Schönrechnerei
Ex-BAMF-Chef Weise verfehlte selbst gesteckte Ziele
Ex-BAMF-Chef Weise hat seine selbstgesteckten Ziele bei weitem verfehlt: die Asylverfahren dauern mehr als sechs Monate und die Zahl offener Verfahren ist sogar geworden. Derweil rechnet das Bundesinnenministerium die Daten schön.
Von Ulla Jelpke Freitag, 13.01.2017, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.01.2017, 20:13 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Drei Monate sollte ein Asylverfahren im Jahr 2016 durchschnittlich dauern, alle anhängigen Verfahren sollten bis Ende 2016 abgebaut sein. Das erklärte der jetzt ausgeschiedene Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Frank-Jürgen Weise kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2015. Ein Jahr später steht fest: Diese zentralen Ziele wurden bei weitem verfehlt, und das, obwohl im Jahr 2016 deutlich weniger Flüchtlinge kamen, als ursprünglich erwartet. Ein Asylverfahren im Jahr 2016 dauerte im Schnitt statt drei mehr als sechs Monate, und statt den Berg offener Verfahren abzubauen, vergrößerte er sich noch, von 365.000 Ende 2015 auf 434.000 Ende 2016. Die Bundesregierung, die für dieses Desaster verantwortlich ist, rechnet sich die Bilanz schön und täuscht das Parlament und die Öffentlichkeit.
Schnelle und faire Asylverfahren sind die entscheidende Stellschraube, wenn es um eine gute Integration schutzbedürftiger Flüchtlinge geht. Darin sind sich eigentlich alle einig – doch genau in diesem zentralen Punkt hat die Bundesregierung sträflich versagt.
Ein Grund dafür ist vor allem ihre ideologisch bornierte Abwehrhaltung: So hat die Bundesregierung eine unkomplizierte Altfallregelung zur wirksamen Entlastung des BAMF von länger andauernden Verfahren, wie von der LINKEN bereits Anfang 2015 gefordert, stets abgelehnt. Zudem schaffte das Bundesinnenministerium Anfang 2016 das schnelle schriftliche Anerkennungsverfahren für Asylsuchende mit sehr hohen Anerkennungschancen wieder ab – um verstärkt einen nur vorläufigen, subsidiären Schutzstatus erteilen zu können, mit bis März 2018 kein Familiennachzug möglich ist. Alle Schutzsuchenden müssen seitdem wieder persönlich angehört werden, selbst wenn sie, wie die syrischen Flüchtlinge, am Ende zu nahezu 100 Prozent einen Schutzstatus erhalten. Zuvor gab es hier nur dann eine persönliche Anhörung, wenn ein konkreter Grund für Nachfragen vorlag, etwa bei Zweifeln an ihrer Identität oder Herkunft oder bei etwaigen Sicherheitsbedenken. Und schließlich muss daran erinnert werden, dass die (erhebliche) Aufstockung des Personals im BAMF erst mit deutlicher Verzögerung eingeleitet worden war, obwohl das BAMF frühzeitig zusätzliche Stellen eingefordert hatte.
Auf eine parlamentarische Anfrage von mir zur gescheiterten Bilanz des Ex-BAMF-Chefs Weise antwortete die Bundesregierung höchst ausweichend. Während Weise erklärt hatte: „Im Schnitt des Jahres 2016 werden wir bei einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von drei Monaten sein“ 1, verwies die Bundesregierung auf die Bund-Länder-Vereinbarung im Rahmen des Flüchtlingsgipfels vom September 2015, wonach angeblich nur „neue“ Verfahren maximal drei Monate dauern sollten. Davon ist in dem besagten Beschluss keine Rede, aber sei´s drum. Frank-Jürgen Weise jedenfalls bezog sich auf die durchschnittliche Asylverfahrensdauer und bezifferte diese damals zutreffend auf fünf Monate 2. Eine Absenkung auf drei Monate musste vor diesem Hintergrund als möglich erscheinen.
Ende November 2016 lag die durchschnittliche Asylverfahrensdauer bei 6,9 Monaten, musste die Bundesregierung in ihrer Antwort einräumen. Sie bezeichnete dies jedoch als „rein statistischen Effekt“, weil viele komplexe Altfälle abgebaut worden seien, die schon lange anhängig waren. Das mag schon sein, aber ein Durchschnittswert ist ein Durchschnittswert, und dass auch alle länger anhängigen Verfahren in diesen Wert mit eingehen würden, muss Herrn Weise bekannt gewesen sein, als er seine Zielvorgaben aussprach. Hinzu kommt noch die lange Wartezeit, bis Asylsuchende überhaupt einen Asylantrag stellen konnten. Im 3. Quartal 2016 waren dies zusätzlich noch einmal acht Monate – erst nach mehrfachem, hartnäckigem Nachfragen liegen hierzu überhaupt Angaben vor 3.
Neue Asylanträge würden inzwischen in durchschnittlich nur noch zwei Monaten entschieden, das Ziel höchstens dreimonatiger Verfahren sei somit „bereits erreicht“, verkündete die Bundesregierung in ihrer Antwort stolz. Aber auch dies ist ein leicht durchschaubarer Rechentrick. Indem nur Anträge betrachtet werden, „die in den letzten sechs Monaten gestellt und entschieden wurden“, gehen per Definitionem nur solche Verfahren in die Berechnung ein, die schnell abgeschlossen werden konnten – und die länger andauernden Verfahren werden einfach nicht mitgezählt. Ein „rein statistischer Effekt“, sozusagen.
Der von der Bundesregierung und in der Öffentlichkeit immer wieder hoch gelobte Ex-Behördenchef Frank-Jürgen Weise hat im Ergebnis seine zentralen, selbst gesteckten Ziele für die Asylbearbeitung bei weitem verfehlt. Die Verantwortung dafür trägt, wie dargelegt, vor allem das Bundesinnenministerium. Aber auch Herr Weise redet sich im Nachhinein die Bilanz schön. Das will so gar nicht zu dem Bild des ehrlichen und eifrigen Beamten passen.
- Weise betonte zugleich, „in Wahrheit warteten die Antragsteller noch viel länger. ‚Wir müssen heute feststellen, dass die Flüchtlinge oft viel früher im Land sind, aber diese Zeit wird nicht gerechnet.‘“ (a.a.O.).
- 5,1 Monate waren es im 4. Quartal 2015, Bundestagsdrucksache 18/7625, Frage 4
- Bundestagsdrucksache 18/10575, Frage 4k
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Die Linke AfD schafft es mal wieder Propaganda zu streuen. Richtig, nicht alle Asylverfahren sind innerhalb von drei Monaten abgeschlossen. Derjenige Syrer, der aber am 01.10.2016 (zB) einen Asylantrag gestellt hat, hatte in der Regel zwei Wochen später seinen Bescheid in der Hand. Nahezu alle Flüchtlinge, die 2015 und Anfang 2016 nicht einen Asylantrag stellen konnten, haben dies tun können.
Klar ist aber auch: Je schwieriger die Einzelfallentscheidung ist, desto länger dauert das Verfahren. Der Syrer mit Identitätsnachweis ist schnell entscheidbar, der Iraker ohne Nachweise, der nur kurdisch spricht und sich nicht zu seinem Heimatort äußern kann, wird wohl gründlicher zu überprüfen sein.
Das gleiche gilt für denjenigen Marokkaner, der dreimal nicht zur Asylantragsstellung erscheint, beim vierten Mal nur vage Aussagen machen kann und keine Identitätspapiere vorlegt. Häufig haben solche Personen noch mehrere Aliaspersonalien und viele Stellen haben ohnehin den oftmals berechtigten Verdacht, dass es sich um einen Algerier handeln könnte.
Für alle diejenigen, die in dem Metier arbeiten sind Artikel wie der Jelpkische ein Schlag ins Gesicht.