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Übersetzung © MiG, Screenshot aus google.de

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Zum unkritischen Umgang mit ehrenamtlicher Sprachmittlung

Das Dolmetschen im sozialen Sektor schneidet in Deutschland im internationalen Vergleich schlecht ab. Sprachmittler sind meist ehrenamtlich tätig. Dabei ist professionelle Sprachmittlung wichtig - ob in der Behörde oder beim Arzt. Von Lisa Jöris

Von Montag, 18.01.2016, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.01.2016, 17:26 Uhr Lesedauer: 9 Minuten  |  

Dass ohne ehrenamtliches Engagement selbst die Grundversorgung eines Großteils der Neuankommenden in Deutschland derzeit nicht mehr stemmbar wäre, ist wohl einer der wenigen Punkte, in denen weitgehend Einigkeit rund um das Thema der sogenannten „Flüchtlingskrise“ herrscht. Leider weniger Einigkeit besteht allerdings darüber, wie diese wertvolle Ressource effizient und vor allem nachhaltig genutzt werden kann – ein politischer Fahrplan diesbezüglich fehlt in vielen Bereichen vollends. Auch eine kritische Reflektion der Rolle des Lückenbüßers, in die das zivilgesellschaftliche Engagement in Zeiten der Engpässe an allen Ecken und Enden gedrängt wird, bleibt oftmals aus.

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Das offensichtliche Spannungsfeld: werden politische Versäumnisse kompensiert, wird Handlungsdruck von Entscheidungsträgern genommen; werden Hilfeleistungen aus eben diesem Grund unterlassen, trifft dies natürlich nicht die politischen Akteure. Auf lange Sicht betrachtet scheint dies zur Folge zu haben, dass in vielen Bereichen von vornherein auf Ehrenamtliche gebaut wird, eine Professionalisierung findet dann bereits gar nicht mehr oder nur noch teilweise statt. Dies betrifft unter anderem auch in hohem Maße den Bereich der Sprachmittlung. Hier erscheint es oftmals so, dass jede mehr oder weniger bilinguale Person geeignet sei, Sprachmittlungsaufgaben zu erledigen. Das dem jedoch nicht so ist und der Einsatz nicht-professioneller Sprachmittelnden höchst problematisch sein kann, zeigt eine genauere Analyse.

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Das Community Interpreting

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Die Institutionalisierung des Dolmetschens im sozialen Sektor, auch Community Interpreting (CI) genannt, schneidet in Deutschland im internationalen Vergleich schlecht ab. Die Translationswissenschaftlerin Sonja Pöllabauer charakterisiert ernüchtert die Situation in der Bundesrepublik als „gekennzeichnet durch einen Mangel an adäquaten Ausbildungs- und Akkreditierungsmöglichkeiten, terminologisches Chaos, Uneinigkeit unter den Praktikern, schlechte Arbeitsbedingungen, inakzeptable Entlohnung und mangelnde Anerkennung sowohl unter Kollegen (Konferenzdolmetscher) als auch Klienten“.

Die wenig fortgeschrittene Professionalisierung ist nicht zuletzt auf gesellschaftliche Machtverhältnisse, politische Interessen und natürlich auch finanzielle Mittel zurückzuführen. Um derzeit in Deutschland die wachsende Nachfrage in diesem Feld der Sprachmittlung zu decken, wird deswegen in hohem Maße auf Laiendolmetscher zurückgegriffen. Dies können nicht nur vermittelte Ehrenamtliche sein, sondern sind oftmals auch Freunde und Verwandte, vor allem Kinder, die in der Regel schneller die Sprache erlernen als ihre Eltern. Besonders problematisch wird es dann, wenn Kinder Situationen ausgesetzt sind, die sogar für Geschulte eine Herausforderung darstellen.

Rechtliche Situation

Rechtlich gesehen haben Asylbewerber oder anerkannte Geflüchtete nur in einigen Situationen das Recht auf professionelle Sprachmittlung – für Menschen mit anderen Aufenthaltstiteln sieht es keineswegs besser aus. Laut § 17 (1) des Asylverfahrensgesetz haben Asylsuchende beispielsweise das Recht auf einen Dolmetscher bei ihrer Anhörung, wenn sie „der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig“ sind. Auch bei einer polizeilichen Anhörung und während Zwischenverhandlungen haben sie das Recht auf einen Dolmetscher (siehe EU-Richtlinie 2010/64/EU). Doch nicht nur Anhörungen im Asylprozess sind klassische Dolmetschsettings, insbesondere im Gesundheitsbereich oder bei Behörden sind viele Menschen, ganz gleich, welchen Stauts, auf Sprachmittlung angewiesen. In (auf deutsch verfassten) Schreiben des Jobcenters werden Migranten aufgefordert, zu ihren Terminen mit Dolmetscher vorzusprechen, bei Nicht-Erscheinen werden Leistungen gemindert. Auf Anträge, einen Dolmetscher von Seiten der Behörde zur Verfügung gestellt zu bekommen, wird bisweilen mehr oder weniger direkt darauf verwiesen, dass es bis jetzt auch irgendwie ohne funktioniert habe.

Was den Gesundheitsbereich betrifft, so sieht das Ende Februar 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz vor, dass aufklärungspflichtige Ärzte gewährleisten müssen, dass Patienten, die nicht-deutsche Muttersprachler sind, der Aufklärung sprachlich folgen können. Hierzu muss unter Umständen ein Sprachmittler hinzugezogen werden, es besteht aber auch die Möglichkeit, Patienten an Krankenhäuser zu verweisen, die über spezielle Budgets für Dolmetschleistungen verfügen. Da Ärzten diese Abrechnungsmöglichkeit derzeit hingegen noch nicht zur Verfügung steht, wird in der Praxis jedoch in den weitaus selteneren Fällen im Gesundheitsbereich professionell gedolmetscht.

Kommunikationsnormen und Bezugsrahmen

Die Konsequenz: oftmals werden Menschen aus dem eigenen Umfeld angefragt, die evt. selbst eine der beiden Sprachen nicht fließend beherrschen und ggf. ebenfalls nicht in Deutschland aufgewachsen sind. Auf paralingualer Ebene ist das insofern problematisch, als dass dann der „Bezugsrahmen der DolmetscherInnen […] oft ähnlich gestaltet [ist] wie jener der Non-Native-Speaker-KlientInnen, wodurch sie eine Situation oftmals völlig anders interpretieren als Einheimische.“

Clifford illustriert anhand eines Beispiels zudem die Relevanz kulturellen Wissens: an einer Situation in einer Artzpraxis in Kanada sind ein Onkologe (Muttersprache Englisch), ein älterer Patient, der nur kantonesisch spricht, seine erwachsenen Kinder, die fließend kantonesisch und etwas Englisch sprechen, sowie ein Dolmetscher beteiligt. Der Arzt legt die Diagnose des Patienten auf englisch dar: Leberkrebs mit geringer Überlebenschance. Als er eine Übersetzung des Dolmetschers erwartet, greifen jedoch die Kinder des Patienten ein und bitten ihn eindringlich, ihren Vater aus Respekt nicht in Kenntnis zu setzen. Der Arzt aber fordert die Entscheidung des Patienten, entweder eine schmerzhafte aber wenig erfolgversprechende Behandlung oder eine palliative Therapie durchzuführen und drängt den Dolmetscher, zu übersetzen. Clifford untersucht ausführlich die Problemfelder, die durch die verschiedenen Sozialisationen und kulturellen Hintergründe der Anwesenden in dieser Situation entstehen und wie es letztendlich dem Dolmetschenden obliegt, diese aufzulösen.

So erstellt auch der Bundesverband für Übersetzer und Dolmetscher e.V. eine Checkliste für kompetente Dolmetscher im Gesundheitswesen: „[sie] verstehen Fachbegriffe, geben das Gehörte simultan oder zeitversetzt nach einigen Sätzen umfassend und korrekt wieder, beherrschen sowohl die Sprache des medizinischen Fachpersonals als auch des Patienten sehr gut, erklären kulturelle Unterschiede, sind unparteilich/allparteilich (vertreten nicht die Interessen der einen oder anderen Seite), zeigen Empathie und professionelle Distanz, kennen die Gepflogenheiten im Krankenhaus“. Die Zahl der derzeit alleine in Deutschland aktiven ehrenamtlichen Sprachmittler – und hierzu möchte ich an dieser Stelle auch Verwandte und Bekannte der Klienten, zufällig Anwesende, zweisprachiges Personal, etc. zählen – die über diese Schlüsselqualifikationen verfügen, dürfte nicht besonders hoch sein. Aktuell Feuilleton Meinung

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  1. J. R. Schmid sagt:

    Wow, danke für diesen Artikel. Als Arabisch-Student und sporadischer ehrenamtlicher Sprachmittler (manchmal mit Vorbereitung, manchmal wider Willens) finde ich mich hier in jedem Absatz wieder. Immerhin haben wir an der Uni für die Bachelor-Studenten jetzt auch ein CI-Modul, aber da wäre noch so viel Bedarf, insbes. da ja nicht alle in zwei oder mehr Sprachen kompetenten Menschen Studenten sind. Und wenn es die Volkshochschulen wären, aber irgendwoher braucht es hier Kompetenzbildung.