Rassismus
Diskursverschiebung als Folge jahrelanger Nachlässigkeit
Innerhalb einer Woche diskutierte und empörte sich die Republik über zwei rassistische Äußerungen. Es drängt sich die Frage danach auf, wie es Forderungen und Gesprächsstoff der niedersten rechtsextremen Sorte in den Mainstream schafften.
Von Mehdi Chahrour Dienstag, 31.05.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 31.05.2016, 21:24 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Großbritannien im Mai des Jahres 2016: Sadiq Khan, Sohn von Einwanderern, wird Bürgermeister der Hauptstadt des Landes. Deutschland im Mai des selben Jahres: Jerome Boateng, gebürtiger Hauptstädter und Fußballweltmeister, wird auf seine Tauglichkeit als Nachbar geprüft. Der Prüfung unterliegt auch, ob Schokoladeverpackungen Gesichter von Menschen mit Migrationshintergrund abbilden dürfen oder nicht.
Was nach einem geschmacklosen Scherz klingt, ist nicht weniger als der aktuelle Tiefpunkt einer öffentlichen Debatte, die in Fragen der Vielfalt und des Zusammenlebens mehr und mehr nach rechts driftet. In Zeiten zunehmender Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen gleichen solche Aussagen Brandbeschleunigern. Dass die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsheime sich innerhalb eines Jahres verfünffacht hat, bleibt aber nicht mehr als eine Randnotiz.
Für nicht weniger gefährlich erachte ich Versuche – siehe Meinungsartikel und Berichte in den klassischen Mainstreammedien- der Verharmlosung durch die altbewährte Phrase: „Macht euch keine Sorgen, das sind Randgruppen und Extremisten, und nicht die Mitte der Gesellschaft.“
Die Antwort darauf untergliedert sich für mich wie folgt:
1. Extremisten brauchen selbst keine Mehrheiten. Es reicht das Schweigen der Mehrheit.
Aktuelle Belege dafür und Gleichnisse aus der Geschichte existieren zu Haufe.
2. Die von der AfD bei Landtagswahlen erzielten Ergebnisse und der Umfragetrend für die Bundestagswahlen sind besorgniserregend. Aus Stammtischparolen werden nun Redebeiträge in den Landesparlamenten und vielleicht bald auch im Bundestag. Die andere Betitelung legitimiert den rassistischen Inhalt nicht.
3. Falls es sich um Stammtischparolen handelt, weshalb erhalten sie so viel Raum in Presse und TV? Wie kommt es, dass es AfD-Sprecher zu wichtigen Gesprächspartnern in namhaften Talk-Sendungen schafften? Die überproportionale Vertretung in Presse und TV führen zu einer Normalisierung, und das ist gefährlich. (Ich sehe schon, wie in den Kommentaren zu diesem Artikel stehen wird, dass der Autor die Meinungsfreiheit in Frage stellt. Präventiv antworte ich in einem Satz: Rassismus ist keine Meinung.
4. Ich glaube nicht, dass die AfD und solche Diskurse ein neues Phänomen sind. Rassismus wird heute nur mutiger artikuliert, weil die Hemmschwellen gesunken sind. Den wichtigsten Part spielte hier die islamfeindliche Berichterstattung nach dem 11. September, die vielzähligen nicht sachlich geführten Talkshows, islamfeindliche Kronzeugen als Islamexperten, Parteienvertreter auf Stimmenjagd, propagandistische Titelblätter renommierter Zeitungen und Magazine und ein Ex-Politiker, dessen rassistische Aussagen es zum meist verkauften Sachbuch schafften. (Skandalös ist das große Interesse an diesem Buch und dass es als Sachbuch gepriesen wird).
„Wehret den Anfängen“, so lautet eine häufig zitiert Mahnung. Diese ist nun hinfällig, denn die hohe Zahl der angegriffenen Flüchtlingsheime und der „niederträchtigen“ Aussagen (Zitat der Bundeskanzlerin) zeigen, dass die Zeit der Anfänge hinter uns ist und dass in dieser sehr nachlässig mit demokratischen Grundprinzipien umgegangen wurde. Aktuell Meinung
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Ein sehr kluger Beitrag, weil er Verantwortlichkeiten und Auswege aufzeigt.
Das dürfte dem Mainstream gar nicht gefallen….
Sehr guter Artikel!!
Leider haben Sie seehr recht. Es ist nichts mehr zu leugnen oder zu verharmlosen. Ursache sind allerdings nicht nur fehlgeleitete Debatten sondern auch politische Verhältnisse, Die zunehmende Armut und Ungleichheit auch in D durch neoliberale Globalisierung wird seitens der PolitikerInnen und Wirtschafts-Eliten verleugnet oder schön geredet. DIe Folge: Die Wut der Betroffenen, die auf der Verliererseite stehen, entlädt sich in Gewalt und Hasstiraden gegen Flüchtlinge, und das Gefühl der eigenen Ausgrenzung im Versuch, durch die Konstruktion der ‚Fremdheit‘ andere auszugrenzen. Innerhalb der Politik wird das gerne wieder instrumentalisiert, um von anderen Problemen (zunehmende Militarisierung, Finanz- und Schuldenkrise, gesunkene Renten usw.) abzulenken.
Ich denke, wir sollten einfach einmal Nägel mit Köpfen machen und die Kollissionsnormen beim Familienrecht im Internationalen Privatrecht ändern. Wir können sehr leicht eine neue Ehe-Kategorie schaffen Transnationale Ehe. Bereits heute geht man für das unbürokratische Heiraten nach Dänemark. Man könnte auch die transnationale Ehe nach britischen Recht scheiden lassen. Das britische Scheidungsrecht ist sehr frauenfreundlich.
Die höheren Scheidungskosten sollten die Zahl der Heiratsmigrantinnen senken. Heiratswillige Junggesellen werden es sich sehr genau überlegen, sich eine Frau aus der alten Heimat zu holen. Die Anerkennung von Reisekosten nach Dänemark für das Ja-Wort als Steuerfreibetrag, erleichtert die Eheschließung für Liebesheiraten. Die Heiratsmigrantinnen könnten als Touristinnen einreisen und in Dänemark heiraten. Der Gesetzgeber kann fordern, dass alle geschlossenden Ehen in Dänemark nach britischen Recht geschieden werden müssen. Das gibt natürlich Krach mit der EU.
Die Islamkritik muss konkrete Ergebnisse ergeben und uns helfen, das Staatskirchenrecht zu ändern. Derzeit können Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus genehmigungsfrei Grundstücke erwerben und verkaufen. Diese Regel erleichtert Geldwäsche. Auch der religiöse Kunsthandel ermöglicht es, unauffällig Geldwäsche zu betreiben.
Die Hilfestellung der USA und Saudi Arabiens bei der Entstehung des jihadistischen Terrors sollte uns aufhorchen lassen. Die blutig Geschichte des katholischen Klerikalfaschismus sollte uns schmerzhaft bewußt machen, dass man Religionsgemeinschaften jede Möglichkeit der Geldwäsche nehmen muss. Die Anwesenheit us-amerikanischer evangelikaler Missionsnetzwerke ist nach den Erfahrungen mit den Farbenrevolutionen ein Problem.
Ich würde mich schon auf die Position des Humanistischen Union und der Freireligionen stellen, und die Kirchenprivilegien abschaffen. Islamkritik und Genozid Vorwürfe gegen den Vatikan sind solide Diskurspolitik für dieses Ziel. Die Historiker wissen doch alle, was Religion anrichtet.
Ich haben nicht dagegen, dass Glaubensgemeinschaften sich als Verein organisieren für Missionszwecke. Kirchenprivilegien sind aber überflüssig.
Außerdem ist der Körperschaftsstatus der russisch-orthodoxen Kirche ein Problem, angesichts der Spannungen mit Rußland. Pius XII hatte bereits die Sowjetunion unterstützt, um die orthodoxe Kirche auszulöschen, um Rußland nach dem Ausbluten der Sowjetunion durch die Allierten katholisch zu machen. Nicht nur Moslems, Katholiken sind weltweit ein Problem. Der Kampf gegen die Ultramontanen muss wieder aufgenommen werden. Das was Luther und Thomas Münzer angefangen haben, ist Stückwerk geblieben.
Die jüngsten Verhaftungen von Goldschmuggler, welche aus der Schweiz die Edelmetalle in den Vatikan Staat schaffen wollten, lassen Schlimmes befürchten. Vermögende Religionsgemeinschaften sind nicht so harmlos. Ich wünsche sie mir möglichst arm.
Es gab vor kurzem einen interessanten Artikel auf Zeit Online, der meine Gedanken zu dem Thema sehr ausführlich wiedergibt und der die einseitige Sichtweise von Herrn Chahrour ergänzt.
http://www.zeit.de/2016/24/afd-zentralrat-muslime-gemeinsamkeiten
Wehret den Anfängen gilt nicht nur ggü. Rechtsextremen, sondern auch ggü. anderen radikalen Bewegungen. Die Toleranz die man ggü. salafistischen und orthodox/streng konservativen islamischen Gruppierungen zu pflegen mochte, muss man selbstverständlich nun auch ggü. der AfD beibehalten.
Es soll Menschen geben, die glauben Toleranz wäre die Lösung gegen radikales Gedankengut. Vom verweichlichten (toleranten) deutschen Staat profitieren alle Radikalen und es verlieren die friedlichen vernünftigen Menschen!
Die Geister die man rief…
Man kann es sich natürlich sehr leicht machen und in Religion den Ursprung allen Übels sehen. Das ist aber arrogant und verblendet. Es ist die Abwesenheit von Glaube, das Fehlen von Gottesfurcht und Demut, das Menschen zu selbstherrlichen Despoten und Ausbeutern macht. Wer Religion meint, „bekämpfen“ zu müssen, der zeigt nur die radikale Fratze des in Humanismus gekleideten Atheismus, die schon in der UdSSR Unheilgebracht hat. Mehr Gottvertrauen schafft seelisch und emotional stabilere Menschen, schafft eine zufriedene Gesellschaft und v.a eine mutige, die aus Menschen besteht, die wie Moses seinerseits dem Pharao, Despoten die Stirn bieten und wie Jesus unkäuflich sind. DAS sind Attribute die unserer Gesellschaft heute fehlen und eine verantwortungsvolle Politik erst ermöglichen. Die AfD ist ein Häufchen armseliger verlorener Neider, die sich ihrerseits zwar nach einem starken Christentum sehnen, aber zu feige sind, Muslimen das Recht auf ihre Religion zuzuerkennen.
@Magistrat
Da haben Sie aber einen Vorurteilsbelasteten, völlig unobjektiven Kommentar abgegeben…
Sie sind Religiös. Und Religiöse ertragen prinzipiell die Existenz von Atheisten nicht, da es sie nicht geben dürfte und laut ihrem Lebenskonzept irgendeine Strafe Gottes zugeführt werden müssten…nur es passiert nichts…Gott scheint es egal zu sein oder es gibt ihn nicht…
Sie wirken auf mich nicht besonders seelisch und emotional stabil, sondern hochgradig ignorant und intolerant. Aber soweit ich weiss ist die Atheistenschelte eine Art Glaubensbekenntnis in ihrer Religion.