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Staatsschutz ermittelt

Streit um „Raum der Stille“ in Dortmund

Weil Muslime den interreligiösen "Raum der Stille" an der TU Dortmund für sich vereinnahmt hatten, wurde der Gebetsraum geschlossen. Kritiker witterten Diskriminierung. Einer von ihnen erhielt nun eine Droh-Mail - der Staatsschutz ermittelt.

Freitag, 12.02.2016, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.02.2016, 20:18 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Um den mittlerweile geschlossenen „Raum der Stille“ an der Technischen Universität (TU) Dortmund gibt es weiter Streit: Der Staatsschutz hat Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Beleidigung aufgenommen, wie eine Sprecherin der Dortmunder Polizei am Donnerstag erklärte. Einer der drei Initiatoren einer Petition gegen die Schließung soll eine Mail mit fremdenfeindlichen Äußerungen erhalten haben. Die Petition an die Leitung der Universität gegen die Schließung des interreligiösen Gebets- und Ruheraums hatte über 400 Unterschriften erhalten und wurde Ende Januar an das Rektorat der Uni geschickt.

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Um den „Raum der Stille“, der für Gläubige aller Religionen bestimmt war, gibt es seit Jahresanfang einen heftigen Streit. Die Hochschulleitung hatte den Raum geschlossen, weil muslimische Gläubige dort Koranbücher und Gebetsteppiche ausgelegt hatten. Das verstoße gegen die in den Nutzungsbedingungen verankerte weltanschauliche Neutralität des Ortes, sagte Uni-Sprecherin Eva Prost dem epd.

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Im Januar hatten Muslime den Raum nach Prosts Worten zudem in Bereiche für Frauen und Männer abgetrennt. Als Studentinnen beim Eintritt aufgefordert wurden, sich nur in den Bereich für Frauen zu begeben, schalteten sie zunächst die Hausverwaltung der Uni ein. Mit dem Rektorat wurde dann die Schließung angeordnet. „Die abgetrennten Räume entsprechen nicht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes“, betont Sprecherin Prost.

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In einem offenen Brief zu der Schließung erinnerte das Rektorat Anfang Februar an die Nutzungsbestimmungen des Raums. Darin heißt es, dass der Ort „den Mitgliedern der TU Dortmund die ungestörte individuelle Glaubensausübung (Gebet), Meditation, ein Zurruhekommen“ ermöglichen solle. Rücksichtsvolles und kompromissbereites Verhalten sei unerlässlich. Religiöse Symbole und Gegenstände sollten nicht angebracht werden. „Der Besucher darf zwar Gebetsbücher mitbringen, aber nur zum persönlichen Gebrauch während des Aufenthaltes“, sagte Prost.

Die Gegner der Schließung beklagen in ihrer Petition, sie würden durch den Schritt diskriminiert und Muslime unter Generalverdacht gestellt. Diesen Vorwurf weist die Hochschule entschieden zurück: „Es ist vielmehr so, dass es durch den Raum selbst zu Diskriminierungen kommt, wenn Frauen nur ein bestimmter Bereich vorbehalten bleibt“, sagte Prost.

Bereits 2012 hatte die Uni-Leitung den Gebetsraum vorübergehend geschlossen, damals hatte es ähnliche Probleme gegeben. Man betrachte jetzt den Versuch, einen neutralen und allen Glaubensrichtungen in gleicher Weise offen stehenden Ort zu schaffen, als gescheitert an, heißt es in dem offenen Brief.

Kritik an der Schließung kam auch vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der TU Dortmund. Man bedauere nicht nur die Schließung des Raumes, sondern auch, dass die Hochschule ihr Vorgehen nicht mit dem Asta abgestimmt habe, hieß es in einer Stellungnahme. Zu den aktuellen Ermittlungen des Staatsschutzes wollte sich der Studierendenausschuss auf Anfrage nicht äußern.

Der „Raum der Stille“ soll laut Rektorat künftig wieder der Forschung und Lehre dienen. Erwogen wird auch, das Zimmer auf Wunsch von Studierenden als Ruheraum der anderen Art zu nutzen – als Erholungsort für Studenten mit kleinen Kindern. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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  1. Magistrat sagt:

    Hier eine Stellungnahme der betroffenen Muslime, auch interessant http://www.ramsa-deutschland.org/stimmen/zur-schliessung-des-raumes-der-stille-an-der-tu-dortmund

    … et aude idem altera pars

  2. Petra M. sagt:

    Die Aufregung über die Teilung des Raums halte ich für gekünstelt.

    Selbstverständlich ist es weiterhin möglich, in den Räumen etwa dem christlichen Gebet oder einer Meditation nachzugehen. Wer sagt denn, das zwei nebeneinanderliegende Räume der Gleichberechtigung widerstreben? Ist denn einer dieser Räume hervorgehoben oder hierarchisch höher als der andere?

    Das nebeneinander Beten hat viel mit Toleranz zu tun, und an vielen Orten der Welt klappt das auch. Wer ein bisschen herum reist sieht schnell, dass in einigen Gebetsräumen, Kirchen oder Tempeln der Erde verschiedene Götterstatuen und Gebetsgegenstände nebeneinander Platz finden, und Gebetsrituale oder Messen sogar gleichzeitig abgehalten werden. Ich habe Videos erstellt, die genau das zeigen. Und an vielen Orten funktioniert das friedlich, ohne dass sich der Eine am Anderen stört. Durch Gebetsteppiche und eine räumliche Einteilung nach Geschlecht wird keine Religion die mir bislang bekannt ist (und ich kenne als Ethnologin weit mehr als die Weltreligionen im Detail) diskriminiert oder an ihrer Ausübung gehindert.

    An der National Taiwan University of Science and Technology in Taiwan gibt es aufgrund der hohen Anzahl von indonesischen Studierenden sogar einen rein muslimischen Gebetsraum, obwohl die Bevölkerungsmehrheit eher den chinesischen Volksreligionen oder dem Christentum angehört. In der Kantine gibt es einen speziellen Bereich mit als ‚halal‘ gekennzeichnetem Essen. Niemand stört sich daran oder protestiert, denn das Essen ist für jeden genießbar und Gebetstempel gibt es, genauso wie hierzulande Kirchen, an jeder Ecke.

    Man kann sich über solche Dinge aufregen, aber die Frage, ob der Sachverhalt wirklich ungerecht oder untragbar ist oder ob man sich nicht einfach nur an der Präsenz des Fremden, vermeintlich Schlechteren(?) stört und eigene Ängste und Vorurteile involviert sind, muss man sich dann schon gefallen lassen.

  3. WachesAuge sagt:

    Definition :“Ein Raum der Stille ist ein überkonfessioneller Ort der Einkehr. Die Räume befinden sich an Orten, an denen viele Menschen verkehren, wie zum Beispiel Bahnhöfen, Flughäfen, Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen.“ Und diese Orte im öffentlichen Raum haben Regeln. Wer sich an diese Regeln nicht hält, und andere an der freien Ausübung ihrer Einkehr beziehungsweise ihres Innehaltens hindert, dabei muss von Religion noch nicht einmal unbedingt die Rede sein, muss mit Folgen für diesen Regelverstoß rechnen. Ein Raum der Stille im öffentlichen Raum kann auch nicht von einer Religionsrichtung okkupiert werden, sondern dient eigentlich allen in gleicher Weise, natürlich auch Frauen und Männern. Sollten die Menschen muslimischen Glauben einen speziellen Ort für sich suchen, so müssen sie diesen entweder selbst finanzieren oder öffentliche Träger fragen, ob er Ihnen einen solchen Raum zur Verfügung stellen kann.
    In diesem Falle scheint der Wunsch einen allgemeinen Raum der Stille zu okkupieren und mit eigenem Regelwerk zu überstülpen größer zu sein als die Religion ausüben zu können. Das macht den schlechten Eindruck!

  4. Sebaldius sagt:

    @Petra M.:
    Auch wenn einige hier es nicht hören wollen, aber dieses Projekt eines Ruheraumes für _alle_ Menschen ungeachtet ihrer Religion ist nicht gescheitert an den Buddhisten, Christen oder Juden an dieser Uni, sondern ausschliesslich nur an einigen Angehörigen des islamischen Glaubens.

    Denn es waren eben nicht die Buddhisten, die in diesem Raum Trennwände eingebaut haben, und es waren definitiv auch nicht die Christen, die weiblich und männlich separieren wollten, und es waren ganz klar auch nicht die Juden, die ihre heiligen Schriften dort ausgelegt haben. Das alles haben ausschliesslich nur die Muslime getan. Und sie haben es getan im vollen Bewusstsein, dass sie damit im Widerspruch stehen zum Sinn, zum Zweck und zur eigentlichen Bestimmung dieses Raumes.

    Und noch einmal: Dieser Raum ist 20 Quadratmeter gross. Und er sollte für _alle_ Menschen zur Verfügung stehen, auch den Atheisten. Um dort Ruhe finden zu können und eine Zeit zu haben für Meditation, Besinnlichkeit, und innerer Einkehr.

    Aber genau das funktioniert eben nicht. Und zwar deswegen nicht, Weil einige Muslime sich diskriminiert fühlen. Und sie fühlen sich deswegen diskriminiert, weil man ihnen nicht zugestehen will, gleich eine Hälfte des Raumes für sich selbst und ihren Islam beanspruchen zu dürfen. Und zwar unter Ausschluss aller Nicht-Muslime. Aber genau das ist doch eine Diskriminierung gegenüber allen anderen Nicht-Muslimen.

    Die Universitätsleitung hat sich in ihrem öffentlichen Schreiben anlässlich der Schliessung dieses Raumes auf Grundgesetz Artikel 3 berufen. Das ist vollkommen richtig. Es sind immer wieder solche Vorfälle wie dieser hier, die den Schluss nahelegen, dass die deutsche Verfassung und der Islam nicht kompatibel sind.