Schmäh-Gedicht

Erdoğan stellt Strafantrag gegen Böhmermann

Jan Böhmermann hat sich mit seinem Schmähgedicht doppelten Ärger eingehandelt. Der türkische Präsident Erdoğan hat zusätzlich zum Strafverlangen der türkischen Regierung einen persönlichen Strafantrag gegen Böhmermann wegen Beleidigung gestellt.

Montag, 11.04.2016, 14:56 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.04.2016, 17:49 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das Schmähgedicht von Jan Böhmermann gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wird ein juristisches Nachspiel haben. Wie MiGAZIN aus informierten Kreisen in Ankara erfuhr, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan über eine Münchener Rechtsanwaltskanzlei einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Mainz gegen Böhmermann wegen Beleidigung eingereicht.

Damit liegt der Staatsanwaltschaft ein persönlicher Strafantrag im Rahmen des allgemeinen Beleidigungsdeliktes (§ 185 Strafgesetzbuch) vor, das Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht. Mit diesem Strafantrag wird die Staatsanwaltschaft gegen Böhmermann ermitteln, unabhängig davon, ob die Bundesregierung dem Strafverlangen der türkischen Regierung grünes Licht gibt.

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Letzteres ist in einem speziellen Strafrechtsparagrafen geregelt (§ 103 StGB). Es setzt die Ermächtigung zur Strafverfolgung der Bundesregierung voraus. Sofern die Bundesregierung ihr OK gibt, droht Böhmermann ein deutlich schwereres Strafmaß. Wie die Bundesregierung am Montag mitteilte, wird die Prüfung noch paar Tage dauern.

Abmahnung

Wie MiGAZIN außerdem erfuhr, wurde Böhmermann von den Anwälten des türkischen Präsidenten abgemahnt. Das Gedicht sei, wie Böhmermann selbst in seiner Sendung ausgeführt habe, „nicht unter ‚Satire‘ einzuordnen“. Die Äußerungen seien weder durch Kunst- noch Presse- oder Meinungsfreiheit gedeckt. Böhmermann habe den türkischen Präsidenten „auf das Übelste verunglimpft, ihm perverse Neigungen nachgesagt und gar Verbrechen unterstellt“, heißt es in dem Schreiben, das MiGAZIN vorliegt. Böhmermann wird aufgefordert, bis Mittwoch (13.4.2016) eine strafbewährte Unterlassungserklärung zu unterschreiben.

Unabhängig von der Beleidigung stoßen in Ankara die rassistischen Stereotype, die Böhmermann in seinem Gedicht bedient, auf Kritik. Die Türkei könne die Angelegenheit schon aus ihrem Selbstverständnis heraus nicht stehenlassen. In dem Text befänden sich zudem volksverhetzende Elemente.

Böhmermann hatte in seinem TV-„Neo Magazin Royale“ ein Schmäh-Gedicht vorgetragen, in der der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beleidigt wurde. Das Gedicht enthielt zudem eine Anspielung auf die Unruhen im Osten der Türkei, die viele Totesopfer und Verletzte fordert. (es/mig) Aktuell Ausland

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  1. Matthias sagt:

    Wenn keine Leben daran hängen würden, wäre es fast lustig. Die Debatte um Böhmermann und Erdogan ruft Vergleiche mit Günter Grass hervor und Doppelmoral wird angeprangert….

    Ist es denn verboten sich für Israel einzusetzen und gegen Erdogan? Ist es moralisch verwerflich? Und vor allem: Kann so eine Frage mit EINER Antwort beantwortet werden?

    Das Handeln Erdogans, welches Böhmermann starkt überzeichnet kritisiert ist nach meiner persönlichen Auffassung deutlich schlimmer als das Handeln der israelischen Regierung. Das ist meine Meinung. Trotzdem liegt Günter Grass mit seinem Gedicht richtig. Also besitze ich nun auch diese „Doppelmoral“? Who Cares???

    Böhmermann ist nun geadelt worden! Das ist für mich das Positive, was man aus der ganzen Debatte ziehen kann.

  2. aloo masala sagt:

    @Matthias

    Es geht nicht darum, was für eine Meinung eine Person über Erdogan und Netanyahu hat. Es geht darum, wie eine Person mit der Meinung / Satire / Karikatur umgeht, die ihm missfällt.

  3. LI sagt:

    Das man in deutschen Medien, das eklige Gedicht Böhmermanns ernsthaft für Kunst hält ist bereits Satire an sich.

    Ich für meinen Teil kann auf eine solche plumpe Fäkalkunst gerne verzichten.

    Lässt man Böhmermanns Gedicht als Satire durchgehen, dann weiß ich jetzt schon worauf ich mich die nächsten Jahre im Rahmen von Satiresendungen einzustellen habe.

    Bitte nicht.

    Gebe Gott für Böhmermann und das ZDF, dass Erdogan bzw. die türkische Regierung nicht auf die Idee kommt in den USA zu klagen.

    LI

  4. Matthias sagt:

    @ aloo Masala

    Da hast du Recht. Ich bin sehr gespannt wie und ob die Regierung damit umgeht. Am Liebsten wäre es mir jedoch, wenn sich eine Regierung dazu gar nicht äußert und sich neutral verhält

  5. Maria sagt:

    @aloo masala
    Es geht hier nicht um „Heuchelei“ oder „Doppelmoral“, sondern allerhöchstens um Widersprüchlichkeit. Das aber auch nur, wenn man bestimmte historische, politische und geopolitische Gegebenheit ignoriert.

    1. fehlt in ihrem Kommentar jegliche Kritik an Erdogans gebaren
    2. gilt Ihr Vorwurf der „Doppelmoral“ nur im Vergleich zu Israel bzw. Netanjahu, vergleicht man die Beziehungen mit der Türkei (Erdogan) aber bspw. mit Russland (Putin), dann möchte man sich doch fragen warum die Türkei besser behandelt wird. Wo bleiben die Sanktionen? Diese mangelnde Objektivität entlarvt Sie.
    3. Die Türkei strebt ein EU-Beitritt an, Israel nicht…
    4. Israel ist eine funktionierende Demokratie, mit Gewaltenteilung etc.
    5. Was wollen Sie uns mit ihrem Kommentar mitteilen? Opferstilisierung? Oder geht es um Israelbashing?
    6. Stellen Sie mit Ihrer Kritik nicht eigentlich jegliche Satire in Frage? Denn über wen darf ich mich noch lustig machen, wenn ich mich vorher nicht auch über Israel lustig gemacht habe?
    7. Einfach mal bei Google und youtube „Israel Satire oder Karikatur“ eintippen, dann wird ihnen geholfen…
    8. Erdogan regt sich nicht nur über angeblich beleidigende Satir auf, sondern über jegliche, deshalb auch die berechtigt überzogene Satire von Böhmermann

  6. Magistrat sagt:

    @Maria
    Es wird hier gar keine Politik bewertet, weder von der Türkei noch von Israel. Es wird auch nicht die Person Erdogan verteidigt. Nein, es geht einzig um die Frage, wann Kunst- und Meinungsfreiheit schützenswert sind uns wann nicht. Dabei sollte die Beurteilung nach dem Grundgesetz neutral sein. Dies wird mit dem Begriff „allgemeine“ Gesetze ausgedrückt: Meinung darf nicht allein wegen ihres mißliebigen Inhaltes oder des Adressaten eingeschränkt werden. Es darf also nicht nur eine bestimmte Meinung geduldet oder verboten werden. Genau dies ist hier aber der Fall wenn je nach dem, an wen die „Satire“ gerichtet ist, sie verteidigt oder verurteilt wird. Diese Diskrepanz ist einfach zu offensichtlich. Um das zu erkennen muss man kein Erdogan-Fan sein, man ihn sogar verabscheuen – muss aber ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden haben.

    Übrigens ist gegen echte Satire ja auch nichts einzuwenden. Das extra3 Video wird ja zurecht nicht strafrechtlich verfolgt. Weil extra3 anderes als boehmermann ohne entwürdigende, diffamierende und schmähende Verunglimpfungen Kritik ausgedrückt hat. Das ist der feine juristische Unterschied.

  7. aloo masala sagt:

    @Matthias

    Betrachten wir doch ein anderes Beispiel. Was meinen Sie, wie öffentliche Personen aus der Politik (mit Ausnahme der AfD usw) und den Mainstream-Medien reagiert hätten, wenn Frauke Petry oder Beatrix von Storch versucht hätten, uns die Grenzen der Satire auf gleiche Weise wie Böhmermann zu erklären?

  8. Klaus von Böhmer sagt:

    @aloo

    zu Ihrer verlinkten Karikatur: Mohammed ist für uns Westliche Menschen mehr oder weniger eine Fantasie-Figur, ebenso wie Jesus. Sicherlich machen wir über Fantasie-Figuren Witze. Der Holocaust war sehr real. Erkennen Sie den Unterschied? Und ich hoffe, dass es noch sehr viele Erdogan, Mohammed, Papst und Jesus-Witze gibt!!!

  9. aloo masala sagt:

    @Maria

    Für mich ist eine widersprüchliche Haltung zu Prinzipien Doppelmoral und Heuchelei.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Doppelmoral

    Ansonsten hat Ihr Beitrag bis auf den ersten Teil der Frage 5 keinen Bezug zu meinen Kommentaren. Um den ersten Teil der Frage 5 zu beantworten, verweise ich auf meine vorherigen Antworten.

  10. aloo masala sagt:

    @Klaus von Böhmer

    Mohammed war genauso so real wie der Holocaust. Der springende Punkt ist jedoch ein völlig anderer. Es geht darum, dass die meisten Menschen oder Gesellschaften etwas haben, was für sie unantastbar ist. Für die deutsche Gesellschaft ist das verständlicherweise der Holocaust. Für Muslime ist das der Islam und Mohammed.

    Die Mohammed-Karikaturen empfinde ich als geschmacklose und teilweise als rassistische Darstellungen, die im Gewand der Meinungsfreiheit daherkommen. Weil die Meinungsfreiheit aber ein so wichtiges Gut ist, bin ich dagegen, dass man die Mohammed-Karikaturen verbietet.

    Viele Holocaust-Karikaturen empfinde ich ebenfalls als geschmacklos und offen antisemitisch. In Deutschland sind derartige Karikaturen aufgrund der Geschichte verboten. In den USA, das für mich vorbildlichste Land der Meinungsfreiheit, dagegen nicht. Weil die Meinungsfreiheit aber ein wichtiges Gut ist, bin ich dagegen, dass man Holocaust-Karikaturen verbietet.

    Ich hatte die Mohammed-Holocaust Karikatur verlinkt, um die Doppelmoral im Umgang mit der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen. Wenn man das „heiligste“ anderer Kulturen beleidigt ist das Ausdruck der Meinungsfreiheit. Wenn etwas beleidigt wird, was einem selbst „heilig“ ist, dann geht das nicht als Ausdruck der Meinungsfreiheit durch, sondern es ist geschmacklos und antisemitisch.

    Bei Erdogan verhält es sich ähnlich. Der öffentliche Umgang mit den Karikaturen über Netanyahus Politik in der Sunday Times oder Stuttgarter Zeitung und der Satire über Erdogan zeigen nur eines: Die meisten Menschen verstehen unter Meinungsfreiheit nur die Meinung, die ihnen selbst (halbwegs) gefällt. Meinungen, die sie verachten, sind sie nicht bereit zu verteidigen und zu schützen. Das ist übrigens genau die Vorstellung von Meinungsfreiheit, die auch Erdogan hat.