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Mord an Halit Yozgat

Ex-Verfassungsschützer hat vor NSU-Ausschuss erneut Erinnerungslücken

Erneut erschweren Erinnerungslücken die Aufarbeitung der NSU-Mordserie. So auch beim ehemaligen Verfassungsschützer Andreas Temme. Vor dem hessischen Untersuchungsausschuss machte er mehrmals geltend, sich nicht mehr erinnern zu können.

Dienstag, 07.06.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.06.2016, 21:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der ehemalige Verfassungsschützer Andreas Temme hat am Montag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags immer wieder Erinnerungslücken geltend gemacht. Erneut beteuerte der 49-Jährige, er habe trotz Anwesenheit im Juni 2006 in dem Kasseler Internetcafé von dem Mord an dessen Inhaber Halit Yozgat nichts mitbekommen und auch beim Verlassen des Tatorts weder Yozgats Leiche noch Blutspuren wahrgenommen.

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Der damalige Verfassungsschützer stand Wochen nach dem Verbrechen selbst zeitweise unter Mordverdacht, weil er von seiner Anwesenheit am Tatort damals weder die Polizei noch seine eigene Behörde informiert hatte. Dieses Verhalten bezeichnete er bei der mehrstündigen Ausschussvernehmung in Wiesbaden mehrfach als schweren Fehler, den er sich selbst nicht erklären könne. Allerdings habe er Angst vor der Reaktion seiner Frau gehabt, da er das Internetcafé zu einem Flirtchat aufgesucht hatte. Außerdem sei ihm klar gewesen, dass er sich als Verfassungsschützer dort nicht habe aufhalten dürfen.

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Keine Erinnerung

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Temme gab an, dass er den laut Staatsanwaltschaft von der NSU ermordeten Halit Yozgat wie auch dessen Vater persönlich gekannt habe. Beide habe er als „sehr freundliche“ Menschen kennengelernt. Nach dem Ende seines Chats habe er am Mordtag vergeblich nach Halit Yozgat Ausschau gehalten und die 50 Cent für die Computernutzung schließlich auf den Tresen gelegt. Er habe aber nicht darunter geguckt, wo er das Mordopfer wahrscheinlich hätte sehen können. Von der Bluttat habe er erst drei Tage später durch den Bericht in einem Anzeigenblatt erfahren. Nicht erklären konnte Temme, woher er schon einen Tag später bei Gesprächen in seiner Dienststelle das Fabrikat der Mordwaffe kannte. Wahrscheinlich hätten dieses ihm Polizisten der Staatsschutzabteilung genannt, sagte er.

Keine Erinnerung habe er auch an die E-Mail einer Vorgesetzten, die ihm wenige Wochen vor dem Mord in Kassel den Auftrag gab, sich bei V-Leuten umzuhören, ob sie etwas über die bereits in anderen Städten vorausgegangene Mordserie wüssten. Temme konnte sich auch nicht erinnern, ob er einen von ihm selbst als Quelle geführten V-Mann aus der rechtsextremistischen Szene daraufhin befragt habe. Wenn er aus einer möglichen Befragung Erkenntnisse gewonnen hätte, wüsste er es aber sicher noch, sagte er.

„Klein-Adolf“

Nicht erklären konnte sich der ehemalige Verfassungsschützer auch, dass dieser V-Mann in einer Befragung durch den Ausschuss Anfang des Jahres nichts davon gewusst haben wollte, von Temme auf die rechte „Deutsche Partei“ angesetzt worden zu sein. In Wahrheit sei dieser als Quelle sehr wohl auf diese Gruppierung angesetzt gewesen. Den V-Mann bezeichnete Temme mehrfach als schwache und unergiebige Quelle. Auf die Vorhaltung von Ausschussmitgliedern, dass er diesen aber selbst in zwei Jahresberichten an den Verfassungsschutz als sehr brauchbare Quelle beschrieben habe, antwortete er, offenbar sei der V-Mann nicht immer so unergiebig gewesen.

Als Fehler bezeichnete Temme auch Kontakte in die Rockerszene und das Aufbewahren von Abschriften aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“ in seinem Elternhaus. Diese von der Polizei gefundenen Abschriften habe er vor vielen Jahren für ein Schulreferat gemacht. Er teile aber keineswegs nazistisches oder rechtsextremistisches Gedankengut. Die Aussage eines ehemaligen Nachbarn, er habe in seinem Dorf als „Klein-Adolf“ gegolten, könne er sich nicht erklären. Er habe diese Bezeichnung noch nie gehört und hätte sie auch nicht einfach hingenommen. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Han Yen sagt:

    Die politische Bearbeitung des NSU Justizskandals reicht nicht aus durch die Diaspora Organisationen und die Diaspora Medien. Der NSU Skandal ist der Schlüssel, um die Aufklärungsquote bei Brandanschlägen gegen Flüchtlingsheimen zu verbessern. Die geringe Aufklärungsquote hat einen Grund. Die Polizei muss zweifelhafte Ausländergesetze ausführen und die Arbeit lagert sich als rechtes Weltbild in die Köpfe ab.

    Mit einfachen Kampagnen gegen Racial Profiling und mehr sichtbaren Neu Deutschen bei der Polizei kann man der Sache nicht Herr werden.

    Die Frage ist doch eher, ob die Polizei dem Innenministerium unterstellt werden muss. Weshalb sollte man die Polizei nicht demokratisch wählen lassen ? In den USA gibt es den Sheriff. Streifenpolizisten können durchaus gewählt werden.

    Der Wahlbezirk sollte nicht zu klein sein, um Klientelpolitik zu vermeiden. Ich sehe kein Problem dabei, einer Metropolregion eine eigene Polizei zu geben, die unabhängig vom Innenministerium ist.

    Die Häuserkampf Übungen zwischen Militär und Polizei in den Gefechtsübungszentren sollte uns zu denken geben. Die Bundeswehr entlässt Berufssoldaten in einem Alter, die sie zu alt für den primären Arbeitsmarkt machen. Sie werden bei privaten Militärunternehmen und privaten Sicherheitsdiensten anheuern.

    Das gewalttätige Vorgehen der französischen Polizei gegen die Demonstranten gegen die Arbeitsmarkt-Reformen sollte uns zu denken geben. Die Front National hat sehr rasch ihr wahres Gesicht gezeigt, als sie die Demonstrationen verurteilte.

    Wir brauchen breite konfrontative Bürgerplattformen als Partner der Gewerkschaften, Kirchen und der progressiven Kräfte im Parlament. Saul Alinsky hat eine konfrontatives Community Organizing entwickelt, dass mit einem Organisation der Organisations-Ansatz arbeitet. In der BRD hilft die DICO von Prof. Penta beim Aufbau von Bürgerplattformen.

    Querverbindungen zu Neuen Sozialen Bewegungen können durch die Bewegungsstiftung hergestellt werden.

    Campus Gruppen könnten Bewußtseinsarbeit mit Legislatives Theater machen aus den Gerichtssälen heraus und den politischen Diskurs auf die Straße bringen und in die Teil-Öffentlichkeiten Campus, Kirche, Gewerkschaften, Stiftungen, Parteien, Sportstadion und Parlamente.

    Die Ära der Stellvertreter Politik des Multikulturalismus, Kanak Attak und des People Of Color Ansatzes ist vorbei. Diversity Managment ist gescheitert. Der Rassismus ist über-dimensional sichtbar geworden.

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    Der Protagonist der postkolonialen Kritik Kien Nghi Ha hat mit dem Dong Xuan Festival 2010 die nord-vietnamesische Vertragsarbeiter Diaspora zwar sichtbar gemacht, aber am Ende nicht verhindern können, dass das 2016 abbrannte. Möglicherweise war Brandstiftung im Spiel.

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    Die Legitimationsmacht der Kirchen und Glaubensgemeinschaften sollte uns auf jeden Fall gegen die rassistische Justiz helfen. Kampagnen kann man sehr gut durch die Kirchensteuer und Zuschüße der Bewegungsstiftung auf die Straße bringen.

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    Es reicht einfach nicht nach Quoten zu schreien. Quoten ändern nichts am System. Eine demokratische Polizei und Feuerwehr muss es sein. Eine Metropolregion kann durchaus mit ihrem Regionalparlament die politische Aufsicht über die Metropolen Polizei führen. Die Polizei einer Metropolenregion sollte auch aus der Region stammen. Auf gar keinen Fall darf man Polizisten aus Dunkel-Deutschland Karrieren in den von einwanderung geprägten west-deutschen Gemeinden erlauben.