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Expertin

Pöbelnde Mobs können Traumata verstärken

Flüchtende hoffen auf Ruhe und Schutz, wenn sie nach einer langen und gefährlichen Reise das Zielland erreicht haben. Finden sie aber Unruhe vor und werden angefeindet, kann das tiefgreifende psychische Folgen haben, ist Expertin Windgasse überzeugt.

Von Gabriele Fritz Donnerstag, 25.02.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.02.2016, 16:52 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Wenn aggressive Mobs vor Flüchtlingsheimen pöbeln oder wie jüngst im sächsischen Clausnitz einen Bus mit Flüchtlingen bedrängen, dann können nach Experteneinschätzung bestehende Traumata verstärkt werden. Denn auf eine solche Situation könnten sich die Menschen – anders als bei der Vorbereitung auf die Flucht – nicht einstellen, sagte Annette Windgasse, Leiterin des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge in Düsseldorf, dem Evangelischen Pressedienst. Die Flüchtlinge erlebten eine solche Situation als besonders schockierend und überraschend.

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„Traumatisierte Kinder und Erwachsene brauchen Sicherheit“, unterstrich Windgasse. Menschen, die die Flucht hierher geschafft hätten, hofften bei ihrer Verteilung in die Unterkünfte an neuen Orten auf Ruhe und Schutz. Wenn sie dann eine Bedrohung erlebten, werde das Sicherheitsgefühl erschüttert. Hinzu komme der nachträgliche Umgang in Politik und Gesellschaft mit solchen Vorkommnissen und die Kommunikation mit den Betroffenen.

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„Die Menschen aus dem Clausnitzer Bus wissen ja nicht, ob ihnen die Teilnehmer des Mobs erneut begegnen, wenn sie durch den Ort gehen“, sagte Windgasse. Den Flüchtlingen müsse erklärt werden, was passiert und wie es einzuordnen sei. Auch wäre es hilfreich, wenn sich der Polizist, der einen Flüchtlingsjungen unter Anwendung von Gewalt aus dem Bus holte, persönlich bei dem Kind entschuldigen und ihm den eigenen Stress und die Gesamtsituation erklären würde.

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Flüchtlingskinder aus Kriegsgebieten erleben der Expertin zufolge häufig, dass ihnen Erwachsene und ihre Eltern keinen Schutz geben können und diese genauso hilflos sind wie sie selbst. Viele dieser Kinder kehrten dann die Rollen um und übernähmen die Beschützerrolle für ihre Eltern. Damit seien sie natürlich überfordert, auch wenn sie nach außen hin scheinbar gut „funktionieren“, sagte die langjährige Leiterin des Psychosozialen Zentrums.

In der Arbeit mit traumatisierten Kindern und Erwachsenen werde versucht, die eigenen seelischen Kräfte, die sogenannte Resilienz, zu stärken, erläuterte die Traumaexpertin. Kinder könnten sich unter guten Umständen von schlimmen Erlebnissen schneller erholen als Erwachsene. Entscheidend dafür sei weniger der Zeitpunkt und die Schwere des Erlebnisses als vielmehr die Zeit danach.

Die Begegnung mit verständnisvollen Menschen etwa könne zentral dafür sein, trotz der schrecklichen Vergangenheit ein erfülltes Leben als Erwachsener führen zu können. Hier gebe es durchaus Anlass für einen „therapeutischen Optimismus“, wenn die Lebensbedingungen stimmen, sagte Windgasse.

Das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge betreute allein im vergangenen Jahr 145 minderjährige Flüchtlinge aus 35 Ländern in einer Therapie. Die Einrichtung wird von der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Diakonie gefördert. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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  1. Die Rosi sagt:

    Naja, diese Haltung gegenüber Ausländern ist ja nun nicht etwas ganz neues da unten in der Ecke (Sachsen). Hier mal ein „aufschlussreiches“ Interview aus den 1990er Jahren:

    http://goo.gl/DYNNqO