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EU-Grenz- und Küstenschutz

Frontex startet mit mehr Kompetenzen und besserer Ausstattung

Normalerweise werden EU-Prestigeprojekte in Brüssel vorgestellt. Dieses Mal geschah es an einem wenig bekannten Ort in Bulgarien, direkt an der Grenze zur Türkei. Kein Zufall: Vorgestellt wurde der neue EU-Grenz- und Küstenschutz, der massiv in der Kritik steht.

Freitag, 07.10.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 09.10.2016, 13:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der neue europäische Grenz- und Küstenschutz hat offiziell seine Arbeit aufgenommen. Bei einer Veranstaltung am Checkpoint Kapitän Andreevo an der bulgarischen Grenze zur Türkei wurde am Donnerstag der Startschuss für die Agentur gegeben, deren Mittel und Mandat gegenüber der bisherigen Agentur Frontex erheblich ausgeweitet wurden. Eine Kerntruppe von 1.500 Einsatzkräften soll innerhalb von fünf Werktagen bereitstehen, darunter 225 Deutsche. Die Grenzschützer sollen sowohl irreguläre Grenzübertritte stoppen und Abschiebungen durchführen als auch Schiffbrüchigen und Flüchtlingen helfen.

Es handele sich um einen historischen Moment für die europäische Grenzsicherung, erklärte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Er räumte allerdings ein, dass der Startschuss symbolischer Natur war – ein Einsatz wurde am Donnerstag noch nicht begonnen. Die Kerntruppe sowie erstmals ein eigener Ausrüstungspool werden voraussichtlich erst in drei Monaten abrufbar sein.

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Die neue Agentur sei „stärker und besser ausgerüstet“ als die bisherige Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, aus der sie hervorgeht, urteilte der alte und neue Exekutivdirektor Fabrice Leggeri. Der gewohnte Kurzname Frontex soll auch für den neuen Grenzschutz weiter gelten.

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Frontex soll bei Abschiebung helfen

Frontex unterstützt schon seit zehn Jahren die nationalen Grenzschützer. Allerdings haben sich Mandat und Ressourcen aus Sicht der EU als zu schwach erwiesen – insbesondere in der Flüchtlings- und Migrationskrise. Deshalb hat die neue Agentur „erweiterte Zuständigkeiten und neue Befugnisse“, wie der Italiener Leggeri erklärte. Auch das Hauptquartier in Warschau wird personell aufgestockt.

Ziel des neuen Frontex ist ein „integriertes Grenzmanagement“. Darunter fallen nicht nur Grenzkontrollen, sondern auch das Verfolgen von Menschenhändlern und Schleppern. Daneben helfen die Experten bei Abschiebungen. Auf der anderen Seite soll der Grenz- und Küstenschutz aber auch Schiffbrüchige retten und Asylsuchende an die zuständigen Stellen weiterleiten. Ferner soll die Agentur Risikoanalysen erstellen, was oder wer auf Europas Grenzen zukommt.

De Maizière begrüßt Start

Ein großer Knackpunkt in der Vorbereitung war die Frage, inwieweit die Agentur auch gegen den Willen eines einzelnen EU-Landes agieren darf, wenn dieses seine Grenzen zu ungeschützt lässt. Den Hintergrund bildete vor allem die Lage an der griechisch-türkischen Grenze. Unter dem neuen Mandat kann nun ein Einsatz im Extremfall auch gegen den Willen des betreffenden Landes beschlossen werden. Auch Einsätze in Drittländern wie den nordafrikanischen Staaten sind nun – mit Zustimmung des betreffenden Landes – möglich.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière begrüßte den Startschuss. Deutschland habe sich „intensiv in den Prozess der Mandatserweiterung“ eingebracht, betonte der CDU-Politiker. Kritik kam hingegen von den Grünen: Frontex solle „Europa vor Flüchtlingen schützen, statt das Prinzip des Flüchtlingsschutzes zu verteidigen“, erklärte die Europaabgeordnete Ska Keller.

Grüne: Rettung von Flüchtlingen keine Frontex-Aufgabe

Die Grünen kritisieren unter anderem, dass Rettungsoperationen nicht zum Mandat gehörten. Tatsächlich soll der neue Grenz- und Küstenschutz zwar Schiffbrüchige retten – dies allerdings nur im Rahmen der Grenzüberwachung auf See. „Auch spezielle Seenotrettungsboote gehören weiterhin nicht zur Ausrüstung der EU-Grenzschützer“, bemängeln die Grünen.

Scharfe Kritik kommt auch von Ulla Jelpke (Die Linke). Die Erweiterung der Befugnisse der „Abschottungs- und Abschiebeagentur Frontex“ bedeute eine Fortsetzung des Sterbens im Mittelmeer und des systematischen Bruchs von Menschenrechten. Frontex setze die „Abschottungspolitik der EU erbarmungslos um“. Immer wieder würden Boote von Geflüchteten in der Ägäis von Frontex-Einheiten abgedrängt oder zurück in türkische Gewässer geschleppt. Die Behauptung, Abschiebung sei nicht das Kerngeschäft, sei „mehr als heuchlerisch“.

Linke: Frontext macht Mittelmeer zum Massengrab

Die Behauptung von Bundesinnenminister de Maizière, Frontex sei ein Mittel gegen sogenannte Schleuser, sei besonders zynisch. „Schließlich sorgt Frontex erst dafür, dass Menschen auf der Flucht immer riskantere Wege in Kauf nehmen müssen. So starben alleine 2016 schon mehr als 3.200 Geflüchtete im Mittelmeer. Die von Frontex umgesetzte Politik hat das Mittelmeer zum Massengrab für Flüchtlinge werden lassen“, erklärt Jelpke.

Anders sieht dies die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel. Sie berief sich darauf, dass die Agentur die einzelnen Mitgliedstaaten nun „explizit bei Such- und Rettungsaktionen unterstützt“. „Die neuen Fähigkeiten der Agentur können Leben retten“, urteilte Sippel. (epd/mig) Aktuell Politik

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