Gelichter
Das asoziale Netzwerk
Jeder Seitenbetreiber, ob Blogger, Forenbetreiber oder Verlag, ist im Internet verantwortlich für sämtliche Inhalte, die auf seiner Seite veröffentlicht werden. Das ist schon seit Jahren gefestigte Rechtsprechung. Nur für soziale Netzwerke scheint das nicht zu gelten.
Von Sven Bensmann Dienstag, 11.08.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.08.2015, 16:16 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Liebe Jünger und chirurgisch Verjüngte! Ich spreche heute zu euch…nein, vergesst das: ich predige eh zu viel – dabei hab ich’s gar nicht mit Religion… Neuer Beginn:
Dieser Tage habe ich erfreulicherweise einen bemerkenswerten politischen Kommentar bemerkt, der sich dort versteckte, wo man ihn nicht unbedingt vermuten würde, und auf den ich heute rekurrieren möchte. Der geschätzte Thomas Lückerath, seines Zeichens Chefredakteur eines bekannten Medienmagazins (DWDL.de), bezieht sich darin auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Integrationspolitik, die zunehmende Verschärfung des Tons und wie sich einzelne Journalisten und Redaktionen teilweise punktuell und herausragend, wie gerade erst Anja Reschke vom NDR, die einen Aufstand der Anständigen forderte, teilweise auf den eigenen Vorgarten beschränkt, zum Beispiel auf den Facebook-Seiten der Formate, dazu positionieren.
Und er stellt die Frage in den Raum, was eigentlich mit denjenigen Hasskommentaren passiert, die nicht auf den Seiten von Tagesschau, Süddeutscher Zeitung oder auch des MiGAZINs, sondern in eigens erstellten Gruppen und auf privaten Seiten geposted werden, wo kein eigenes Social Media Team dafür sorgt, dass die Grenzen des guten Geschmacks eingehalten werden.
Nun, wenn man Facebook fragt, dann gibt es dieses Problem gar nicht. Denn „Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften“, und die „Präsenz von Organisationen und Personen, die Hass […] schüren, ist auf Facebook nicht zulässig“ (Zitate: Facebook.com, „Gemeinschaftsstandards“). Dazu stellt Facebook außerdem den Nutzern die Möglichkeit bereit, Inhalte, die gegen diese Richtlinien verstoßen, zu melden, damit diese gelöscht werden können. Hierauf folgt dann eine Prüfung durch Facebook – und wie Lückerath zeigt: nichts.
Er hatte eine Weile solche Inhalte gesucht und gemeldet, darunter exemplarisch der Wunsch, Migranten durch einen Schuss in den Hinterkopf zu einer Nutzung als „Nistkasten“ zu befähigen, oder der Wunsch nach „Brummifahrern“, die „drauf halten“. Für Facebook war keines der gemeldeten Postings mit den Gemeinschaftsstandards nicht vereinbar, keines eine „Hassbotschaft“ gemäß der Definition sozialen Netzwerks. Dabei sind es genau diese Hassbotschaften, die die von Frau Reschke angesprochene Dynamik einer Enthemmung vorantreiben.
Lückerath schreibt deshalb, gerichtet an Marianne Dölz, Country Director für Deutschland, Österreich und Schweiz: Liebe Frau Dölz, wenn Ihnen schon Anstand, Werte und Umgangston in Ihrem Social Network völlig egal sind, so denken Sie doch wenigstens mal ganz pragmatisch – beispielsweise an den Imageschaden, wenn Ihre Verantwortungslosigkeit zu öffentlicher Empörung führt. Wenn Facebook also schon das Menschliche fremd ist, vielleicht ist wenigstens das ja ein wichtiges, weil wirtschaftlich relevantes Kriterium, künftig mehr Verantwortung zu übernehmen und das Community Management neu zu organisieren.
Das ist so richtig, dass er verbreitet werden muss. Facebook hat schließlich eine Verantwortung für das, was auf Facebook veröffentlicht wird, genau genommen sogar: durch Facebook veröffentlicht wird. Insbesondere dann, wenn es sich dabei um das Schüren von Hass und Rassismus handelt. Es reicht nicht, Einzelpersonen, die auf Facebook veröffentlichen, wegen Volksverhetzung zu strafen, wie das vor Kurzem erst in Passau geschehen ist – auf Anzeige eines Nutzers hin; auch Facebook als veröffentlichendes Medium trifft eine Mitschuld.
Einfache Blogbetreiber, dieser Rechtsprechung folgen das BGH und die meisten Landgerichte seit Jahren, müssen zwar nicht jeden einzelnen Kommentar vor der Veröffentlichung prüfen, aber doch zumindest zeitnah, dass heißt: sobald ihnen der Sachverhalt bekannt ist, strafrechtlich relevante Inhalte löschen. Das nennt sich dann juristisch „Mitstörerhaftung“. Warum sollte nicht mindestens das auch für Facebook gelten? Wenn man schon nicht dieselben Maßstäbe zu Grunde legt, die für klassische Medien gelten?
Die Polizeidienststelle Ihres Vertrauens, oder doch zumindest die um die Ecke, nimmt sicher gern Anzeigen gegen Facebook wegen der Verbreitung volksverhetzender Inhalte an, mit Verweis auf diese Mitstörerhaftung. Und wenn schon sonst nichts, so hält es die Jungs und, seltener, Mädels vielleicht doch immerhin davon ab, jeden mit einer Hautfarbe dunkler als die vom Pizzabäcker um die Ecke einer ausgedehnten Leibesvisitation zu unterziehen – und strafrechtliche Ermittlungen gegen Facebook würden vielleicht ja auch die Einstellung von Frau Dölz und ihrer Kollegen ein wenig korrigieren… Aktuell Meinung
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Juristisch leider unzutreffend. Der BGH „folgt“ nicht einer Rechtsprechung, es ist seine höchstrichterliche Rechtsprechung. Das ist nur ein Detail.
Jedenfalls ist das ganze Zivilrecht. Strafbar wäre nur vorsätzliches Handeln, und das wird man Facebook kaum nachweisen können. Ganz abgesehen davon, dass man nicht gegen „Facebook“ Strafanzeigen stellen kann, sondern nur gegen natürliche Personen. Wie soll man denn auch eine Firma einsperren? Man müsste also die konkret bei Facebook für ein bestimmtes Posting bzw. dessen Nichtlöschung verantwortlichen Personen ermitteln, die sich dann durch vorsätzliches Unterlassen strafbar gemacht haben müssten. Nicht ganz so einfach, wie sich der Autor das denkt.