"Der braune Dreck muss weg"
71-Jährige bekommt Ärger weil sie Hakenkreuze entfernt
Mehrmals monatlich setzt Irmela Mensah-Schramm irgendwo in Deutschland ihre scharfe Klinge an, um Hassparolen in der Öffentlichkeit zu entfernen. Dafür wird die Seniorin bewundert und geehrt. Doch ihre Aktionen brachten sie auch schon vor Gericht.
Von Christine Xuân Müller Dienstag, 07.03.2017, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.03.2017, 19:04 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Ohne Ceranschaber, Nagellackentferner und Farbspraydose geht Irmela Mensah-Schramm nie aus dem Haus. Es ist die Grundausrüstung der 71-Jährigen, die sich selbst den Namen „Polit-Putze“ gegeben hat, um nicht als „Sprayer-Oma“ bezeichnet zu werden. Seit über 30 Jahren entfernt sie rechtsextreme Schmiererein und Aufkleber, die sie überall in Deutschland – von Dortmund bis Dresden, von Bautzen bis Berlin, vom München bis Magdeburg – entdeckt.
Mit ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus landete die couragierte Seniorin wegen Sachbeschädigung zuletzt vor Gericht. Zugleich wird ihre Arbeit immer häufiger zum Ausstellungsobjekt. So präsentiert das NS-Dokumentationszentrum München in einer Sonderausstellung ab 8. März rund zehn Ordner mit Fotos ihrer Putz-Aktionen. Im vergangenem Jahr machte das Deutsche Historische Museum in Berlin auf ihre Arbeit aufmerksam. Ihre eigene Ausstellung „Hass vernichtet!“ ist regelmäßig in kleinen Projekten zu sehen.
„Der braune Dreck muss weg“
Oft wird gesagt, sie habe einen ganz bestimmten Blick: Denn wo Irmela Mensah-Schramm unterwegs ist – zu Fuß, im Bus oder im Café – immer scannt sie ihre Umgebung nach rechtsextremen Schmiererein oder Aufklebern. Und wenn sie rechte Propaganda an Laternenpfosten, Betonwänden oder Müllcontainern entdeckt, holt sie ihre Werkzeuge und legt los: Aufkleber werden mit dem Ceranschaber entfernt, mit Edding geschriebene SS-Runen mittels Nagellackentferner gelöscht, und Hakenkreuze an Mauerwänden übersprüht die Seniorin gerne mal mit einem roten Herz. „Der braune Dreck muss weg“, sagt die Rentnerin mit weißen Haaren und jugendlichem Elan, die auch meist einen Hipsterbeutel mit dem Statement „Wer von Asylflut spricht hat Ebbe im Gehirn“ bei sich trägt.
Für ihre Zivilcourage ist Mensah-Schramm mehrfach geehrt wurden, etwa mit dem Göttinger Friedenspreis (2015) oder dem Silvio-Meier-Preis (2016). Die Bundesverdienstmedaille gab sie wieder zurück – aus Protest gegen die Ehrung des SS-Veteranen Heinz Eckhoff mit dem Bundesverdienstkreuz. Vor allem Jugendliche sind oft tief beeindruckt von ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus. Wenn die Seniorin Workshops an Schulen über ihre Aktionen gibt, fallen ihr manchmal 16-jährige Mädchen vor Bewunderung „einfach um den Hals“, erzählt sie. Einmal habe ihr ein kleiner Junge aus einer Grundschule in Brandenburg bescheinigt: „Sie sind die beste Frau der Welt.“
Neonazi beeindruckt
Selbst ein Neonazi war so beeindruckt von der „Polit-Putze“, die trotz Pöbeleien und Drohungen seit Jahren unverdrossen weitermacht, dass er entschied, aus der rechten Szene auszusteigen. Der junge Mann meldete sich bei Mensah-Schramm persönlich, um von seinem Gesinnungswandel zu berichten. „Das hat mich ganz schön bewegt, und mir kamen ein bisschen die Tränen“, sagt die betagte Aktivistin. „Nicht doch!“, habe der junge Mann ebenfalls gerührt entgegnet.
Unumstritten sind ihre Putz-Aktionen jedoch nicht. Immer wieder gibt es Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung, immer wieder wurden diese fallengelassen. Zuletzt jedoch machte ein erstes Gerichtsurteil Schlagzeilen. Weil Mensah-Schramm in einem Berliner Fußgängertunnel aus der Parole „Merkel muss weg“ ein „Merke! Hass weg!“ in Pink kreierte, bekam sie wegen Sachbeschädigung vom Berliner Amtsgericht eine Verwarnung in Höhe von 1.800 Euro aufgebrummt.
Ermittlungsverfahren
Zu milde befand eine junge Staatsanwältin und legte Berufung ein. „Sie haben keine Vorbildfunktion“, betonte die Juristin. Mensah-Schramm erhob ebenfalls Einspruch, sie will von allen Vorwürfen freigesprochen werden. Nun liegt der Fall beim Berliner Landgericht. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, ist unklar.
Und trotz der Gerichtsverwarnung macht die „Politz-Putze“ weiter. In den letzten Monaten war sie unter anderem in Dresden, „gegen diese fürchterliche ‚Pegida'“ unterwegs, wie Mensah-Schramm sagt. In Bautzen übermalte sie den rechten Slogan „Demokratie = Volkstod“ mit einem roten Herzen. Nun läuft in der ostsächsischen Stadt ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen sie.
Sachbeschädigung von Sachbeschädigung
Auch mehrere Politiker „aus dem gesamten Parteienspektrum“ sowie Institutionen, die sich ebenfalls gegen Rechtsextremismus engagieren, gehen auf Distanz, wie Mensah-Schramm berichtet. Namen will sie öffentlich aber nicht nennen. Ihre Putzaktionen seien „Werbung für Sachbeschädigung“, laute häufig die Kritik.
Tatsächlich gilt schon das Anbringen von Aufklebern in der Öffentlichkeit oder das Beschmieren von Wänden als Sachbeschädigung. „Und wenn ich rechte Propaganda übermale ist das Sachbeschädigung von Sachbeschädigung?“, fragt Mensah-Schramm. Solch eine Rechtsauffassung sei für sie „eine gnadenlose Scheinheiligkeit“. Deshalb will sie trotz möglicher juristischer Konsequenzen auch weiter braune Hakenkreuze mit roten Herzen übermalen. „Und wenn ich dafür ins Gefängnis gehe“, sagt Irmela Mensah-Schramm fest entschlossen. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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Man muss halt differenzieren. Hakenkreuze übermalen geht in Ordnung, dafür wird sie kein Gericht verurteilen. Die sind rechtswidrig und deren Beseitigung deshalb nicht rechtswidrig. Aber „Merkel muss weg“ ist eine zulässige Meinungsäußerung. Da kann man nicht einfach Selbstjustiz spielen wollen. Ob es strafbare Sachbeschädigung ist oder der Eigentümer den Spruch selbst angebracht hat oder duldet — das geht außer ihm selbst niemanden etwas an. Und die Motive für diesen Spruch sind auch unklar. Früher hieß es auch „Kohl muss weg“, und zwar von Leuten, die gegen eine Einschränkung des Asylrechts waren, wie sie unter Kohl Anfang der 90erjahre beschlossen wurde.
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