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Merkels China-Reise

Amnesty fordert klare Worte von Bundeskanzlerin

Eine Weltmacht wie China sollte nach den Vorstellungen von Selmin Çalışkan auch daran gemessen werden, wie sie ihren Pflichten nachkommt. Dazu gehöre die Achtung der Menschenrechte, betont die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International im Gespräch. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet sie ein klares Wort zu den Missständen in China, wenn sie das Land vom 28. bis 30. Oktober besucht. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Von Elvira Treffinger Mittwoch, 28.10.2015, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 28.10.2015, 15:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Frau Çalışkan, Bundeskanzlerin Angela Merkel reist nach China. Was würden Sie ihr gerne mit auf den Weg geben?

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Selmin Çalışkan: Aktuell macht uns vor allem eine Repressionskampagne gegen Anwältinnen und Anwälte Sorgen, die von den Behörden im Juli gestartet wurde. Bisher sind über 200 Rechtsanwälte und sie unterstützende Aktivisten betroffen. Eine Reihe von ihnen ist seither in Haft oder verschwunden. Die deutsche Regierung führt seit Jahren einen Rechtsdialog mit dem Ziel, rechtliche Reformen in China zu fördern. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass sich die Bundesregierung dann auch für diejenigen einsetzt, die in China verfolgt werden, nur weil sie das getan haben, was man von Rechtsanwälten in einem Rechtsstaat erwarten würde.

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Die Menschenrechtssituation in China hat sich offenbar wieder stark verschlechtert, nachdem es zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking hoffnungsvolle Zeichen gegeben hatte. Wie ist Ihre Einschätzung?

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Çalışkan: Wir haben die Entwicklung der Menschenrechtssituation im Umfeld der Olympischen Spiele bereits zuvor sehr viel kritischer beurteilt. Wir möchten hier an die Niederschlagung der Unruhen unter den Tibetern im Frühjahr 2008 erinnern. Seit 2013 eine neue Führung unter Staatspräsident Xi Jingping an die Macht kam, beobachten wir eine Zunahme der Repressionen und eine Einschränkung der Freiheiten.

Was sind die Gründe für die Missachtung der Menschenrechte?

Çalışkan: Das aktuelle Vorgehen gegen die Anwälte aber auch die jahrelangen Repressionen gegen Anhänger ethnischer Minderheiten wie die Tibeter und Uiguren sowie die Anhänger religiöser Minderheiten und spiritueller Bewegungen wie Falun Gong zeigt Folgendes: Die Regierung nimmt schwere Menschenrechtsverletzungen in Kauf, wenn sie Behörden anweist, gegen aus Sicht der politischen Führung und der Partei missliebige Personen vorzugehen.

Hinzu kommt der fehlende Schutz der Rechte derer, die bei den zahlreichen sozialen Konflikten auf der Verliererseite stehen. Zwangsvertreibungen waren bereits vor den Olympischen Spielen ein Problem. Aus den vielen Berichten, die uns erreichen, schließen wir, dass heute noch mehr Menschen mit teils brutalen Methoden aus ihren Wohnungen vertrieben werden.

Gleichzeitig werden viele Menschen in China immer mutiger. Trotz der Repression gibt es lebhafte Diskussionen in sozialen Medien. Sehen Sie das auch so?

Çalışkan: In vielerlei Hinsicht ist China in den letzten Jahrzehnten ein sehr viel freieres Land geworden. Dies sollte uns aber nicht zur Annahme verleiten, dass es mit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Landes automatisch zu einer Verbesserung der Menschenrechte kommt. Auch wenn immer mehr Chinesen und Chinesinnen Zugang zu sozialen Medien haben und diese auch für kritische Diskussionen nutzen, so müssen auch in Zukunft Internetnutzer befürchten, dass sie verfolgt werden, wenn sie aus Sicht der Behörden das Internet „missbrauchen“. Jahrelange Haftstrafen drohen, weil Straftatbestände wie „Aufwiegelung zum Umsturz der Regierung“ oder „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ in China so weit gefasst sind.

China ist ein Global Player. Das Land wird für die Stabilisierung der Weltwirtschaft, zur Eindämmung des Klimawandels und zur Lösung der Syrien-Krise gebraucht. Was ist der richtige Umgang des Westens mit Peking?

Çalışkan: Gerade wenn man China als Weltmacht ernst nimmt, sollte man darauf achten, dass China den eigenen Verpflichtungen nachkommt. Dazu zählt eben auch die Verpflichtung auf die Menschenrechte. Wenn Deutschland dies nicht konsequent vertritt, schwächt dies die Glaubwürdigkeit von Ländern wie Deutschland und von Europa insgesamt, wenn sie mit Partnern wie China verhandeln. Es wäre falsch, verschiedene Interessen so gegeneinander auszuspielen, dass aus der Pflicht zur Förderung der Menschenrechte unverbindliche Lippenbekenntnisse werden.

Auch Arbeitsplätze in Deutschland hängen vom China-Geschäft ab. Wie fällt Ihre Bilanz der deutschen Chinapolitik aus?

Çalışkan: Die Frage suggeriert, dass es einen Widerspruch zwischen dem Engagement für Menschenrechte und den wirtschaftlichen Interessen gibt. Ein besserer Schutz der Menschenrechte und dafür wichtige Voraussetzungen, wie etwa rechtsstaatliche Strukturen, würden gerade auch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zugutekommen. Auch eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur kann entscheidender Faktoren bei der Etablierung der Menschenrechte sein.

Was ist besser, um für verfolgte Dissidenten in China etwas zu erreichen: Stille Diplomatie oder offener Protest?

Çalışkan: Eine Menschenrechtspolitik, die konkrete Verbesserungen der Situation zum Ziel hat, bedarf nach unserer Erfahrung verschiedener Instrumente. Nicht in allen Fällen ist es angemessen, die öffentliche Konfrontation zu suchen. Dennoch halten wir es für wichtig, dass die Bundeskanzlerin auch öffentlich zu den Missständen in China Stellung bezieht und sich klar für einen besseren Schutz der Menschenrechte ausspricht. (epd/mig) Aktuell Interview

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  1. Rudolf Stein sagt:

    Die Männer und Frauen, die Frau merkel in China trifft, regieren eine Weltmacht, die 1,5 Milliarden Menschen umfasst, eine Atommacht ist, die sich gegen jeden Gegener auf der Welt effektiv verteidigen kann, technologisch in der Lage ist, den Mond zu erreichen und von Russland und den USA respektiert wird. Angesichts des Hühnerhaufens, dem merkel in Deutschland vorsteht und angesichts der Tatsache, dass sich Deutschland von den USA wie ein amerikanischer Bundesstaat behandeln lässt, wäre es angebracht, dass die Dame mit einer gewissen Demut in China auftreten und sich dort nicht wie eine Studienrätin aufführen würde. Sie muss sich vergegenwärtigen, dass man sie in China nicht in erster Linie als Repräsentantin Deutschlands ansehen wird, sondern als Interessenvertreterin der USA. Für Amnesty gilt das alte Deutsche Spruchwort:“Auf eines fremden Mannes (Frau) Arsch ist gut durchs Feuer reiten“. Will heißen: wenn Amnesty ein Anliegen an die chinesische Regierung hat, soll es in Peking selbst vorsprechen.

  2. Han Yen sagt:

    @Rudolf Stein

    Nein, Frau Selmin Çalışkan von Amnesty International kann selbstverständlich die Menschenrechtslage in den chinesischen Grenzregionen ansprechen – genauso wie chinesische Menschenrechtsberichte die Lage der Afro-Amerikaner ansprechen darf oder anti-deutsche Staaten die Menschenrechtslage an den europäischen Außengrenzen.

    Menschenrechte sind subjektive Rechte, wo der Staat zugleich Ankläger und Richter ist. Internationale Nicht-Regierungsorganisationen sind daher notwendig, um staatliche Verbrechen in den supranationalen Institutionen und den transnationalen Medien anzuprangern.

    Das Problem mit Amnesty International ist eher, dass man zuviel Rücksichten auf die NATO und den Vatikan nimmt, weil man eine euro-amerikanische Perspektive hat – und sich zu oft vor dem Karren des Pentagon spannen läßt. Das liegt aber daran, dass man den anderen UNO Staaten keine Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Medien einräumt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass z.B. bestimmte Einwanderergruppen Kurden, Armenier, Irische Auswanderer, Ukrainer, Griechen, Zyprioten… liebend gern mit ihrem Rundfunk Beitrag Sendezeit eintauschen möchten.

    Was man über die Türkei wissen muss ist, dass es für die CIA uygurische Terroristen für den Einsatz in China trainiert, genauso wie die CIA Tibeter trainiert. Effektiv ist China mit Xinjiang und Tibet in natürlichen Grenzen, was größere Landkriege mit Rußland und Indien verhindert. Die USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien, Indien und die Türkei haben aus eigennützigen Interessen ein Interesse daran, Konflikte an den chinesischen Außengrenzen zu schüren. Genozide geschehen meistens dann, wenn eine Großmacht ethnische Konflikte ausnutzt, um eine andere Großmacht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Besonders gefährdet sind ethnische Minderheiten in Grenzregionen.

    Diese Grenzminderheiten leben entlang der Außengrenzen Rußlands, Indiens, USA, EU, …und brauchen unabhängig von der weißen Amnesty International ein Sprachrohr. Außerdem brauchen Grenzminderheiten und Einwandererminderheiten einen Rechtsfonds, um Staatschef, kirchliche Würdenträger, Konzernchefs, Militärs, weiße NGO’s und Polizeiangehörige in Belgien und Spanien vor Gericht zu stellen – dort gibt es nämlich eine sehr strenge Rechtssprechung für transnationale Verbrechen.