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Armutsbericht 2016

Armutsrisiko unter Migranten weiter auf hohem Niveau

Das Armutsrisiko in Deutschland bleibt für Migranten und Ausländer weiterhin hoch, obwohl es der Wirtschaft gut geht. Ursächlich sind unter anderem Benachteiligungen im Bildungssystem. Nur im langfristigen Vergleich zeigen sich leichte Verbesserungen.

Mittwoch, 24.02.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Armut wandert nach Westen und betrifft zunehmend die Alten in Deutschland. Trotz der guten Wirtschaftsentwicklung bleibt das Armutsrisiko weiterhin hoch, wie aus dem „Bericht zur Armutsentwicklung 2016“ hervorgeht, den der Paritätische und weitere Verbände am Dienstag in Berlin vorstellten. Danach gehören rund 12,5 Millionen Menschen zu den Risikogruppen. Erwerbslose, Migranten, Ausländer, Alleinerziehende und Rentner sind besonders gefährdet. In der regionalen Verteilung entwickelt sich das Ruhrgebiet im Westen der Republik zur neuen Armutsregion.

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Bundesweit lag die Armutsrisikoquote im Jahr 2014 bei 15,4 Prozent und damit 0,1 Prozentpunkte unter dem Niveau von 2013. Ob der leichte Rückgang ein Indiz dafür ist, dass das Armutsrisiko insgesamt nicht weiter zunimmt, lasse sich anhand dieser Zahl noch nicht sagen, erklärten die Verbände. In den vergangenen zehn Jahren ist die Quote kontinuierlich gestiegen. Die Kinderarmutsquote liegt mit 19 Prozent weiterhin deutlich über dem Durchschnitt. Die Hälfte dieser Kinder lebt im Haushalt eines alleinerziehenden Elternteils. Erstmals liegt auch die Armutsrisikoquote von Rentnern mit 15,6 Prozent über dem Durchschnitt.

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Diskriminierung im Bildungssystem

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Auch bei Menschen mit Migrationshintergrund liegt diese Quote deutlich über dem Durchschnitt (26,7 Prozent). Zum Vergleich: Menschen ohne Migrationshintergrund sind mit 12,7 Prozent deutlich seltener vom Armutsrisiko betroffen. Besorgniserregend ist das Risiko bei Ausländern. Hier ist fast jeder Dritte (32,5 Prozent) betroffen. Im Langfristigen Vergleich zeigen sich allerdings Besserungen: die Armutsquote von Ausländern lag im Jahr 2005 noch bei 34,3 Prozent, bei Migranten mit deutschem Pass bei 28,2 Prozent.

Trotz leichter Verbesserungen attestiert der Bericht der Politik Untätigkeit. „Der politisch wohl gravierendste statistische Befund“ dürfte der sein, dass sich bei den Risiko-Gruppen im 9-Jahresvergleich „so gut wie nichts bewegt“ habe, trotz alljährlich neuer politischer Diskussionen und Bekenntnisse zum gegebenen Handlungsbedarf. Eine Hauptursache für das höhere Armutsrisiko von Menschen mit Einwanderungsgeschichte seien Benachteiligungen im Bildungssystem. Insofern sei „es nicht verwunderlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur restlichen Bevölkerung überdurchschnittlich von Armut betroffen sind“, heißt es im Bericht.

Politische Fehlentscheidungen erhöhen Armutsrisiko

Die Ankunft von mehr als einer Million Flüchtlinge wirkt sich laut Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, auf die Armutsstatistik erst aus, wenn die Menschen in eigenen Haushalten leben. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, warnte, politische Fehlentscheidungen bei der Integration der Flüchtlinge erhöhten das Armutsrisiko für diese Gruppe später drastisch.

Download: Der „Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2016“ kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.

Unter den Bundesländern verzeichnen Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern die am stärksten sinkenden Armutsquoten, während die Armutsrisikoquote im Ruhrgebiet auf den Höchststand von 20 Prozent geklettert ist. Insgesamt standen neun Länder 2014 besser da als im Vorjahr, am stärksten haben dem Bericht zufolge die Länder aufgeholt, die die höchsten Armutsrisikoquoten haben.

Opposition fordert höhere Hartz-IV-Sätze

Die Ausnahme bildet Nordrhein-Westfalen. In dem bevölkerungsreichsten Bundesland verzeichnet der Bericht seit Jahren eine Negativentwicklung. Die Armutsrisikoquote stieg allein von 2013 bis 2014 um 0,4 Prozentpunkte auf 17,5 Prozent und liegt damit deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt.

Die Armutsschwelle ist von Land zu Land verschieden. EU-weit gilt, dass armutsgefährdet ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. In Deutschland liegt die Schwelle für Alleinstehende bei 917 Euro im Monat, für einen alleinerziehenden Elternteil mit einem Kind unter sechs Jahren bei 1.192 Euro und für ein Paar mit einem kleinen Kind bei 1.651 Euro. Die Schwelle variiert nach dem Alter der Kinder und beträgt etwa für Paare mit zwei älteren Kindern rund 2.100 Euro.

Der Paritätische gibt den Armutsbericht regelmäßig heraus. Erstmals haben sich weitere Verbände beteiligt, darunter das Deutsche Kinderhilfswerk, die Volkssolidarität und Pro Asyl. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, erklärte, es sei eine Schande, dass trotz Wirtschaftsboom rund 12,5 Millionen Menschen an der Armutsschwelle leben müssen. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Wolfgang Strengmann-Kuhn, forderte höhere Hartz-IV-Regelsätze, eine Kindergrundsicherung und Garantierenten, um die Armut zu bekämpfen. Der Sozialverband VdK verlangte eine Anhebung des Mindestlohns von derzeit 8,50 Euro. Auch Niedrigverdiener müssten eine Rente oberhalb der Armutsschwelle erwirtschaften können. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel Studien

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