Steinmeier
Deutschland kann bei Toleranz dazulernen
Die deutsche Hilfe für Flüchtlinge sorgte international für Anerkennung. Rechte Pöbler und Übergriffe auf Minderheiten verdunkeln inzwischen das Bild. Wie weit ist es mit Toleranz in Europa? Darum ging es bei einer Konferenz im Auswärtigen Amt.
Freitag, 21.10.2016, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.10.2016, 16:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Deutschen zu mehr Toleranz gegenüber Fremden und Andersdenkenden aufgerufen. Bei einer Konferenz in seinem Ministerium in Berlin beklagte er am Donnerstag, auf deutschen Straßen und Plätzen werde gepöbelt, Andersdenkende würden niedergebrüllt. Im Internet würden Menschen bedroht, es werde gehetzt und Angst geschürt. „Es fliegen Steine und Brandsätze auf Gotteshäuser und Flüchtlingsheime“, sagte Steinmeier. Er sei überzeugt, sein Land könne noch viel dazulernen beim Thema Toleranz.
In seiner Rede bei der Konferenz „Toleranz und Vielfalt“ vor mehreren hundert internationalen Gästen wandte sich Steinmeier vor allem gegen rechtspopulistische Bewegungen und Parteien wie den Front National in Frankreich und die AfD in Deutschland. „Wir sehen, dass das Ungeheuer des Nationalismus, das da wieder erwacht, sich nur von einem Futter ernährt: Angst“, sagte Steinmeier.
Besonders verstörend sei, dass dabei die Spielregeln der politischen Auseinandersetzung aufgehoben schienen, Fakten nicht gewollt seien. Bei Demonstrationen gehe es nicht mehr um Forderungen, sondern nur um „dumpfe Parolen“ gegen das Establishment, „sei es in der Politik oder in den Kirchen“, sagte Steinmeier. Dem müsse man sich mit beharrlichem Argumentieren stellen.
Der Außenminister betonte mit Blick auf die Fluchtbewegungen und die Konflikte, die Menschen zur Flucht zwingen, Populismus, Abgrenzung und Abschottung seien eben keine Lösung. Nur gemeinsam mit anderen Staaten könne man Lösungen finden.
Barenboim: Dulden heißt beleidigen
Auch die Schauspielerin und Autorin Renan Demirkan sagte: „Es gibt keine friedliche Alternativen zu offenen Grenzen.“ Diejenigen, die anderes behaupten, seien „die alten Kriegstreiber in neuen Farben“, sagte sie.
Umstritten war bei ihr und dem Dirigenten Daniel Barenboim der Begriff der Toleranz. Im Duden sei es definiert als Duldsamkeit, sagte Demirkan. Man müsse aber „raus aus der Komfortzone des Duldens“, sondern das gegenseitige Verstehen anstreben. Respekt sei die „Inschrift der Humanität“.
Barenboim, der mit seinem West-Eastern Divan Orchestra für ein friedliches Miteinander wirbt, zitierte Johann Wolfgang Goethe: „Dulden heißt beleidigen.“ „Wenn man jemanden nur toleriert, ist das nichts anderes als ein Akt der Herablassung“, sagte er. Vielmehr gehe es um wirkliche Wertschätzung, Respekt und Gleichberechtigung. In heutigen Gesellschaften, die längst nicht mehr homogen seien, müsse es ein Umdenken in diese Richtung geben.
Die Konferenz im Auswärtigen Amt fand anlässlich des deutschen Vorsitzes bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt. (epd/mig) Leitartikel Politik
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Die Deutschen sollten einmal einen Blick nach Singapur werfen, um zu sehen, wie dort Menschen unterschiedlicher Rasse, Sprache, Kultur und Religion friedlich und konstruktiv zusammenleben. Die Malayen, die diese Inseln ursprünglich bewohnten, sind in der Minderzahl, und die Chinesischstämmigen bilden die Mehrheit, aber trotzdem betrachten sie sich alle als eine Nation. Sie haben alle eine gemeinsame Sprache (Englisch) und daneben die Sprache des jeweiligen Herkunftslandes der Vorfahren und die von dorther angestammten Bräuche und die Religion. In einer Straße findet man z. B. eine Moschee, einen hinduistischen Tempel, einen buddhistischen Tempel und eine christliche Kirche. Es wäre absurd, von den Nachkommen indischer Einwanderer zu fordern, ihre Hochzeiten nach chinesischem Brauch zu feiern, oder dass die Freitagspredigten in von malayischstämmigen Muslimen dominierten Moscheen auf Englisch oder gar Chinesisch gehalten werden.
Zwar ist die Situation insofern anders als in Deutschland, da die verschiedenen Elemente dieser Nation ungefähr zur gleichen Zeit dorthin kamen und die Stadt von einer ausländischen Macht, nämlich Großbritannien, gegründet und anfangs regiert wurde, aber warum die Frage überbewerten, wer zuerst da war und die Mehrheit der Gesamtbevölkerung stellt?
@karakal
Sie sind Migrant und deshalb wollen Sie Deutschland Ihren Bedürfnissen anpassen. Wären Sie kein Migrant, sondern (Bio-) Deutscher, dann würden Sie eine komplett andere Sicht auf die Dinge haben. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Migranten sich nicht um die Migrationspolitik des Einwanderungslandes kümmern sollten. Aus dem gleichen Grund warum Manager sich auch nicht ihr eigenes Gehalt fest legen sollten. Besser Sie fordern mehr Spielplätze, neue Brücken und sanierte Schulen.
Was Sie in ihrem Kommentar fordern ist nichts anderes, als eine andere Identität für Deutschland, zusammengeschustert aus den unterschiedlichsten Ländern dieser Welt. Damit bringen Sie ihre Unzufriedenheit über Deutschland zum Ausdruck und, dass Sie wohl eher wiederwillig hier sind, als dass es eine aus freien Stücken heraus von Ihnen getroffene Entscheidung war. Und dass eingewanderte Menschen so denken, wie Sie, ist ein Resultat von sog. Wirtschaftsmigration die nach dem Motto: ich bin nur aus Geldgründen hier, Kultur, Menschen und Geschichte sind nicht mein Anliegen und würde ich gerne durch x ersetzen…
Ich wandere nicht nach Indien aus und beschwer mich über die Hitze…vor allem als Einwanderer, denn ich hatte ja zumindest die Wahl, wo ich einwandere. Als Einheimischer hatte man keine Wahl und findet sich aus Zusammenhaltsgründen mit bestimmten Fakten ab…
@Cinderella
Es erstaunt mich, wie falsch Sie mit Ihrer Einschätzung liegen! Ich möchte hier nicht meine Identität offenlegen, aber – das ist die Wahrheit – ich bin „Biodeutscher“, mein Vater hatte einen Ariernachweis und war sogar bei der Waffen-SS gewesen, auch wenn er dort nur hineingerutscht war. Und meine Mutter stammte aus einer Familie in Süddeutschland mit bäuerlichen Wurzeln. Aber trotzdem habe ich als „Biodeutscher“ eine andere Sicht auf die Dinge als Sie – der Sie vermutlich auch „Biodeutscher“ sind. Das ist für mich ein weiterer Beweis dafür, daß unterschiedliche Religion und Weltananschauung (ich bin bereits vor über vierzig Jahren als 21-Jähriger zum Islam konvertiert – als man den Unbegriff „Islamist“ noch nicht kannte und es noch keine „Salafisten“ gab) mehr Gewicht haben als gemeinsame Herkunft, Heimat, Sprache und ererbte Kultur. Oder warum sonst hätten sich die Deutschen als Protestanten gegen Katholiken (und umgekehrt) vor und während des Dreißigjährigen Krieges aufs Blut und nahe bis zur Selbstvernichtung bekämpft?
Vor vielen Jahren hörte ich einen der damals führenden „biodeutschen“ Muslime zu einem jungen Pakistani sagen, der sich über die Fremdenfeindlichkeit der Deutschen beklagt hatte: „Stell dir vor, es kämen zu euch nach Pakistan, einem Land mit ca. hundert Millionen Einwohnern, („nur“) zwei Millionen deutsche Einwanderer, mit Karneval, Bierzelt und allem anderen … das würdet ihr nicht aushalten!“
@karakal
Ich versteh nicht was Sie mir mit dem Beispiel des biodeutschen Muslims erklären wollen, aber ich habe das Gefühl Sie wollten mir Recht geben…
Meine Ausführungen in meinem ersten Kommentar gelten zum Teil auch für Sie. Deutschland lässt sich nicht beliebig umgestalten ohne großen Schaden anzurichten und den Zusammenhalt zu gefährden. Für mich gehört es zur Migrationspolitik dazu Nein sagen zu können. Einwanderung muss nach Bedarf erfolgen. Sie können durchaus der Meinung sein AfD etc ignorieren zu können, aber glauben Sie nicht dass sich damit der Rechtspopulismus klein kriegen lässt, ganz im Gegenteil. Anstatt noch mehr Toleranz zu fordern, sollte man erst mal die vorhandene Toleranz schätzen lernen, denn sie ist keine weltweite Selbstverständlichkeit oder ein Menschenrecht/pflicht…
Europa befindet sich momentan in einer sehr ähnlichen Situation wie damals kurz vorm 2. WK. Die Merkel ist nicht Hitler, aber wenn Sie so weitr macht, dann wird Sie den nächsten Hitler möglich machen. Am besten Sie schauen sich die Wirtschafts- und Finanzdaten in Europa an, denn daran können Sie den Grad der vorh. Toleranz ablesen. Vor 2008 wären wir beide noch einer Meinung gewesen, aber ich habs nicht so mit Dogmen und schau mir gern den Kontext an.
Ich finde den Verweis auf Singapur reichlich schräg.
Singapur wird wegen der hohen Machtbefugnisse des Präsidenten, seiner strengen staatlichen Kontrollen über Presse, Rundfunk und sonstige Publikationen und seiner harten Strafen, einschließlich Prügel- und Todesstrafe eher als Ein-Parteien-Regierung denn als westliche Demokratie eingestuft.
Auch die von Karakal aufgeführten Beispiele persönlicher Freiheiten unterscheiden sich nicht von denen in Deutschland. Sie dürfen hierzulande nicht nur an die offiziellen Weltreligionen, sondern auch an ihre Privatgötter glauben oder jegliche Religion völlig ablehnen. Dass sich in Singapur verschiedene Gotteshäuser oftmals in einer Straße befinden, ist eher der baulichen Enge geschuldet, als ein bewusstes Zeichen kultureller Toleranz.
Worin sich Singapur von Deutschland jedoch deutlich unterscheidet, ist die strikte Einwanderungs- und Aufenthaltspolitik nach dem Wirtschaftlichen Bedarf. Familiennachzug steht nur Hochqualifizierten zu, unqulifizierte Arbeitskräfte werden als reine Saisonkräfte beschäftigt.
Quellen Wikipädia und http://www.kas.de/wf/doc/kas_22526-544-1-30.pdf?110413132328