Christlich-muslimischer Dialog
Diskussion über den Islam „populistisch aufgeladen“
Die christlich-muslimische Begegnungseinrichtung "Brücke-Köprü" in Nürnberg kann sich derzeit vor Anfragen kaum retten, die Debatten über islamische Themen reißen nicht ab. Ein Gespräch mit dem Islamwissenschaftler und Brücke-Leiter Pfarrer Thomas Amberg.
Von Jutta Olschewski Mittwoch, 23.11.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 23.11.2016, 16:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Was passiert gerade beim christlich-muslimischen Dialog?
Thomas Amberg: Die Diskussionen sind populistisch aufgeladen. Experten finden dabei kaum noch Gehör. Mitunter agieren dabei sogar unsere etablierten Medien als Brandstifter. Mich erschreckt, was gerade für eine verbale Verrohung stattfindet. Zwar werden Äußerungen auf Facebook jetzt juristisch ernster genommen, aber die sozialen Netzwerke entwickeln eben eine große Eigendynamik. Eigene Erfahrungen werden gepostet, geteilt und verlinkt.
Erfahrungen potenzieren sich auf diese Weise und werden zu kollektiven Stimmungslagen. Das passiert auf beiden Seiten. Wenn Kopftuchträgerinnen von Diskriminierungserfahrungen berichten, dann wird das in Nullkommanix zu einer kollektiven Erfahrung und umgekehrt geht das mit einzelnen negativen Erlebnissen mit Muslimen auch so.
Immer weniger Menschen in Europa fühlen sich zur Kirche zugehörig, viele haben sich vom Glauben abgewandt. Dennoch wird über religiöse Fragen diskutiert wie nie, wie erklären sie sich das?
Amberg: Die Diskussion um die Rolle des Islam geht einher mit der eigenen Verunsicherung und dem Abbruch eigener religiöser Traditionen in Europa. Ein Islam, der in intakter Weise praktiziert wird, wirkt da gerade für die als Bedrohung, die keine religiöse Praxis mehr haben. Man bemüht den romantischen Begriff des christlichen Abendlands, aber gerade der ist für mich ein Ausdruck des Verschwindens religiöser Identität.
Auch die Diskussion um eine Leitkultur sehe ich als fatal. Sie entspringt einer atemlosen Angst der CSU vor dem nächsten Wahlkampf. Aber die türkische Community, die Menschen, die oft seit 40 Jahren hier leben, werden dabei herauskatapultiert. Das sind Menschen, die sich in der Integration und im Dialog bisher aktiv eingebracht haben. Ali und Aishe, unsere türkischstämmigen Nachbarn, müssen jetzt herhalten für das, was radikale Muslime tun, das ist eine schmerzliche Verengung. Ich wollte ja auch nicht nur auf mein Christsein reduziert werden.
Die Brücke gibt es seit über 20 Jahren, seither findet nicht nur hier interreligiöser Dialog statt, doch hat man sich wirklich kennengelernt?
Amberg: In der Tat erreicht der zivilisierte Dialog, der bereits in geführt wird, die Unzivilisierten nicht. Ich muss mich da an die eigene Nase fassen. Der Dialog in Akademieformat hat sein Recht. Doch heute müssen wir uns bemühen, das Bewusstsein für die anderen mehr denn je an die Basis zu bekommen, in die Kirchengemeinden, in die Moscheen und zu denen, die weder hier noch dort hingehen. Da stehen wir noch vor einer Riesenhürde. Es muss jetzt heißen: Poetry-Slam statt Fachvortrag.
Was heißt das für die interreligiöse Arbeit in der Brücke?
Amberg: Wir veranstalten am Wochenende einen Teamtag unter dem Motto „Bleibt mal auf dem Teppich“ – ich finde das eine sehr passende Redensart, man könnte auch sagen, werft die Flinte nicht ins Korn oder lasst nicht eine absurde Angst mit euch durchgehen. Die Arbeit der Brücke hier in Gostenhof ist geprägt von den persönlichen Netzwerken und menschlichen Begegnungen.
Außerdem haben mein muslimischer Kollege Imam Alhout und ich die Gesprächsrunde „Diwan“ für Männer gegründet, in der christliche und muslimische Männer, auch junge geflüchtete Männer sich kennenlernen. Einer der ersten Abende stand unter dem Motto „Deine Angst – meine Angst“. Mit vielen kommunalen Akteuren vor Ort in Nürnberg versuchen wir ein Netzwerk gegen gewaltbereiten Salafismus aufzubauen.
Also das Interesse am Kennenlernen des Islams ist da?
Amberg: Ja. Mir schwirrt der Kopf von so vielen Anfragen. Das Thema ist bei der Dorfhelferin in Westmittelfranken genauso angekommen wie bei den Polizeikräften, für die ich Kurse gebe. Im Moment könnte ich gut ein paar mehr Mitarbeiter vertragen. (epd/mig) Aktuell Interview
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