EU-Flüchtlingspolitik
Was ist beschlossen und was steht noch aus?
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reist heute in die Türkei, am Freitag treffen sich auf Malta die EU-Staats- und Regierungschefs. Bei beiden Terminen dürfte die Flüchtlingskrise oben auf der Agenda stehen. Das MiGAZIN gibt einen Überblick, was auf EU-Ebene dazu beschlossen wurde und was noch aussteht.
Von Phillipp Saure Donnerstag, 02.02.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 02.02.2017, 17:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Flüchtlingsabkommen mit der Türkei:
Was ist geplant und beschlossen? Die EU und die Türkei haben am 18. März 2016 eine Vereinbarung geschlossen. Danach nimmt die Türkei alle Migranten wieder auf, die von ihrem Territorium irregulär auf die griechischen Inseln übersetzen. Dies gilt, wenn die Menschen in der EU kein Asyl erhalten. Im Gegenzug hat die EU unter anderem drei Milliarden Euro für die Flüchtlinge in der Türkei zugesagt sowie die Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsbürger.
Was steht aus? Die Zahl der Ankömmlinge auf den griechischen Inseln hat drastisch abgenommen: Von im Schnitt über 1.700 Menschen täglich kurz vor dem Pakt auf rund 80 im Herbst 2016. Dennoch kamen dem aktuellen EU-Bericht vom Dezember zufolge immer noch mehr Menschen täglich an, als in die Türkei zurückgebracht wurden. Die EU-Kommission drängt deshalb die griechischen Behörden, die Asylverfahren zu beschleunigen und die anderen EU-Staaten, Griechenland wie versprochen mit Asylexperten zu helfen. Die Türkei kritisiert, dass die versprochenen Zahlungen ausgeblieben sind. Eine Aufhebung der Visumpflicht ist ebenfalls nicht erfolgt.
Neuer Grenz- und Küstenschutz:
Was ist geplant und beschlossen? Der EU-Grenze und Küstenschutz, kurz Frontex, wurde gestärkt. Die EU-Institutionen haben das einschlägige Gesetz unter dem Druck der Flüchtlingskrise in einem Dreivierteljahr verabschiedet – eine ungewöhnlich kurze Zeit für die EU. Im Oktober wurde der Startschuss für das neue Frontex gegeben.
Was steht aus? Die Soll-Stärke der Kerntruppe von 1.500 Einsatzkräften, die innerhalb von Tagen an besonders betroffene EU-Grenzen verlegt werden sollen, ist erreicht. Es fehlt aber noch an Ausrüstung, vor allem an Patrouillenbooten und Hubschraubern.
Kooperation mit Libyen:
Was ist geplant und beschlossen? Nach der Entspannung auf der Türkei-Route richtet sich die Aufmerksamkeit auf das zentrale Mittelmeer. Auf der zentralen Mittelmeerroute gelangen neun von zehn Migranten über Libyen in die EU. Daher will Europa eine bessere Zusammenarbeit mit dem nordafrikanischen Land.
Was steht aus? Eine grundlegende Stabilisierung Libyens. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini weist immer wieder darauf hin: Einen Pakt nach dem Vorbild des EU-Türkei-Pakts kann es mit dem zerrütteten Land, dessen Regierung nur einen Teil des Territoriums kontrolliert, in absehbarer Zeit nicht geben – punktuelle Kooperation etwa beim Training der Küstenwache aber sehr wohl.
Verteilung von 160.000 Flüchtlingen:
Was ist geplant und beschlossen? Im September 2015 beschlossen die EU-Innenminister, vor allem Griechenland und Italien in der Flüchtlingskrise zu entlasten. Bis September 2017 sollten bis zu 160.000 Menschen in anderen EU-Ländern unterkommen.
Was steht aus? Vergangene Woche waren erst 11.000 Menschen im Zuge dieses Mechanismus umverteilt. Zudem steht eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus, denn Ungarn und die Slowakei haben gegen die Umverteilung geklagt.
Reform des Dublin-Systems:
Was ist geplant und beschlossen? Das Dublin-System regelt, welcher EU-Staat für Asylanträge zuständig ist. Meist ist es das Ersteinreise-Land, also de facto vor allem die Südländer. Wegen dieser Einseitigkeit hat die EU-Kommission eine Reform auf den Weg gebracht.
Was steht aus? Der Reformvorschlag behält das Ersteinreise-Land bei. Um die Lasten besser zu verteilen, soll allerdings bei großen Migrantenzahlen ein Solidaritätsmechanismus greifen und die Menschen auf andere Länder verteilen. Die Kommission kann dies aber nur vorschlagen: Entschieden wird vom Europaparlament und den EU-Regierungen. Und für diese ist ein Knackpunkt natürlich wieder die Lastenverteilung, die schon bei der Verteilung der 160.000 wenig funktioniert. (epd/mig) Aktuell Politik
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