Syrer scheitert vor Gericht
Facebook muss Hetze nicht selbst suchen und löschen
Das Medieninteresse am Facebook-Prozess in Würzburg war groß: Zwingt ein syrischer Flüchtling den US-Konzern dazu, aktiv nach Hetze suchen und sie löschen zu müssen? Facebook ging zumindest vorerst als Sieger vom Platz.
Von Daniel Staffen-Quandt Mittwoch, 08.03.2017, 4:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.07.2017, 10:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der US-Internetkonzern Facebook hat vor Gericht einen Etappensieg errungen. Die Erste Zivilkammer des Landgerichts Würzburg wies am Dienstag den Antrag des syrischen Flüchtlings Anas Modamani auf eine einstweilige Verfügung gegen das soziale Netzwerk ab. Facebook muss demzufolge auch künftig nicht von sich aus verleumderische Beiträge über Modamani in seinem Portal finden und löschen. Der Syrer wird auf Facebook seit Monaten immer wieder als Terrorist und Straftäter verleumdet. Dabei wird zumeist ein Foto verwendet, das Modamani dabei zeigt, wie er ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht. (AZ: 11 O 2338/16)
Der Vorsitzende Richter der Ersten Zivilkammer, Volkmar Seipel, sagte, alleine die Frage, ob das Landgericht Würzburg für solch ein Verfahren überhaupt zuständig ist, sei schwierig zu beantworten. In einer kurzen Urteilsbegründung sagte er, die Kammer sei der Auffassung, dass das soziale Netzwerk „weder Täter noch Teilnehmer“ der Verleumdung sei. Damit liege rechtlich gesehen weder ein Behaupten, noch ein Verbreiten vor. Das soziale Netzwerk habe sich die verleumderischen Beiträge auch nicht „zu eigen“ gemacht, eine Veränderung der Inhalte sei ebenfalls nicht vorgenommen worden. Es blieben somit reine Nutzer-Inhalte.
Die Kammer stufte Facebook in ihrer Urteilsbegründung mit Verweis auf das Telemediengesetz als Host-Provider ein. Das heißt, dass Facebook für strafbare Inhalte der Nutzer „erst nach Meldung und Kenntnis“ verantwortlich ist und diese sperren oder entfernen muss. Richter Seipel sagte allerdings, dass sich der US-Konzern bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung wie in diesem Fall unter Umständen nicht darauf berufen könne, dass der Verletzte jede einzelne Fundstelle des beanstandeten Inhalts nachweisen muss. Dies könne für das Opfer einer Internet-Verleumdung unter Umständen nicht zumutbar sein.
Gericht: Geschäftsmodell darf nicht gefährdet werden
Diese Fragestellung sprenge jedoch den Rahmen eines Eilverfahrens, sagte der Vorsitzende Richter. Denn zum einen müsse geklärt werden, wie so eine intensivierte Suche nach verleumderischen Beiträgen genau auszusehen habe. Außerdem müsse über Gutachten geklärt werden, ob dies technisch möglich ist – und wenn ja, mit welchem Aufwand. Seipel verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach solch eine Such-Verpflichtung nur dann rechtens ist, wenn sie ohne zu großen technischen Aufwand realisierbar und damit zumutbar ist. Zudem dürfe dabei das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht gefährdet werden.
Ein Facebook-Sprecher teilte dem Evangelischen Pressedienst am Dienstag auf Anfrage schriftlich mit, dass man sehr gut verstehe, „dass dies für Herrn Modamani eine schwierige Situation ist“. Der Konzern sei jedoch erfreut, „dass das Gericht unsere Ansicht teilt“, dass rechtliche Schritte hier nicht der effektivste Weg zur Lösung der Situation seien. Man habe schnell den Zugang zu Inhalten blockiert, die von Modamanis Anwälten korrekt gemeldet wurden. Man werde auch weiterhin auf alle rechtmäßigen Meldungen eingehen. Man halte sich bei den Inhalten, die Menschen auf Facebook teilen, an das deutsche Recht, hieß es.
Chan-jo Jun: Recht älter als das soziale Netzwerk
Modamanis Anwalt Chan-jo Jun sagte, das Gericht habe sich mit seiner Entscheidung „in den Grenzen des Rechts“ bewegt, das älter ist als das soziale Netzwerk. Die Gesellschaft müsse entscheiden, ob sie weiterhin hinnimmt, dass Facebook „machen kann, was es will“, sagte Jun: „Wenn nicht, dann brauchen wir neue Gesetze.“ In diesem Verfahren habe man lernen können, „wie unsere antiken Gesetze auf moderne Sachverhalte reagieren“. So sei zum Beispiel die E-Commerce-Richtlinie der EU älter als Facebook selbst. Die Politik sei nun gefordert, Gesetze zu ändern – und vor allem Strafen einzuführen, die auch Konzernen finanziell wehtäten.
Anwalt Jun kündigte an, Modamani in einem Hauptsacheverfahren nicht weiter vertreten zu wollen. Mehrere Medien hatten berichtet, Jun und seine Familie seien wegen des Mandats bedroht worden. Er selbst kritisierte nach der Urteilsverkündung auch die Anwälte Facebooks, die „persönliche Angriffe gegen ihn“ gefahren hätten. Der Jurist erklärte, er habe schon Kontakt zu einigen Anwälten, die bereit wären, das Mandat zu übernehmen. Ob es überhaupt ein Hauptsacheverfahren gibt, das entscheide allein Modamani. Das müsse auch nicht jetzt geschehen, er habe bis zu einer etwaigen Verjährung der Ansprüche noch Zeit. (epd/mig) Aktuell Recht
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