Europäische Union
Noch kein Syrer als „unzulässig“ in die Türkei zurückgeschickt
Im März schloss die EU mit der Türkei ein Flüchtlings-Abkommen. Unter anderem sieht es vor, dass Syrer wegen "unzulässiger" Asylgesuche zurückgeschickt werden können - bisher ist das noch kein einziges Mal geschehen.
Dienstag, 05.07.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.07.2016, 20:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Genau drei Monate nach Beginn der Rückführungen von Migranten unter dem EU-Türkei-Pakt ist noch kein einziger syrischer Flüchtling abgeschoben worden, dessen Asylantrag als „unzulässig“ eingestuft wurde. Das erklärte die EU-Kommission am Montag auf epd-Anfrage in Brüssel. „Die Rückführungen haben bislang nur Personen betroffen, die nicht um Asyl nachgesucht haben“, teilte eine Sprecherin mit.
Demnach wurden seit dem 4. April 468 Menschen im Rahmen des Pakts aus Griechenland in die Türkei zurückgebracht. Darunter waren den Angaben zufolge Pakistaner, Iraner, Marokkaner und Kongolesen.
Das Abkommen
Die EU hatte mit der Türkei am 18. März ein umstrittenes Abkommen geschlossen. Demnach soll die Türkei alle Migranten und Flüchtlinge, die ab dem 20. März über das Meer auf irreguläre Weise auf die griechischen Inseln gelangten, wieder zurücknehmen, sofern diese in der EU kein Asyl erhalten. Dabei baut die EU darauf, dass sie Menschen ohne Asylgrund – sogenannte Wirtschaftsmigranten – zurückschicken kann, wenn diese entweder keinen Asylantrag stellen oder der Antrag letztlich abgewiesen wird.
Doch darüber hinaus sollen dem Abkommen zufolge auch echte Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht werden, insbesondere aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Diese bilden die größte Flüchtlingsgruppe in der Türkei und werden in der Regel auch in der EU als Flüchtlinge anerkannt. 363.000 Syrer stellten 2015 in der Union einen Erstantrag auf Asyl.
Vor diesem Hintergrund macht das EU-Türkei-Abkommen die Asylverfahrensrichtlinie von 2013 geltend. Dem EU-Gesetz zufolge können Asylgesuche als „unzulässig“ eingestuft werden, selbst wenn sie von echten Flüchtlingen stammen. Voraussetzung ist, dass das Land, aus dem der Flüchtling in die EU reist, für diesen als sicher gilt.
Human Rights Watch kritisch
Bislang haben Griechenlands Behörden laut EU-Kommission noch kein syrisches Asylgesuch letztinstanzlich als „unzulässig“ eingestuft. Die Kommission wertet dies als Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit. „Kein Asylsuchender wird unter dem EU-Türkei-Abkommen zurück in die Türkei geschickt, wenn in seinem individuellen Fall die Türkei nicht als sicherer Drittstaat oder als sicheres erstes Asylland angesehen werden kann“, erklärte die Behördensprecherin. Bisherige Entscheidungen der griechischen Stellen zeigten, „dass individuelle Umstände während der Berufungsverfahren gebührend berücksichtigt werden“.
Ganz anders bewertet Human Rights Watch die Situation. „Für mich funktioniert der EU-Türkei-Deal überhaupt nicht, weil nicht garantiert ist, dass die Menschen Zugang haben zu einem fairen Asylprozess – entweder in Griechenland oder der Türkei“, sagte Wenzel Michalski, Deutschland-Chef der Menschenrechtsorganisation, zu epd. Es sei daneben unklar, was mit den zurückgebrachten Menschen in der Türkei passiere.
Darüber hinaus bezweifelt Human Rights Watch die Rechtmäßigkeit insbesondere der ersten Rückführungen am 4. April. Während die EU-Kommission geltend macht, dass keiner der damals 202 zurückgeführten Menschen einen Asylantrag gestellt habe, sagt der Menschenrechtler, dass mindestens etwa zehn Personen einen Antrag hätten stellen wollen. Es hätten jedoch Übersetzer, Rechtsbeistände und Informationen gefehlt, urteilt Michalski, der nach seinen Angaben selbst auf der griechischen Insel Lesbos vor Ort war. „Die wurden dort Hals über Kopf losgeschickt.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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