 05.09.2015, 10:32 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Da sei zum Beispiel das Tangué aus dem Kamerun, das sich im Münchner Völkerkundemuseum befindet, berichtet Christian Kopp, Fachreferent für Dekolonisierung im Berliner Promotorenprogramm bei Berlin Postkolonial. Die Königsinsignie, eine hölzerne Bugverzierung, sei um 1884/85 nach Deutschland gebracht worden, nachdem deutsche Soldaten eine Stadt im Kamerun niedergebrannt und geplündert hätten. Der beteiligte deutsche Konsul und spätere Direktor des Münchner Völkerkundemuseums, Max Buchner, bezeichnet das Tangué in seinen Memoiren als seine „Hauptbeute“. Es gehörte Kum’a Mbape, dessen Enkel Kum’a Ndumbe es zurückfordert, und für dessen Nachfahren es ein Medium zwischen dem Diesseits und Jenseits darstelle, das nur einmal im Jahr zum Wasserfest der Öffentlichkeit gezeigt werde. Im Münchner Völkerkundemuseum wird es nun das ganze Jahr über ausgestellt.

Ein weiteres Beispiel sei der Thron Bamoun-Sultans Ibrahim Njoya aus Foumban in Kamerun, der im Ethnologischen Museum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin zu sehen ist. Laut der Beschreibung des Ethnologischen Museums handelt es sich um eine Schenkung, die im Kamerun üblich gewesen sei, um diplomatische Beziehungen zu festigen. Der Verein No Humboldt21 bezweifelt das. Der Sultan habe eine Kopie anfertigen lassen und musste das Original verschenken. Um ihm die neuen Machtverhältnisse nochmals deutlich zu machen, sei ihm ein lebensgroßes Porträt des Kaisers Wilhelm II. geschenkt worden, kritisiert NoHumboldt21 die Umstände der „Schenkung“.

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„Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wolle einzelne Fälle von Kulturraub im Kontext des Kolonialismus prüfen. Diese Aussage impliziert aber, dass ein Großteil der Gegenstände unter fairen Bedingungen erworben sei. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass Völker ihre Masken, Gottesfiguren oder Kunstschätze freiwillig verschenkten oder billig verkauften“, sagt Kopp. Im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind auch etwa 500 wertvolle Bronzestatuen, die aus Benin, Hauptstadt des Edo-Königreiches, dem heutigen Nigeria stammen. Während der Zerstörung von Benin durch britische Soldaten seien sie unter fragwürdigen Umständen nach Großbritannien gekommen. „Obwohl sich der Großteil der Statuen in Großbritannien befindet, sind immer noch mehr Bronzestatuen aus Nigeria im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin als in Nigeria selbst“, berichtet Kopp. „Etwa 10 dieser Statuen werden ausgestellt, der Rest wird im Keller gelagert“, meint der Historiker.

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„Es handelt sich nicht um Kulturgüter, die im Austausch mit anderen Ländern oder Museen in Deutschland ausgestellt werden, sondern um Gegenstände, die direkt während des Kolonialismus geklaut wurden, oder unter problematischen Bedingungen nach Europa kamen, das heißt durch Gewaltanwendungen oder Drohungen erpresst wurden oder durch den Bruch mit sogenannten Verträgen oder andere Betrügereien erbeutet wurden“, sagt Tahir Della, Vorsitzender des Vereins Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Und: „Die Gegenstände sind nicht nur wertvoll, sondern nicht selten in einem religiösen Kontext von Bedeutung oder stellen Gottesfiguren in den jeweiligen Kulturen dar.“

Laut Senat habe das Ethnologische Museum die Herkunft der rund 500.000 Gegenstände seiner Sammlung noch immer noch nicht systematisch und detailliert erforscht. „Das Ethnologische Museum bemüht sich nach eigenen Bekundungen zwar darum, die Provenienzforschung voranzubringen und mit dem kolonial-rassistischen Blick zu brechen, aber uns ist das nicht genug“, äußert Della.

Im Falle der Bronzestatuen aus Nigeria erklärte der Senat, dass es für die Rückgabe dieser Sammlung keine völkerrechtliche Grundlage gebe. Tatsächlich greift das Internationale Völkerrecht nur bei Kulturgütern, die nach 1954 bzw. 1970 gestohlen wurden. Es existieren zwei internationale Vorgaben: Die Haagener Konvention zum Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten (1954) und die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (1970). Der Internationale Museumsrat veröffentlichte 1986 einen Leitfaden für ethische Richtlinien „Code of Professional Ethics“ (ICON). Darin steht: „Wenn ein Herkunftsland oder -volk die Rückgabe eines Objektes oder Gegenstandes erbittet, von dem belegbar ist, dass es/er […] auf anderem Wege übereignet wurde und es/er zum kulturellen oder natürlichen Erbe dieses Landes oder Volkes gehört, sollte das betroffene Museum umgehend verantwortungsvolle Schritte einleiten, um bei der Rückgabe zu kooperieren, sofern es rechtlich dazu befugt ist.“

Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland kritisiert, dass sich Museen noch immer hinter rechtlichen Konzepten versteckten: „Zwar gibt es Anfragen von den Linken und den Grünen an die Bundesregierung, aber es wird immer darauf verwiesen, dass überhaupt nicht klar sei, wer überhaupt ein Recht auf Rückforderung hat. Ganz dubios wird dann auf Zeit gesetzt, dass die Dinge eben im Sande verlaufen. Das ist eine ganz generelle politische Linie. Nur langsam wird erkannt, dass man auch selber eine Verantwortung benehmen muss. Die Einrichtungen müssen sich selbst auf den Weg machen, selbst Verantwortung zeigen und fragen „Gibt es Gegenstände, die in einem Unrechtskontext erworben wurden, gibt es die Möglichkeit Dinge zurückzugeben oder Gegenstände in den Ländern selber auszustellen?“

In Fällen für vor 1954 unrechtmäßig eingeführte oder erworbene Kulturgüter, treten an die Stelle internationaler Gesetze, diplomatische Beziehungen. Diese sollen durch ein Kontrollgremium der UNESCO geregelt werden. Die Krux: Nur Mitgliedsstaaten der UNESCO können es in Anspruch nehmen. Und: Es besitzt keinerlei rechtlichen Anspruch. Für Privatpersonen, Volksgruppen, Stämme oder Regionen ist es also schwierig den Gegenstand zurückzuerhalten. Staaten forderten ihre Kulturschätze allerdings erst gar nicht zurück, um die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland nicht zu gefährden, meint Christian Kopp. Feuilleton Leitartikel

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  1. Talima sagt:

    @Tei Fei Ich wäre mit Ihren Äußerungen sehr vorsichtig. Denn erstens hat Europa im Mittelalter ständig expandiert und zweitens hat es sich ja nicht ohne Grund in der Frühen Neuzeit gegenüber anderen Kulturkreisen als überlegen erwiesen (Feuerwaffen, Seeschiffahrt, Nautik, Naturwissenschaft usw.).Griechenland und die muslimische Welt blühen ab dem 13. Jahrhundert nicht mehr, Kerneuropa hingegen blüht schon. Hat dort keine „Finsternis“ geherrscht?
    Wenn sich Humanisten auf „finstere Zeiten“ beriefen, dann meinten sie damit eine Ära des übersptzten Intellektualismus der Juristen und Universitätsleute, ihre Halbbildung und ihr mieses Latein! Die Inquisition für weltliches Versagen anzukagen geht nicht an. Römische Inquisitoren schüttelten den Kopf, wenn sie deutsche Hexenprozesse begutachten mussten. Die Inquisition war ein ganz normales kirchliches Gericht, das halt im Bedarfsfall von weltlicher Seite missbraucht wurde. Im Übrigen sind Hexenverfolgungen eher ein neuzeitliches und mitteleuropäisches Problem.

    Tei Fei Sie pflegen im Grunde ein Weltbild, wie es 1789 verfochten wurde. Alles Alte ist schlecht, alles Neues ist gut. Etwas primitives Geschichtsbild. Hauptsache Klischee.

  2. TaiFei sagt:

    @Talima
    Sie haben mich missverstanden. Ich schrieb:
    „Nicht um sonst GILT das Mittelalter in Europa als finster (WAS ALLERDINGS NICHT GANZ KORREKT IST) während andere Kulturen in der gleichen Zeit eine kulturelle Hochphase erlebten,…“
    Ich habe bereits selber eingeschränkt, dass das Mittelalter nicht WIRKLICH finster war. Ihr erwähnte Expansion betraf im Wesentlichen nur die slawischen Ostgebiete. Bei der Reconquista handelte es sich ja „nur“ um eine Rückgewinnung bereits verlorener Gebiete und im Nahen Osten konnte die nicht gehalten werden. Eine straffe zentrale Verwaltungsstruktur konnte sich aber erst ab dem Hochmittelalter etablieren. Was die Wissenschaften angeht, so holte das mittelalterliche Europa ab der frühen Neuzeit erst wieder seinen Rückstand auf. Schwarzpulver wurde ZUERST in China verwendet und selbst die Araber hatten es nachweislich VOR den Europäern. Arabische Zwischenhändler beherrschten zu dieser Zeit den gesamten Indik bis zur Südspitze Afrikas und selbst die Chinesen waren noch vor den Europäern dort präsent. Von Überlegenheit kann hier noch keine Rede sein. Was Nautik, Astronomie, Medizin angeht so konnte hier das lateinische Europa überhaupt erst ab dem 13. Jh. wieder Anschluss finden, was im Wesentlichen der maurischen Kultur und der Kontakte zu Konstantinopel zu verdanken ist. Die muslimische Blüte wurde von den Mongolen beendet. Daran hatten die Europäer keinen Einfluss. Der Fall Konstantinopels schließlich beschleunigte dann deutlich die europ. Entwicklung, da ab diesem Zeitpunkt viele antike Schriften wieder dem lateinischem Raum zur Verfügung standen.
    Was die Inquisition betrifft so wurde sie im Auftrag und unter Kontrolle der römisch-katholischen Kirche durchgeführt. Das waren KEINE weltlichen Gerichte.
    Die Hexenverfolgungen der Neuzeit schließlich wurden auch von der römischen Kirche mitgetragen wenn auch nicht kritiklos, dagegen sprachen sich sowohl Luther als auch Calvin explizit dafür aus. Die dt. Dominikaner haben sich z.B. vor kurzem deutlich von ihrer aktiven Rolle während der Inquisition und der Formulierung des sogenannten „Hexenhammers“ distanziert.
    Der Rest Ihrer Aussage sind nur Unterstellungen. Wo behaupte ich z.B. alles Alte ist schlecht – alles Neue gut. Genau solche pauschalisierten Äußerungen sind mir zuwider und ich gehe gerne regelmäßig dagegen vor.

  3. Talima sagt:

    @Tei Fei Bitte keine Schutzargiumente. All Ihre „Argumente“ erklären nicht, wieso ausgerechnet Europa, wenn es so rückständig war, zum führenden Kontinent wurde. Sie übersehen, dass Byzanz und die muslimische Welt nicht die Vielfalt der europäischen Welt kannten. Wie schon im Alten Griechenland hat sich diese kleinräumige Vielfalt gegenüber der orientalischen Montonie und dem dortigen Despotismus offensichtlich als überlegen erwiesen. Großes entsteht aus Kleinem und nicht umgekehrt.

    Ihr Argument, es hätte „die“ Kirche gegeben ist Unsinn. Die gab es nicht. Weltlichkeit und Kirche waren fest ineinander verwoben. „Kirche“ war eine Angelegenheit der Monarchen. Monarchen haben die Christianisierung Europas vorangetrieben (Chlodwig, Karl der Große). Erst ab dem 11. Jahrhundert existiert die jetzige Papstkirche, die allerdings machtpolitisch auf Rom bezogen bleibt,. Tatsächlich gab es viele „Kirchen“, die Rom halt als oberste Autorität anerkannten, ohne dass Rom deshalb allmächtig gewesen wäre. Ihre Vorstellungen orientieren sich ganz an den Klischees der Aufklärung. Rom war der Garant für die libertas ecclesia, der Freiheit der Kirche vor der Vereinnahmung durch die weltlichen Gewalten. Daraus ergaben sich juristische Rechte der Kurie. Das bedeutet aber nicht, dass die Kirche autonom von weltlichen Gewalten gewesen wäre.

    PS: Protestanten haben eher mehr Hexen verbrannt als Katholiken. Katholiken waren zum großen Teil auch gegen Verfolgungen. So pauschal kann man das nicht sagen. Wurde nicht Heinrich Kramer des Landes verwiesen? Ja von wem? Antwort: Von Katholiken. Hexenverfolgungen gibt es im Übrigen auch heute noch in der 3. Welt. Das ist einfach Aberglaube gemischt mit Bereicherungssucht. Mit wirklicher Religion hat das nicht viel tun. Die Inquisition hat sich mehr um die Ketzerverfolgung bemüht. Sie war ein wichtiges Mittel der Herrschaftssicherung – gerade für die Monarchien. Worin besteht der Unterschied zu modernen politischen Verfolgungen?

    Außerdem: War Luther nicht ein glühender Antisemit?

  4. TaiFei sagt:

    Talima sagt: 18. August 2015 um 09:50
    „All Ihre „Argumente“ erklären nicht, wieso ausgerechnet Europa, wenn es so rückständig war, zum führenden Kontinent wurde. Sie übersehen, dass Byzanz und die muslimische Welt nicht die Vielfalt der europäischen Welt kannten. Wie schon im Alten Griechenland hat sich diese kleinräumige Vielfalt gegenüber der orientalischen Montonie und dem dortigen Despotismus offensichtlich als überlegen erwiesen. Großes entsteht aus Kleinem und nicht umgekehrt.“
    Byzanz und der muslimische Raum kannten keine Vielfalt, geht´s noch? Das waren alles Vielvölkerreiche. Deren Problem bestand ja gerade darin, die vielen Ethnien, Kulturen und Traditionen unter einen Hut zu bringen. Der orientalische Despotismus ist dabei lediglich als Regierungsform zu sehen, der dem späteren europ. Absolutismus recht nahe kommt. Die Überlegenheit Europas kommt erst ab dem 15. Jh. langsam zur Geltung. Grund hierfür ist das Aufkommen des Bürgertums und die beginnende kapitalistische Produktionsweise. Das Europa bis dato rückständig war (sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich) ist eigentlich ein anerkannter Fakt. So war z.B. die indische Textilindustrie (Grundpfeiler der europ. Industrialisierung) bis ins 17. Jh. der europ. weit überlegen. Die beherrschende Stellung Europas ist NICHT im Mittelalter und schon gar nicht im Wirken der lateinischen Kirche zu suchen.
    Talima sagt: 18. August 2015 um 09:50
    „Ihr Argument, es hätte „die“ Kirche gegeben ist Unsinn. Die gab es nicht. Weltlichkeit und Kirche waren fest ineinander verwoben. „Kirche“ war eine Angelegenheit der Monarchen. Monarchen haben die Christianisierung Europas vorangetrieben (Chlodwig, Karl der Große). Erst ab dem 11. Jahrhundert existiert die jetzige Papstkirche, die allerdings machtpolitisch auf Rom bezogen bleibt,. Tatsächlich gab es viele „Kirchen“, die Rom halt als oberste Autorität anerkannten, ohne dass Rom deshalb allmächtig gewesen wäre. Ihre Vorstellungen orientieren sich ganz an den Klischees der Aufklärung. Rom war der Garant für die libertas ecclesia, der Freiheit der Kirche vor der Vereinnahmung durch die weltlichen Gewalten. Daraus ergaben sich juristische Rechte der Kurie. Das bedeutet aber nicht, dass die Kirche autonom von weltlichen Gewalten gewesen wäre.“
    Das gesamte europ. Mittelalter ist geprägt durch einen Machtkampf zwischen geistlicher und weltlicher Führung. So kann auch keineswegs von einer einseitigen Vereinnahmung der Kirche durch weltliche Herrscher die Rede sein. Dies geschah erst zunehmend ab dem Spätmittelalter. Eine Autonomie der Kirche habe ich nie behauptet. Ihre Verquickung mit weltlichen Gewalten ist ja gerade Beispielhaft für das europ. Mittelalter. Die Ostkirche hatte nie auch nur den gleichen Einfluss, geschweige denn eine ähnliche Machtstellung. Genau das ist ja mein Angriffspunkt gegen die Institution der Kirche (ähnlich kritisch stehe ich übrigens auch dem Lamaismus gegenüber) diese Verquickung bewirkt theokratische Züge.
    Es ist auch falsch, dass die Papstkirche erst ab dem 11. Jh. existierte. Bis dahin wurde Ihr Führungsanspruch jedoch von den Patriarchen Ostroms noch in Frage gestellt. DAS ist der Punkt.

    Talima sagt: 18. August 2015 um 09:50
    „PS: Protestanten haben eher mehr Hexen verbrannt als Katholiken. Katholiken waren zum großen Teil auch gegen Verfolgungen. So pauschal kann man das nicht sagen. Wurde nicht Heinrich Kramer des Landes verwiesen? Ja von wem? Antwort: Von Katholiken. Hexenverfolgungen gibt es im Übrigen auch heute noch in der 3. Welt. Das ist einfach Aberglaube gemischt mit Bereicherungssucht. Mit wirklicher Religion hat das nicht viel tun. Die Inquisition hat sich mehr um die Ketzerverfolgung bemüht. Sie war ein wichtiges Mittel der Herrschaftssicherung – gerade für die Monarchien. Worin besteht der Unterschied zu modernen politischen Verfolgungen?“
    In wie fern sollen Monarchien durch „Ketzer“ in ihrem Führungsanspruch tangiert worden sein. Der europ. Adel versuchte seit jeher seinen Führungsanspruch direkt von Gott, OHNE den Umweg über die Kirche, abzuleiten. Solange also „Ketzer“ nicht Gott in Frage stellten, was damals eher unüblich war, war deren Führungsanspruch doch nicht gefährdet. Die damaligen „Ketzer“ kritisierten ja eher die weltliche Verquickung der Kirche. Deren Führungsanspruch, deren Reichtum, Besitztümer usw. wurden in Frage gestellt.
    Das die Protestanten mehr Hexen verbrannt haben als die Katholiken ist zwar wahrscheinlich aber schlecht nachzuweisen. Ferner bringt es wenig hier mit Zahlen zu jonglieren. Dass Herr Luther ein Antisemit war, ändert auch nichts daran, dass die kathol. Kirche ebenfalls solche Tendenzen aufweist. Die Karfreitagsfürbitte spricht ja auch von einem verblendeten und treulosen Volk.
    Zwischen Inquisition und heutiger politischer Verfolgung besteht ÜBERHAUPT kein wesentlicher Unterschied, weswegen ich BEIDES auch nicht verteidige.

  5. Ernst sagt:

    „Byzanz und der muslimische Raum kannten keine Vielfalt, geht´s noch?“

    1. Na ja Byzanz und Rom waren ja in gewisser Weise „katholisch“, wenigstens in der Spätantike. Kaiser Konstantin führte das Christentum ein. Hier begann schon eine gewisse Monotonie, die in Alteuropa so nicht gegebnen war, weil es hier keine Großreiche mehr gab. Man sieht das auch an der Kunst. Der byzantinischen Kunst fehlt ab einer gewissen Zeit die „Beweglichkeit“. Sie wird starr. Ganz im Unterschied zum Westen. Frauen im Mittelalter leben in Kerneuropa im Übrigen viel freizügiger als muslimische Frauen. Bauern, Händler und Bürger genießen im Allgemeinen, eine viel größere Autonomie.

    2. Die kapitalistische Produktionsweise fällt nicht vom Himmel genauso wenig wie die wissenschaftliche Überlegenheit Europas. Beide sind eigentlich der mönchischen Kultur abgeschaut. Arbeit um der Arbeit willen, die Einteilung des Tages und die permanente Beschäftigung mit dem Geistigen, so wie heute noch bei Professoren, haben ihre Wurzeln im Mönchtum. Lesen Sie bei Max Weber, Robert Kurz oder Karl Marx nach. Das kapitalistische Arbeitsethos hat sehr viel mit christlicher Religion zu tun.
    Das Mittelalter ist nicht geprägt von einem Machtkampf zwischen „Welt“ und „Kirche“, sondern von dem Ringen zwischen der Verweltlichung der Kirche und ihrer Entweltlichung. Reformation war ein Daueranliegen. Die Kritik an kirchlichen Zuständen überall präsent.

    3. Die Ostkirche hatte sehr wohl eine enorme Machtstellung, nur war halt der Kaiser ihr Oberhaupt, so wie in der Antike.

    4. Die angebliche Rückständigkeit Europas während des Mittelalters ist ein Märchen der Aufklärungsepoche. Venezianische Händler waren schon im 13. Jahrhundert in China unterwegs. Katholische Missionare in der Mongolei. Auch gibt es technische Entwicklungen und Fortentwicklungen, die man anderswo nicht kennt (Brille, mechanische Räderuhr, bewegliche Letter, billiges Papier).

    Nachweisbar ist, dass es in südlichen katholischen Ländern relativ wenige Hexenverfolgungen gab, im Norden weit mehr. Historische Quellen und Berichte gibt es in dieser Zeit schon zuhauf. Hexenverbrennung sind kein „katholisches“ und kein „mittelalterliches“ Phänomen im eigentlichen Sinn. Das ist Grundkonsens.
    Der europäische Absolutismus ist mit dem orientalischen Despotismus nicht vergleichbar, weil die Mobilisierung des Untertans für den Staat eine ganz andere war. Man wollte wenigstens hierzulande den aktiven, „produktiven“ Untertan.

    5. Wäre es dem Mittelalter völlig fremd gewesen, auf Gott oder den Adel zu verzichten. Wo es keinen „Staat“ gab mussten schließlich Eliten dieses Defizit ausgleichen. Das bedeutete aber nicht, dass es kein Widerstandsrecht gegeben hätte. Religion wirkte hier als wichtiges Regulativ zur Friedenswahrung und nicht allein als „Unterdrückungsmittel“. Der Adel benötigte sehr wohl den Umweg über die Kirche, da er selbst nicht über Glaubensinhalte bestimmen durfte. Wer z.B. inzestuös geheiratet hatte, brauchte einen kirchlichen Dispens. Ohne Kirche ging es halt nicht. Kurz: Religion verpflichtete den Adel. Ein König, der den Gottesdienst nicht besucht, wäre völlig undenkbar gewesen.

    Die Diskussion wird dadurch erschwert, dass man im Allgemeinen ein Europabild pflegt, das fürchterlich klischeehaft ist. Ihr Mittelalterbild ist, mit Verlaub, nicht sehr ausgefeilt.

  6. TaiFei sagt:

    Ernst sagt: 19. August 2015 um 08:28
    1. Byzanz war nicht katholisch. Die Vormachtstellung des römischen Bischoffs wurde zwar theoretisch anerkannt, aber NUR solange er sich nicht in Bereiche des oströmischen Imperiums einmischte. Auch in Kernanliegen des Glaubens unterscheiden sich beide Kirchen, so z.B. in der Frage nach der Erbsünde. Der zunehmende Anspruch des römischen Papstwesen sich in Belange der Ostkirche einzumischen, führte ja schließlich zum Schisma.
    2. Der kapitalistische Arbeitsethos kann allenfalls mit dem Protestantismus in Verbindung gebracht werden, keinesfalls aber mit dem mittelalterlichen Mönchtum. Das Streben nach Reichtum als Zeichen für Gotteswohlfälligkeit fehlte dort völlig in der Programmatik. Das Ringen um Ver- bzw. Entgeltlichen der Kirche war im Wesentlichen ein kircheninternes Problem. Der weltliche Adel war immer darum bemüht seine Machtposition von der Vormachtstellung der Kirche zu entkoppeln, bzw. die Kirche für seine Zwecke zu vereinnahmen, siehe anglikanische Abspaltung.
    3. Natürlich hatte die Ostkirche eine Machstellung. Sie hatte aber keinen vergleichbaren Landbesitz und unterhielt auch keine eigenen Truppen. Während sich der katholische Papst als König der Könige definierte, unterstand der Patriarch dem Kaiser. Darin unterscheiden sich beide Kirchen erheblich.
    4. Ihre genannten Erfindungen finden erst AB dem 13. Jh. (die bewegl. Lettern sogar erst im 15.Jh.) statt. Ich hatte bereits festgestellt, dass das mittelalterliche Europa ab dem 13. Jh. wieder Anschluss an die Standards der restlichen Welt fand. Insofern widersprechen wir uns überhaupt nicht. Dass katholische Missionare bereits die Mongolei bereisten, ändert nichts am europ. Status. Im Übrigen gab es schon viel früher Ost-West-Austausch. So beeinflusste der Hellenismus Alexanders bereits einige buddh. Lehren.
    5. Hexenverbrennungen sind kein REINKATHOLISCHES Phänomen. Ihre Mitwirkung wird jedoch nicht bestritten (ich verweise auf die Rolle der dt. Dominikaner) und natürlich begannen diese auch bereits im Mittelalter zogen sich in einigen Gebieten bis weit hinein in die Zeit der „Aufklärung“. Wie gesagt, ist es aber müßig die Opfer der Inquisition und die der Hexenverbrennung, die nicht zwangsläufig gleichzusetzen sind, gegeneinander aufzurechnen. Der Orientalische Despotismus wiederum hat nichts mit irgendeinem orientalischen Despoten zu tun. Es handelt sich um eine Regierungsform, die vor allem in den großen Bewässerungskulturen zu finden war, so wird das kaiserliche China auch darunter gezählt. Natürlich ist sie nicht identisch mit dem Absolutismus aber vergleichbar. Der große Unterschied zum europ. Feudalismus des Mittelalters, war das Fehlen eines vergleichbaren Lehnswesens, was im Absolutismus jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. Wieso sollte der Despotismus unproduktive Untertanen wollen?
    6. Das ändert aber nichts daran, dass es eben gerade die kathol. Kirche war, die über die Vermittlung von Glaubensinhalten hinaus aktiv war, genau deswegen kam es ja auch zum Dissens mit der Ostkirche. Natürlich benötigte der Adel die Kirche, dass heißt aber überhaupt nicht, dass er ihre weltlichen Führungsanspruch ebenfalls anerkannte. Die „Friedenswahrung“ durch die Institution der Kirche ist doch reine Makulatur und natürlich nur durch Unterdrückung erreicht worden. Das mag das einfache Bauernvolk damals nicht erkannt haben. Das ist doch aber nicht der Maßstab, nachdem wir heute diese Gesellschaft bewerten können. Das Religion einen gesellschaftlichen Wertekanon schafft, hat nichts mit dem weltlichen Machtanspruch der Kirche zu tun.

    Ernst sagt: 19. August 2015 um 08:28
    „Die Diskussion wird dadurch erschwert, dass man im Allgemeinen ein Europabild pflegt, das fürchterlich klischeehaft ist. Ihr Mittelalterbild ist, mit Verlaub, nicht sehr ausgefeilt.“
    Diese Diskussion ist letztendlich völlig überflüssig, da sie nichts mit dem Artikel zu tun hat und auch nichts mit meiner Kritik an einer obigen Pauschalisierung. Mein Mittelalterbild mag nicht unbedingt sehr ausgefeilt sein, aber ich bemühe mich wenigstens, den hier herrschenden Eurozentrismus zu relativieren. Wie schon gesagt, 2000 Jahre europ. Kirchengeschichte sind nur ein kleiner Teil der globalen Menschheitsgeschichte und die heutige Vorherrschaft des europ. Kulturkreises ist vor allem eine Geschichte von Völkermord, Unterdrückung und Rassismus. Dieses dümmliche Überlegenheitsgeschwafel zeigt, dass eine Weiterentwicklung hier bei Vielen offensichtlich nicht stattgefunden hat. Da fragt man sich doch, wessen Weltbild hier im 18.Jh stehengeblieben ist.

  7. posteo.de sagt:

    Tai Fei sagt: „Die heutige Vorherrschaft des europ. Kulturkreises ist vor allem eine Geschichte von Völkermord, Unterdrückung und Rassismus.“

    Stellen wir uns also vor es hätte uns bösen Europäer nie gegeben. Glauben Sie wirklich, die Menschheit wäre heute friedlicher, gesünder, materiell oder kulturell reicher?
    Wenn ja, dann verschenken Sie Ihr gesamtes Hab und Gut, bis auf das, was nicht industriell gefertigt wurde, kündigen Sie ihre Sozialversicherungen, ihr Girokonto und ihre Staatsbürgerschaft (ganz gleich welche) und ziehen Sie z. B. als vorindustrieller Handwerksgeselle durch die Lande.

  8. Ernst sagt:

    @Tei Fei Wieder lauter Halbwissen. Ihre Problem liegt darin, dass Sie das Denken der Menschen von damals nicht erfassen wollen und alles aus heutiger Sicht beurteilen. Das führt zwangsläufig zu einem verzerrten Geschichtsbild.

    1. Byzanz war insofern „katholisch“ („allumfassend“) als die dortige Tradition eben doch von Rom beeinflusst worden war. Nur gab es halt kulturelle Unterschiede (etwa im Ritus und der Deutung von Glaubensinhalten, u.a. bedingt durch die Trennung in einen weströmischen und einen oströmischen Teil), die ein Auseinanderdriften in den folgenden Jahrhunderten zur Folge hatten. Das Papstum existiert so wie wir es heute verstehen erst seit dem 11. Jahrhundert. Vorher war das Papsttum bedeutungslos, nach 1300 in französischer Hand und nach 1500 war es so und so ein Spielball der europäischen Mächte. Die Päpste waren die meiste Zeit alles andere als „Könige der Könige“, sondern schlicht und einfach römische Stadtherrren oft sogar unter der Knute stadtrömischer Familien. Eine Zeit lang gab es sogar Päpste in Avignon, Pisa und Basel. Sie sprechen von einer sehr kurzen Phase in der Papstgeschichte, in der die Kurie wirklich autonom war. Sie sollten lieber einmal fragen „wer“ denn konkret die Kirche war, wenn Sie von „der“ Kirche reden.

    2. Und ohne „mönchische Aseke“ wäre das kapitalistische Ethos so nicht entstanden. Das Kloster ist die Vorform der Fabrik. Es ist ein Ort unnatürlicher Lebensweise, so wie die kapitalisitische Arbeit ja auch unnatürlich ist. Sie haben dort einen festen Zeitplan einzuhalten und ihr Leben der Arbeit zu widmen. Der Protestantismus hat die mönchische Ethik nur umgewandeltm nach dem Motto „widme dein Leben dem Geldverdienen und zwar Stunde für Stunde, der Herr sieht dir zu. Wenn du das tust, kommst du in den Himmel.“ Lesen Sie halt bei Max Weber nach. Lesen bildet. Es war das Christentum, das zuerst die negative Bedeutung der Abstraktion „Arbeit“ positiv umdefiniert hat – und zwar paradoxerweise gerade als Leid und Unglück! Weil nämlich das Leid Christi am Kreuz die Menschheit von ihren irdischen Sünden erlöst hat, verlangt der Glaube daran die „Nachfolge Christi“. Und das bedeutet, das Leid freudig und freiwillig auf sich zu nehmen. In einer Art von Masochismus des Glaubens an das positive Leiden adelte also das Christentum auch die Arbeit zum geradezu erstrebenswerten Ziel, etwa in demselben Sinn, wie es gelegentlich üblich war, sich in frommer Extase selber zu geißeln. Die Mönche und Nonnen in den Klöstern unterwarfen sich bewußt und freiwillig der Abstraktion „Arbeit“, um als „Knechte Gottes“ ein Leben im Sinne des Leids von Christus zu führen. Mentalitätsgeschichtlich waren, und darauf ist oft hingewiesen worden, die klösterliche Zucht und Ordnung, also die strenge Einteilung des Tagesablaufs und die mönchische Askese, Vorläufer der späteren Fabrikdisziplin und der abstrakten „betriebswirtschaftlichen“ Zeitrechnung. Aber diese spezifisch christliche Mission der Arbeit bezog sich nur auf die metaphorische Bedeutung des Begriffs als religiöse Akzeptanz des Leids mit Blick auf das Jenseits; es wurde damit noch kein positiver irdischer Zweck verfolgt.

    3. Ostkirche und Westkirche unterscheiden sich für mehr als 500 Jahre überhaupt nicht. So sind z.B. die deutschen Könige genauso Herren über die Bischöfe, wie es in der Ostkirche der Fall ist (bis zum Investiturstreit). Der Herrscher ist in gewisser Weise Priesterkönig.

    4. Verstehen Sie überhaupt nicht, dass Kirche und Adel kein Widerspruch waren. Da eine Welt ohne Staat nicht ganz gewaltfrei sein konnte, war ja gerade die Kirche prädestiniert zu intervenieren (so z.B. bei der Gottesfriedensbewegung). Ebenso hätte ein Bauer ohne Adel gar nicht existieren können. Wäre hätte ihn beschützt? Und wieso hätte ein Adelsmann seine Bauern unterdrücken sollen? Sie waren ja gewissermaßen sein „Vermögen“? Hier von „Unterdrückung“ zu reden ist unsinnig, es gab ja schließlich damals keine Steuern. Und wenn es welche gab, waren sie an die Gewohnheit gebunden. Sondersteuern wurden nur in Notzeiten erhoben. Das ist die Realität. Und so leicht hätte ein einfacher Adeliger keinen Bauernaufstand provoziert, das wäre viel zu teuer gekommen. Fest steht, dass die Kirche dieser Gesellschaft den nötigen „Kitt“ verlieh, um zu funktionieren.

    6. Beruht die Überlegenheit Europas nicht auf „Völkermord“ und „Rassismus“, sondern auf Sonderentwicklungen, die es in der übrigen Welt so nicht gab. Noch heute bauen die Chinesen europäische Städte nach und die Japaner spielen unsere Musik. Ja warum wohl? Hat das was mit „Rassismus“ zu tun? Es mag OK sein, den Eurzentrismus anzuprangern, aber deshalb müssen wir uns doch nicht verstecken!

    7. War der Absolutismus sehr wohl ans Lehnswesen gebunden, insofern als er die Privilegien des Adels nicht antastete. Der Unterschied lag darin, dass der Monarch erstmals ohne die Zustimmung der Stände Steuern erheben konnte und somit souverän war.

    8. Der Despotismus hat es nicht für nötig befunden, Untertanen zu bilden, heranzuziehen und fördern, vermutlich aus dem Grund, weil genügend da waren. Wer aus dem Vollen schöpft, wird nicht dazu gewzungen produktiv zu sein. Europäische Fürsten besonders deutsche waren in der Regel arm. Sie mussten daher etwas auf die Beine stellen. Darum lag es nahe, den Untertanen als wertvolles Kapital zu betrachten (v.a. im ach so tollen Zeitalter der Aufklärung).

  9. TaiFei sagt:

    @Posteo
    Davon kann keine Rede sein. Andere Weltmächte sind in der Geschichte genauso vorgegangen und werden so vorgehen. Darüber mache ich mir keine Illusionen. Allerdings ist eine Vormachtstellung auch nicht deshalb zu erringen, weil man angeblich zu einem überlegenem „Kulturkreis“ gehört. Das scheinen hier einige immer noch verinnerlicht zu haben.
    Also, unterstellen Sie mir keine Behauptungen. Das es kein zurück mehr gibt, weiß ich und das will bestimmt auch keiner. Aber wir sind eben auch noch nicht am Ende der Geschichte, wie ein gewisser Fukuyama behauptet. Wer weiß, übermorgen beherrschen vielleicht die Chinesen die Welt und dann werden wir Europäer blöd aus der Wäsche kucken.

    PS: der letzte Satz ist eine spekulative Annahme also bitte keine neue Diskussion über die Wirtschaftskraft der Chinesen vom Zaun brechen.

  10. TaiFei sagt:

    Ernst sagt: 19. August 2015 um 18:14
    „@Tei Fei Wieder lauter Halbwissen. Ihre Problem liegt darin, dass Sie das Denken der Menschen von damals nicht erfassen wollen und alles aus heutiger Sicht beurteilen. Das führt zwangsläufig zu einem verzerrten Geschichtsbild.“
    Ich will nicht das Denken der Menschen von damals erfassen, ich analysiere die gesellschaftlichen Verhältnisse, wie sie waren und nicht, wie sie sich den damaligen Menschen mit ihrem begrenzten Horizont darstellten. DAS ist der Unterschied.
    1. Päpste sind schon seit dem 4. Jh. nachgewiesen. Damals hatten sie aber tatsächlich nur den Status eines Bischoffs von Rom. Bereits mit der pippinschen Schenkung, Mitte des 8.Jh., aber wurde ihr Status und der daraus abgeleitete Anspruch aufgewertet. Erst die Anerkennung des Kirchenbesitzes und Anspruch auf das letzte Wort über die Kaiserwürde, brachte Karl dem Großen diese überhaupt erst ein. Bereits HIER setzt auch das beginnende Zerwürfnis mit der Ostkirche ein, maßgebend war das Photios-Schisma. Das 11. Jh. spielt hier nur eine Rolle, weil es hier zum morgenländischen Schisma kam, also dem endgültigen Bruch beider Kirchen. Daher war Konstantinopel weder katholisch noch ist das Papsttum ein „Erfindung“ des 11. Jhs. Den zurückgehenden Einfluss ab dem 13. Jh. habe ich ja bereits selber erwähnt.

    2. Das Lesen bildet, müssen Sie mir nicht erklären. Ich habe zwar nicht Weber gelesen, dafür aber Marx. Im Mönchsleben ist auf keinen Fall noch gar keine Abstraktion der Arbeit vorhanden. Die klösterliche Arbeit beinhaltete noch den kompletten Herstellungsprozess. Und auch wenn es Zeitpläne gab, waren die noch von den Jahreszeiten und nicht von den Produktionsbedingungen diktiert. Das gilt ebenfalls für die Bauern, welche ebenfalls häusliche Nebenproduktion betrieben. Mönche waren jedoch keineswegs frei und sie hatten eine soziale Bindung zur Klosterführung. Man kann mit viel Wohlwollen hier eine Linie ziehen, Ihre Schlussfolgerung ist aber fehlerhaft, des es ähnliche Mönchsorden ja auch in anderen Kulturen gab. Die kapitalistische Entwicklung dort aber eben NICHT stattfand.

    3. Ab dem 8. Jh. differieren beide Kirchen voneinander bis zum Schisma im 11. Jh. Die Wahl des dt. Königs oblag nie der Kirche, die Krönung dieses Königs jedoch zum Kaiser musste vom Papst gebilligt werden. Damit war der Papst die oberste Instanz.

    4. Verstehen Sie überhaupt nicht, dass Kirche und Adel kein Widerspruch waren. Da eine Welt ohne Staat nicht ganz gewaltfrei sein konnte, war ja gerade die Kirche prädestiniert zu intervenieren (so z.B. bei der Gottesfriedensbewegung). Ebenso hätte ein Bauer ohne Adel gar nicht existieren können. Wäre hätte ihn beschützt? Und wieso hätte ein Adelsmann seine Bauern unterdrücken sollen? Sie waren ja gewissermaßen sein „Vermögen“? Hier von „Unterdrückung“ zu reden ist unsinnig, es gab ja schließlich damals keine Steuern. Und wenn es welche gab, waren sie an die Gewohnheit gebunden. Sondersteuern wurden nur in Notzeiten erhoben. Das ist die Realität. Und so leicht hätte ein einfacher Adeliger keinen Bauernaufstand provoziert,
    das wäre viel zu teuer gekommen. Fest steht, dass die Kirche dieser Gesellschaft den nötigen „Kitt“ verlieh, um zu funktionieren.
    Richtig die Kirche liefert den gesellschaftlichen Kitt zum Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Gottesfriedeninitiative (ab. dem 10. Jh.) sollte z.B. den inneren Frieden waren. Dies geschah aber nur dadurch, dass die Gewalt nach außen gelenkt wurde. Ab genau dem Zeitpunkt begann nämlich die Ostexpansion, die Reconquista (Eroberung Toledos) und später auch die Kreuzzüge in den nahen Osten – TOLLE LEISTUNG!!! Dass es keine Unterdrückung der niederen Stände im Feudalismus gab, glauben Sie doch wohl selber nicht. Mit der Einführung der Drei-Felder-Wirtschaft gab es einen gewaltigen Sprung in der landwirtschaftlichen Produktivität. Natürlich war der Lehnsherr von seinen Bauern abhängig. Davon bedurfte es aber immer weniger. Und vor WEN hat denn der Lehnsherr SEINE Bauern beschützt, doch nur vor den Zugriffen anderer Lehnsherren. Bitte sagen Sie mir nicht, dass sie so naiv ist. Und was die nicht vorhandenen Steuern betrifft, so ziehen wir mal die Wiki-Definition heran: „Als Steuer wird eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung bezeichnet, …Aus den ursprünglich als Naturalabgaben in Form von Sach- oder Dienstleistungen (Frondiensten) erhobenen Steuern sind heute reine Geldleistungen geworden.“ Naturalabgaben, Frondienst, der Zehnt, sind also STEUERN!
    5. Wo ist ihre FÜNF hin?

    6. Die europ. Sonderentwicklung (Bürgertum mit kap. Produktionsweise) führte zur Überlegenheit Europas. Dieser folgte Völkermord (Conquista Lateinamerikas) und Sklavenhandel (legitimiert durch den europ. Rassismus) und führte zum Imperialismus mit riesigen Kolonialreichen und der Vorherrschaft des europ. und später amerikanischen Wirtschaftssystems. Diese Übermacht besteht bis heute und passte sich die Wirtschaft der anderen Länder an Ihr Wirtschaftssystem an. So besteht die Wirtschaft der gesamten dritten Welt noch heute, hauptsächlich in Ressourcenlieferung und Absatzmarkt westl. Produkte. Das sie Japaner unsere Musik spielen liegt einfach daran, das hinter westl. Musik größere Kapitalkraft für die Vermarktung steht, wie auch hinter der Filmindustrie. Gerade in Asien ist man sich aber der eigenen Kultur durchaus bewusst. Indien spuckt jedes Jahr mehr Filme aus als Hollywood, die koreanische Welle hat inzwischen sogar die USA erreicht, japan. Animes/Manga sind sogar in Europa fester Bestandteil unserer Populärkultur. NIEMAND redet von verstecken, was unsere Kultur betrifft. Das wäre Schwachsinn, sie ist Bestandteil unseres seins. Das dauernde Betonung unserer Überlegenheit ist mein Problem.

    7. Das Lehnswesen hatte zur Zeiten des Absolutismus KEINEN Einfluss mehr auf die Politik der Landesfürsten mit ihren stehenden Heeren. Kein niederer Adel konnte sich gegen den Landesfürsten stellen. Wichtigen Anteil an dieser Entwicklung hatte eben das entstehende Bürgertum der Städte, da diese mit ihren Finanzen und Produktionsstätten eben keinen Lehnsherren unterstanden. DAS ist der Ursprung des Absolutismus. Die zunehmende Bedeutung der Geldwirtschaft.

    8. Völlig lächerlich. In China wurden jedes Jahr hunderte bis tausende Beamte ausgebildet. Zugang zur Bildung hatte theoretisch JEDER. Und dass die deutschen Fürsten Ihre Untertanen als „wertvolles“ Kapital sahen, sieht man besonders an der Tatsache, dass etliche ihre Untertanen an ausländische Handelscompanien VERKAUFTEN, die dann in deren Armeen kämpften. Sie werfen mir ernsthaft Halbwissen vor, SIE?

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