Hintergrund
Kontingentflüchtlinge in Deutschland
Die Debatte um Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen konzentriert sich zunehmend auf die Schaffung von Kontingenten. Damit die Einwanderung gesteuert werden. Was das Instrument regelt, hat Bettina Markmeyer zusammengefasst.
Von Bettina Markmeyer Dienstag, 24.11.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.11.2015, 16:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Bundesregierung strebt im Rahmen einer gesamteuropäischen Übereinkunft und eines möglichen Abkommens mit der Türkei eine Kontingentlösung für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge an. Deutschland könnte auf diese Weise eine festgelegte Zahl von Syrern aufnehmen und von den Partnerländern dasselbe erwarten.
Kontingentlösungen seien in erster Linie ein Instrument „der qualitativen und quantitativen Steuerung“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin. Außerdem gewährten sie Flüchtlingen einen sicheren Weg nach Deutschland, weil sie dann nicht auf Schleuser angewiesen seien.
Jedwede Kontingentlösung schränkt indes das individuelle deutsche Asylrecht nicht ein. Die SPD-Spitze hat im Rahmen der Kontingent-Debatte bereits ausdrücklich betont, dass es dabei auch bleiben soll. Man wolle das Asylrecht nicht antasten, erklärten der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier Ende vergangener Woche in einem Spiegel-Beitrag.
Die Vergangenheit zeigt, dass Kontingente stets nur eine von vielen möglichen Strategien sind, auf Fluchtbewegungen oder humanitäre Notlagen zu reagieren. Die Möglichkeit Flüchtlinge im Rahmen einer Kontingentlösung aufzunehmen, ergriff die Bundesregierung zuletzt 2013, um zunächst 10.000 Syrer vorwiegend aus libanesischen Flüchtlingslagern nach Deutschland zu holen. Das Kontingent wurde 2014 noch einmal um 10.000 Personen erhöht und ist inzwischen ausgeschöpft. Rund 19.000 weitere Syrer kamen nach Angaben des Bundesinnenministeriums bis Ende September im Rahmen der Aufnahmeprogramme der Länder nach Deutschland. Jenseits dieser beiden Wege sind weiterhin Hunderttausende Syrer ins Land gekommen.
Kontingentflüchtlinge werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Sie erhalten eine Aufenthaltserlaubnis und, anders als Asylbewerber, sofort eine Arbeitserlaubnis. Außerdem haben sie Anrecht auf einen Sprach- und einen Integrationskurs. Ihr Aufenthalt kann zunächst befristet werden – wie es bei den syrischen Kontingentflüchtlingen der Fall war.
Bis zum Frühjahr 2010 nahm Deutschland 2.500 Iraker aus syrischen und jordanischen Auffanglagern als Kontingentflüchtlinge auf. Sie zählten mehrheitlich zu den verfolgten religiösen Minderheiten im Irak, darunter gut 1.100 Christen. Grundlage war ein Beschluss der EU-Innenministerkonferenz von 2008, 10.000 Irak-Flüchtlingen in Europa Zuflucht zu gewähren.
Es gab auch andere Kontingent-Lösungen jenseits der Nothilfe: Seit 1989 sind nach Angaben des Zentralrats der Juden 220.000 Menschen als Kontingentflüchtlinge aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion nach Deutschland gekommen. Etliche sind von hier aus in die USA und nach Israel weitergewandert.
1990 nahm Deutschland im Rahmen einer mit Hilfe der Vereinten Nationen ausgehandelten Kontingentlösung einen Teil der rund 5.000 Albaner auf, die noch vor dem Sturz des kommunistischen Regimes in Tirana europäische Botschaften besetzt hatten, um dem Land zu entkommen.
Die ersten Kontingentflüchtlinge in der Bundesrepublik waren Ende der 1970er Jahre 40.000 Vietnamesen, darunter viele Boat-People, die unter anderem von der „Cap Anamur“ gerettet worden waren. (epd/mig) Aktuell Politik
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