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Buchtipp zum Wochenende

„Nationale Egoismen in der Flüchtlingskrise aufgeben“

Sozialethikerin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins warnt in ihrer Studie vor Grenzschließungen. Sie fordert eine Einigung auf ethische Maßstäbe und gemeinsames Einwanderungsrecht in Europa. Eine Lösung sieht sie in der Fluchtursachenbekämpfung.

Freitag, 29.01.2016, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 31.01.2016, 18:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vor „nationalen Egoismen“ in der Flüchtlingspolitik warnt die Sozialethikerin und katholische Theologin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Die europäischen Staaten sollten sich dringend auf ethische Maßstäbe zur Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge einigen, statt ihre Grenzen zu schließen, sagt die Autorin der jüngst erschienenen Studie „Grenzverläufe gesellschaftlicher Gerechtigkeit“. Jeder Schutzsuchende habe einen menschenrechtlichen Anspruch auf Hilfe. „Das gemeinsame Menschsein wiegt schwerer als politische Grenzen.“ Auch dürfe der Westen nicht vergessen, welchen Anteil sein koloniales Erbe an den Fluchtursachen habe. „Wichtig ist ein gemeinsames europäisches Einwanderungsrecht mit transparenten Regeln, das Flüchtlinge nicht erneut kriminalisiert.“

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Die europäische Zusammenarbeit in der Asylpolitik nennt die Sozialethikerin „niederschmetternd“. Das Dubliner Übereinkommen widerspreche dem Solidaritätsgedanken. Es fehle an gemeinsamen Standards in der Behandlung von Asylbewerbern. Auch der unterschiedliche Finanzdruck der Länder werde nicht ausgeglichen. „Mit Blick auf die anhaltende humanitäre Katastrophe im Mittelmeer sind verlässliche Kooperationen zwischen Transit- und Aufnahmestaaten und legale Einwanderungsmöglichkeiten nötig.“

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Mehr gegen die Fluchtursachen tun

Um den Flüchtlingszuzug zu begrenzen, müsse Europa mehr gegen die Fluchtursachen tun, so die Theologin. „Die humanitäre und wirtschaftliche Lage in den Herkunftsregionen ist verheerend.“ Eine Migrationspolitik, die christlich-sozialethischen Kriterien folge, dürfe nicht von den Fluchtauslösern wie den Krisen in Nahost und Afrika absehen. „Letztlich liegt der Schlüssel in einer gerechten Wirtschafts- und Handelsordnung, einer internationalen Friedenspolitik und einer nachhaltigen Klima- und Umweltpolitik.“

In der Integrationspolitik der europäischen Länder sollten alle Akteure besser kooperieren, Unternehmen und Bildungsinstitutionen, Medien, Kirchen, Religionsgemeinschaften und die Zivilgesellschaft, so die Theologin. „Ziel sollte es sein, den Flüchtlingen ein selbstbestimmtes Leben in Sicherheit zu ermöglichen.“ Zugleich sei eine gerechtere Lastenverteilung in der Bevölkerung nötig. „Wer jedoch pauschal darauf pocht, dass die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht seien, betreibt einen Alarmismus, der Ängste erst schürt“. Rechte politische Kräfte betrieben ein „perfides Spiel mit der Unsicherheit in Teilen der Bevölkerung“. Zugleich könne die Politik aber auf ein hohes „Solidaritätspotential“ bauen, das sich in Spenden, Flüchtlingspatenschaften, ehrenamtlichem Sprachunterricht und Kinderbetreuung ausdrücke. „Das ist ein Stabilitätsanker im unumkehrbaren Wandel zur Einwanderungsgesellschaft.“

Weitere Themen der Studie

In der Studie „Grenzverläufe gesellschaftlicher Gerechtigkeit“ befasst sich die Autorin auch mit der weltweiten Mobilität, mit der Einwanderung nach Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und mit verschiedenen Typen moderner Migration. Sie erörtert die Bedeutung von Grenzen und Zugehörigkeiten, darunter die Hierarchisierung des Andersseins, multiple Zugehörigkeiten und prekäre Beteiligungsrechte. Die Ethikerin entwickelt zudem biblische und sozialphilosophische Kriterien einer gerechten Migrationsethik sowie ethische Konturen einer Integrationspolitik.

Einen Einblick in das Schlusskapitel des Buches mit Ethik-Kriterien bietet der Vorabdruck „Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik – Ethische Prüfsteine“ auf der Website des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften (ICS) der WWU. Er ist in der Reihe „Sozialethische Arbeitspapiere des ICS“ erschienen. Prof. Dr. Heimbach-Steins ist Direktorin des ICS und leitet am Exzellenzcluster das Projekt C2-10 „Kritik von innen. Modelle sozialen Wandels in der katholischen Kirche“. (ska/vvm/mig) Aktuell Feuilleton

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