Bayern
Verwaltungsgericht kippt Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin
Das Augsburger Verwaltungsgericht hat das Kopftuchverbot für eine Rechtsreferendarin in Bayern für "nicht rechtmäßig" erklärt. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) kündigte an, der Freistaat werde gegen das Urteil in Berufung gehen.
Freitag, 01.07.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 03.07.2016, 15:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Augsburger Verwaltungsgericht hat das bayerische Kopftuchverbot für Rechstreferendarinnen gekippt. Die Richter erklärten am Donnerstag eine Auflage des Oberlandesgerichts München für nicht rechtmäßig, wonach eine angehende Juristin muslimischen Glaubens bei Auftritten mit Außenwirkung kein Kopftuch tragen dürfe. Im Freistaat existiere „kein formelles Gesetz, welches Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichte“, begründeten die Richter laut Mitteilung des Verwaltungsgerichts ihr Urteil. Der Freistaat Bayern will gegen das Urteil in Berufung gehen.
Geklagt hatte eine Augsburger Jurastudentin mit deutscher und pakistanischer Staatsbürgerschaft. Die 25-Jährige ist seit 2014 im Vorbereitungsdienst der Justiz. Bei ihrer Einstellung hatte ihr das Oberlandesgericht München das Tragen des Kopftuches bei Auftritten mit Außenwirkung untersagt. Hintergrund ist eine Verordnung des bayerischen Justizministeriums von 2008. Sie schreibt vor, dass muslimische Referendarinnen im Gerichtssaal oder bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen kein Kopftuch tragen dürfen.
Referendarin: Urteil Bestätigung für unseren Rechtsstaat
Da sich die junge Frau aus Glaubensgründen weigerte, das Kopftuch abzulegen, habe sie während ihrer Ausbildung nicht wie für Referendare üblich am Richtertisch Platz nehmen dürfen, teilte ihr Anwalt mit. Verhandlungen musste sie vom Zuschauerraum aus verfolgen. Auch die Sitzungsleitung unter Aufsicht des Ausbildungsrichters konnte sie nicht übernehmen. Gegen diese Ungleichbehandlung hatte sie geklagt.
Die angehende Juristin begrüßte das Urteil. „Das ist heute nicht nur eine Bestätigung für mich, dass mir in meiner Ausbildung Unrecht geschehen ist, sondern auch eine Bestätigung für unseren Rechtsstaat“, sagte sie laut Mitteilung ihres Anwalts. Dieser betonte, das Urteil stärke „die Religionsfreiheit und das Rechtsstaatsprinzip und ist ein Zeichen für ein offenes Verständnis der religiösen Neutralität des Staates“.
Der Freistaat Bayern kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Man nehme die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis, teilte Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) mit. „Aber: Wir können das Ergebnis so nicht stehenlassen.“ Jeder müsse vor Gericht „auf die Unabhängigkeit, die Neutralität und erkennbare Distanz der Richter und Staatsanwälte vertrauen können“. Dieses Vertrauen dürfe durch das äußere Erscheinungsbild nicht erschüttert werden, so der Justizminister. Das gelte auch für Rechtsreferendare.
Beck: Kopftuch gefährder nicht die Rechtsfindung
Grünen Politiker Volker Beck hingegen begrüßte das Urteil. „Entscheidend ist nicht, was jemand auf dem Kopf trägt, sondern was man im Kopf hat. Das gilt auch in der Schule, in der Verwaltung und bei Gericht“, so der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag. Es gebe keinen Grund, Referendarinnen wegen einem Kopftuch vom Vorbereitungsdienst bei der Justiz auszuschließen.
„Kopftuch, Kippa und Schleier gefährden nicht die Rechtsfindung. Sie sind Ausdruck der jeweiligen religiösen Haltung und gehören zur Wahrnehmung der individuellen Glaubensfreiheit“, erklärte Beck.
Der Staat habe nicht zu entscheiden, was die richtige oder zeitgemäße Interpretation einer Religion zu sein hat. Becker verweist auf das Bundesverfassungsgericht. Es hatte entschieden, dass dem Staat verwehrt ist, „Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ zu bezeichnen.“
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das Augsburger Verwaltungsgericht eine Berufung gegen das Urteil vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen. (epd/mig) Aktuell Recht
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