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Sabine Beppler-Spahl, bearb. MiG
Sabine Beppler-Spahl, bearb. MiG

Flüchtlingskrise

Unlogische Unterscheidung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen

Kriegsflüchtlingen wollen wir helfen, Wirtschaftsflüchtlingen nicht. Warum wir diese Unterscheidung machen, lässt sich nicht logisch begründen. Von Sabine Beppler-Spahl

Von Montag, 09.11.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.11.2015, 15:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Wir müssen helfen, das ist doch klar. Allerdings sind viele, die kommen, Wirtschaftsflüchtlinge“. Der Satz fällt während einer Unterhaltung im Bekanntenkreis. Keine Einzelmeinung, wie eine im Oktober erhobene repräsentative Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach bestätigt. „Eine überwältigende Mehrheit“, heißt es da, „will Flüchtlinge aus Krisengebieten aufnehmen, andere aber rasch und konsequent abschieben“ (FAZ 21.10.2015). Die Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen kommt uns leicht über die Lippen. Doch logisch begründbar ist sie nicht. Sie ist die Konsequenz eines von vielen Seiten angefeuerten unwürdigen Wettlaufs um den größten Opferstatus.

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Wenn Innenminister Thomas de Maiziere zwischen syrischen Kriegsflüchtlingen und allen anderen unterscheidet ist das erklärbar. Ihm geht es nicht um Logik, sondern darum, Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit zu demonstrieren. Nach dem Motto: Seht her, ich ziehe die Reißleine und irgendwo muss der Schnitt gemacht werden. Deswegen hat er vor kurzem gesagt, es sei „inakzeptabel“, wenn Afghanistan mittlerweile in der Rangfolge der Herkunftsländer von Asylsuchenden auf dem zweiten Platz stehe (FAZ, 30.10.201). Künftig, so dürfen wir daraus schließen, soll auch Afghanistan zu einem sicheren Herkunftsland deklariert werden. Kosovaren, Montenegriner und Albaner werden ohnehin schon lange als potentielle Abschiebekandidaten klassifiziert (ob tatsächlich abgeschoben wird, steht auf einem anderen Blatt).

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Das Problem ist, dass viele Kritiker des Innenministers unbewusst das Spiel mitmachen. Auch sie beschwören mit Vorliebe die Schutzbedürftigkeit der Flüchtlinge. Natürlich haben sie Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass auch in Afghanistan Terror herrscht und der Kosovo bitter arm ist. Aber die Behauptung, dass nur die blanke Not die Menschen antreibt, ist unehrlich und falsch. Auch wenn in Syrien ein brutaler Krieg tobt, wandern Menschen nicht ziel- und planlos durch die Welt. Die meisten überlegen sich trotz ihrer schwierigen Lage sehr genau, was sie tun.

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Viele Staaten, darunter die Türkei (die mehr Flüchtlinge aufgenommen hat als Deutschland), bieten Schutz und trotzdem nehmen Tausende ganz bewusst die Gefahren und Strapazen auf sich, die die Weiterreise nach Nordeuropa mit sich bringt. Aus dem Kriegsflüchtling wird, wenn wir es so bezeichnen wollen, ein Wirtschaftsflüchtling. Warum sonst wollen die Menschen nach Schweden, Deutschland oder Österreich und bleiben z.B. nicht in Serbien (das übrigens große Anstrengungen zur Aufnahme der Durchreisenden unternimmt)? Anmaßend und arrogant wäre es, zu behaupten, nirgendwo sei die Bevölkerung so hilfsbereit wie in Deutschland. (In der Türkei gibt es Gebiete, in denen so gut wie jede Familie Flüchtlinge aufgenommen hat). Der Grund ist, dass es sich in den Ländern, in denen es gut bezahlte Arbeitsplätze gibt und insgesamt ein höherer Wohlstand herrscht, besser leben lässt. Damit aber sind wir wieder bei den Menschen aus dem Kosovo, die sich aus ähnlichen Gründen auf den Weg machen.

Das Streben nach Wohlstand und einem besseren Leben scheint mir positiv, zukunftsgewandt und hoffnungsvoll. Viele Hilfsorganisationen dagegen machen den Eindruck, als erfülle sie das mit Unbehagen. Sie fühlen sich wohler, die Menschen als schutzbedürftige Objekte und eben nicht als selbstbewusst handelnde Subjekte darzustellen. Keinesfalls soll der Eindruck entstehen, hier kämen Leute, die wohlstandsorientiert sind und womöglich auch noch konsumieren wollen (da sind sie sich übrigens mit dem Innenminister einig, der meint, Flüchtlinge dadurch diskreditieren zu können, dass sie Taxi fahren). Sollen Flüchtlinge in Zukunft nur noch ins Land, wenn sie auf Knien rutschend, um Mitleid betteln?

Statt mit ehrlichen und rationalen Argumenten für offene Grenzen zu streiten, wurde von wohlmeinender Seite viel zu lange auf den Mitleidseffekt gesetzt. Dabei wurde selbst auf fragwürdige mediale Mittel zurückgegriffen (die in anderen Zusammenhängen heftig kritisiert worden wären). So fällt z.B. auf, dass diejenigen Medien, die der Einwanderung positiv gegenüberstehen (wie die Berliner Zeitung, die ich abonniere) fast ausschließlich Fotos mit Kindern abbilden, wenn sie über das Flüchtlingsthema berichten (obwohl die meisten Flüchtlinge, auch aus Syrien, junge Männer sind). Das Schicksal der Kinder mag bei uns mehr Empathie wecken, aber wir sollten uns überlegen, ob die Botschaft, die wir mit einer solch selektiven Darstellung übermitteln richtig ist. Trägt sie dazu bei, die spalterische Aufteilung der Zuwanderer in besonders schutzwürdige und weniger schutzwürdige Gruppen zu überwinden? Jetzt, einige Wochen nach dem „September-Märchen“, da die Rede von Transitzonen und Abschiebelagern immer eindringlicher wird, zeigt sich, dass Mitleid allein nicht ausreicht, um die Flüchtlingskrise zu meistern. Emotionen ersetzen keine Politik!

Die Herausforderungen lassen sich nicht durch karitative Maßnahmen meistern. Was wir brauchen, sind Pläne für den massiven Ausbau von Wohnraum. Hinzu kommt, dass wir von den Zugezogenen verlangen sollten, möglichst schnell auf eigenen Beinen zu stehen. Vieles von dem, was von den Kommunen und Ländern initiiert wurde, geht in diese Richtung. Ermutigend ist, dass in Berlin wieder darüber debattiert wird, das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof für den Bau von Wohnungen zu nutzen. (Solange es sich eine Stadt ein Brachland von 355 Hektar in ihrem Zentrum leistet, ist das Gerede von den Kapazitätsgrenzen reiner Hohn). Aktuell Meinung

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  1. brennholzverleih sagt:

    @Matthias: danke zunächst für sachliche Argumente in ruhigem Ton!

    Ich stimme Ihnen weitgehend zu. Alle Armen und Ausgebombten des Planeten hierher zu holen wäre in mehrerer Hinsicht gar nicht gut.
    Ich möchte aber die ‚Gesellschaft‘ der *akut* hier Angekommenen nicht weiter spalten, sondern sie in ihrer Gesamtheit als Verbündete gewinnen.

    Die moralischen Aspekte Nächstenfürsorge, Verursacherprinzip und Klassensolidarität in dieser Reihenfolge sind für mich persönlich richtungsweisend. Davon ausgehend suche ich Wege der Umsetzung.
    Alle Kriege, Vertreibungen, Terror entstehen durch Ungerechtigkeit. Je extremer jene, desto extremer diese und eine existenzielle Ungerechtigkeit ist der Graben zwischen arm und reich. Global, in Europa und auch hier in Deutschland.

    Konkret möchte ich, daß Banken, Konzerne und Privat-Milliardäre sich großzügig an einem staatlich organisierten richtig mächtigen Konjunkturprogramm beteiligen. Sozialwohnungsbau, Infrastruktur, Bildung, Sozialarbeit für Kinder und Senioren, kommunale Versorgung usw. kämen Einheimischen wie Flüchtlingen gleichermaßen zugute. In Deutschland, aber durch Sogwirkung und Nachahmung auch ganz Europa, was wiederum die gesamt-europäische Solidarität der Menschen, Völker und Nationen stärken würde.
    Sogar die großzügigen Großsteuerzahler kämen zu realen Gewinnen durch die gestärkte Realwirtschaft. Ja, sogar Spekulanten müßten sich freuen, wenn sie einen Teil ihres Portfolios in reale Projekte auf einige Jahre riskieren.
    Und wenn wir all diese Strukturen sowieso erneuern, können wir auch gleich versuchen, sie so nachhaltig und flexibel entwicklungsfähig wie möglich zu gestalten. Z.B. Kollektiv- statt Individualverkehr, Energie-Effizienz statt Greenwashing, Homeworking und -learning.
    Nach 10 bis 20 Jahren Bildung (auch in Sozial- und Geisteswissenschaften) und Erfahrung können wir und die Flüchtlinge nach Bedarf und Wunsch in deren Ländern ebenso nachhaltig aufbauen.

    Krieg und Terror sind Zerstörung, dagegen zu sein hilft nicht, setzen wir Aufbau dagegen, Schöpfung.
    Ich denke , auch weltweit würde es starke Impulse zur Nachahmung geben, auch in China und Russland, die beide auch potent sind. Freilich gibt es Widerstände, aber die aktuelle Krise ist der beste Zeitpunkt, anzufangen und dazu ist mir jeder Flüchtling recht. *So* schaffen wir das!

    Es müßte natürlich genauer justiert werden und die Entschleunigung des Flüchtlingsstroms ist unerläßlich. Sie läßt sich besser umsetzen, wenn alle In- und Ausländer solch Perspektiven haben.

    So im Groben ist mein Wunsch und meine Vision. Visionen fehlen schon viel zu lange, auch bei Eliten und Spekulanten sehe ich keine lebenswerten.

    gruß brennholzverleih
    .

  2. Gabi sagt:

    „Mir wäre lieber, diese Menschen machen den Mund auf für den Sudan, Zentralafrika, Äthiopien oder Eritrea.“
    Genau so sehe ich es auch. Der Zuzug von z.B. Wohlstandsmigranten in Deutschland oder der EU ist nicht die Lösung für ihre Herkunftsländer.
    Machen wir die Tore noch weiter auf, dann sehen sich immer weniger Menschen verantwortlich für ihr eigenes Land und es entschließen sich noch mehr Menschen zu flüchten.
    Einfach alle Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen ist zwar menschlich nachvollziehbar, aber Kurzsichtig und bedenkt nicht die Folgen für Deutschland. Deutschland hat auch ein Recht, genauso wie andere Länder auch, für sich die Zuwanderung zu bestimmen. Ansonsten droht Ausverkauf und ein Wandel sämtlicher Werte.. Die deutsche Regierung hat die Aufgabe, umsichtig zu agieren und z.B. beim Waffenexport, ausbeuterischem Handel der deutschen Konzerne mit Drittländern usw. einen Riegel vorzuschieben. Und kann Entwicklungshilfe leisten.