Rechtsstaat gegen rechte Gewalt
Justizminister beraten über wirksamere Strafverfolgung
Bundesjustizminister Maas hat seine Kollegen aus den Ländern zum Justizgipfel gegen rechte Gewalt eingeladen. Sie sollen beraten, wie es gelingen kann, mehr Hetzer, Schläger und Brandstifter zu fassen. Derzeit kommen viele ungestraft davon.
Von Corinna Buschow Donnerstag, 17.03.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.03.2016, 17:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
158 rechtsextreme Gewalttaten im Januar, bis Mitte vergangener Woche allein 26 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte: Das Ausmaß rechter Gewalttaten erschüttert Politik und Zivilgesellschaft. Seit dem vergangenen Jahr ist die Zahl der Straftaten drastisch gestiegen. Mehr als 1.000 Angriffe auf Asylheime gab es laut Bundesinnenministerium 2015 – nach knapp 200 im Jahr zuvor. Verdächtige präsentiert die Polizei nur selten, wenige Täter werden verurteilt. „Wenn man das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen sieht, scheint es oft nicht einmal gelungen, den Täterkreis wenigstens einzukreisen“, bilanziert Uwe-Karsten Heye, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen!“.
Dieses Manko ist eines der Themen, die am Donnerstag bei einem von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einberufenen Gipfel in Berlin auf den Tisch kommen sollen. Maas hat die Justizminister der Bundesländer eingeladen, um zu beraten, wie die Justiz besser für rechtsextreme Straftaten sensibilisiert werden kann, ob mehr Ressourcen für die Strafverfolgung gebraucht werden und ob etwa Schwerpunktstaatsanwaltschaften die Verfolgung effizienter machen können.
„Es ist nicht zuletzt Aufgabe der Justiz, Sicherheit zu schaffen und Menschen vor Gewalt wirksam zu schützen“, heißt es in der Einladung des Ministers. Maas formuliert darin seine Ziele: Fremdenfeindliche Straftaten sollen besser verhindert, rascher aufgeklärt und konsequenter geahndet werden. Heye formuliert es so: „Die Täter, in deren Köpfen die Molotowcocktails wachsen, dürfen nicht das Gefühl haben, man kriege sowieso nicht raus, wer den am Ende wirft.“
Dass nach aufsehenerregenden Taten wie etwa den Brandstiftungen in Tröglitz, Bautzen und anderen Orten keine Täter geschnappt wurden, sorgt für Unzufriedenheit. Statistiken über die Zahl der Verurteilungen gibt es allerdings nicht – ein weiterer Punkt, der geändert werden sollte, hieß es vor dem Treffen am Donnerstag aus dem Justizministerium. Uwe-Karsten Heye präsentiert eine Zahl, die nachdenklich macht. Mehr als 300 rechtsextreme Straftäter, gegen die ein Haftbefehl vorliegt, seien in Deutschland abgetaucht.
Dem Vorsitzenden eines der bekanntesten Vereine gegen Rechtsextremismus ist für das Treffen am Donnerstag ein weiterer Punkt wichtig: der Hass im Netz. Die Kampagne der Rechten finde im Netz statt, sagte Heye dem epd. Er spricht von „Hassmails von unglaublicher Gemeinheit“, von unerträglichen Postings – meistens versteckt hinter anonymen Usernamen. „Die digitalisierte Gesellschaft und Medienlandschaft dürfen kein rechtsfreier Raum bleiben“, sagte er. Man müsse bei großen Konzernen wie Facebook und Google durchsetzen, „dass nur das im Netz steht, hinter dem eine klare Identität zu erkennen ist“.
Im grenzüberschreitenden Internet ist das leichter gesagt als getan. Internationale Konzerne fühlen sich nicht automatisch an deutsches Recht gebunden. Maas drängt Unternehmen wie Facebook seit längerem zu einem konsequenteren Vorgehen. Zunächst zäh gestartet, gibt es zumindest erste Erfolge des Dialogs. Die Konzerne haben sich verpflichtet, Hasskommentare binnen 24 Stunden zu löschen. Facebook hat eine Initiative gestartet, um Organisationen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung dabei zu unterstützen, mit sogenannter Counterspeech den Hassrednern in den sozialen Netzwerken verbal Paroli zu bieten. Kritikern fehlen aber weiter verbindliche Regelungen zum Umgang mit menschenverachtenden Inhalten.
Die drei Grünen-Justizminister Antje Niewisch-Lennartz (Niedersachsen), Till Steffen (Hamburg) und Dieter Lauinger (Thüringen) haben in einer Erklärung vor dem Gipfel zudem mehr Anstrengungen im Bereich Opferschutz und Prävention gefordert. Urteile und Verbote allein würden nicht weiterhelfen, erklärte Lauinger. Bildungs- und Aussteigerprogramme würden gebraucht. Auch für die Finanzierung hat Lauinger einen Vorschlag: Es sollten die Mittel genutzt werden, die im Falle eines NPD-Verbots bei der staatlichen Parteienfinanzierung eingespart werden. (epd/mig) Aktuell Politik
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