Pressekodex
Presserat ändert Richtlinie zur Herkunftsnennung bei Tätern
Der Deutsche Presserat hat die umstrittene Richtlinie zur Nennung der Herkunft von Straftätern geändert. Herkunft und Religion von Straftätern sollen in Zukunft genannt werden, wenn ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt.
Freitag, 24.03.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.03.2017, 10:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Deutsche Presserat hat die umstrittene Richtlinie zur Nennung der Herkunft von Straftätern neu formuliert. Damit werde die eigenständige Verantwortung der Medien beim Diskriminierungsschutz bekräftigt, teilte das Selbstkontrollorgan nach einer Plenumssitzung in Berlin mit. Der alten Richtlinie 12.1 zufolge sollten Medien Herkunft und Religion von Straftätern nur dann nennen, wenn ein „begründbarer Sachbezug“ zu der Straftat bestand. In der Neufassung ist diese Ausnahme von der Regel dann legitim, „wenn ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt“.
Wie der Sprecher des Deutschen Presserats, Manfred Protze, sagte, wurde die neue sogenannte Diskriminierungsrichtlinie mit breiter Mehrheit angenommen. Es habe nur wenige Gegenstimmen und Enthaltungen gegeben. Beschlüsse des Presserats müssen mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst werden.
Keine dikriminierende Verallgemeinerung
Laut Presserat hat die Presse darauf zu achten, dass die Berichterstattung über das Fehlverhalten Einzelner nicht diskriminierende Verallgemeinerungen fördert. Den Redaktionen obliege die Pflicht, stets sorgfältig zu prüfen, ob die Erwähnung der Herkunft von Straftätern durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.
Dabei sei „öffentliches Interesse nicht dasselbe wie Neugier“, unterstrich Presserats-Sprecher Protze. In der Diskussion über die Neuregelung sei häufig argumentiert worden, die Leser wollten wissen, woher die Straftäter kämen. Das Interesse der Leser sei aber nicht „öffentliches Interesse“, dieses sei vielmehr an einen Beitrag zum Gemeinwohl gebunden.
Richtlinie zum Schutz von Minderheiten
Die Richtlinie 12.1 war in den Pressekodex aufgenommen worden, um Minderheiten vor Vorurteilen zu schützen. Besonders im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Straftaten in der Kölner Silvesternacht geriet der Diskriminierungsschutz aber im vergangenen Jahr in die Kritik. Journalisten beklagten, die Richtlinie halte Medien davon ab, über Kriminalität von Ausländern wahrheitsgetreu zu berichten. Leser würden bevormundet. Dazu gingen mehr als 20 Beschwerden beim Presserat ein.
Mit der Neuregelung entspreche der Presserat dem Bedarf vieler Redaktionen, die Regeln als zeitgemäße und praktische Handlungshilfe zu formulieren, hieß es nun. Die Diskriminierungsrichtlinie sei nun „verständlicher“, erläuterte Protzke. Der Presserat werde in Kürze zudem Leitsätze veröffentlichen, die die praktische Handhabung der Richtlinie in den Redaktion im konkreten Fall erleichtern solle.
Im Wortlaut heißt es nun in der neuen Richtlinie 12.1: „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Journalistenverband begrüßt Änderung
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht die Neuformulierung der umstrittenen Pressekodex-Richtlinie zur Herkunftsnennung bei Straftätern positiv. Der „präzisierte Wortlaut“ trage dazu bei, Verunsicherungen in den Redaktionen zu reduzieren, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall am Donnerstag in seinem Blog. Es ändere sich zwar letztlich nicht viel, aber durch den Bezug auf das „öffentliche Interesse“ werde, klarer, was mit der sogenannten Diskriminierungsrichtlinie gemeint sei.
DJV-Chef Überall begrüßte, dass in der Neuregelung kein Zweifel daran gelassen werde, dass diskriminierende Berichterstattung unerwünscht ist. Nach seiner Ansicht muss es jetzt darum gehen, möglichst schnell die angekündigte Handreichung für Journalisten vorzulegen. Darin sollen die Regeln zur Herkunftsnennung ausführlicher erläutert werden. Laut Presserat sollen diese Leitsätze im Sommer folgen.
Alleingang einzelner Zeitungen
Die „Sächsische Zeitung“, die seit dem vergangenen Sommer die Herkunft von Tätern in jedem Fall nennt – auch der Deutschen, bleibt indes auch künftig bei ihrer Linie. Chefredakteur Uwe Vetterick sagte dem epd am Donnerstag, er teile das Ziel der Richtlinie 12.1 „von ganzem Herzen“, doch gehe sein Blatt in Dresden einen anderen Weg, um dieses Ziel zu erreichen.
Vetterick verwies erneut auf eine Umfrage, wonach die Leser der Zeitung die Zahl krimineller Flüchtlinge in Sachsen erheblich höher einschätzen als sie ist. Im Frühjahr 2018 solle es dazu eine erneute Befragung geben. Wenn sich dann herausstelle, dass die Lücke zwischen Wahrnehmung und Realität bei den Lesern kleiner geworden sei, „dann hätten wir was erreicht“, erklärte der Chefredakteur. (epd/mig) Leitartikel Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
Pingback: Besorgte Bürger siegen - Eine fatale Entscheidung des Presserats - MiGAZIN