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"Knastis bauen nicht nur Mist"

Jugendliche Gefangene führen durch Anne-Frank-Ausstellung

Junge Häftlinge leiten in Hameln Besucher durch eine Wanderausstellung über das jüdische Mädchen Anne Frank. Ihre Tagebuch-Schilderungen der Flucht vor den Nationalsozialisten hinterlassen Spuren bei den "Peer Guides".

Von Leonore Kratz Montag, 03.04.2017, 4:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.04.2017, 15:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der 20-jährige Alex ist schon ein wenig aufgeregt. In der Jugendanstalt Hameln sitzt er mit 16 anderen Gefangenen zusammen und hat eine Frage: „Was mache ich, wenn ich in der Führung eine Antwort nicht mehr weiß?“ Sein Mitgefangener Massjano denkt pragmatisch: „Frag doch, ob jemand in der Gruppe die Antwort kennt.“ Bald wird es ernst für Alex, Massjano und die anderen: Drei Wochen lang führen sie als „Peer Guides“ durch die Wanderausstellung „Lasst mich ich selbst sein“ über das jüdische Mädchen Anne Frank (1929-1945).

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Das Gefängnis in Hameln, die bundesweit größte Jugendhaftanstalt, ist die zehnte Station der bundesweiten Tournee. In einem zweitägigen Workshop haben die Häftlinge von Pädagogen des Anne Frank Zentrums in Berlin gelernt, wie sie jungen Besuchern Annes Lebensgeschichte und den Nationalsozialismus näherbringen. Auch bei den anderen Stationen arbeiten die Initiatoren der Ausstellung mit Gefangenen als Guides zusammen.

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Anne Frank kam im März 1945 mit 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle ums Leben. Zuvor hatte sie sich ab Juli 1942 mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten versteckt. Dort hielt Anne ihre Erlebnisse und Gedanken in einem Tagebuch fest. Ihr Vater, der die Verfolgung überlebte, veröffentlichte es nach dem Zweiten Weltkrieg und machte seine Tochter so weltbekannt.

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Die Atmosphäre in der Runde der „Peer Guides“ in Hameln ist locker. „Müssen wir immer ernst sein?“ will Massjano wissen. Ausbilder Jakob Eichhorn gibt Tipps: „Seid einfach ihr selbst“, rät er den jungen Ausstellungsführern und fügt hinzu: „Passt vielleicht auf, dass ihr keine diskriminierende Sprache benutzt.“ Diskriminierung, Ausgrenzung, Rassismus – auch darum geht es in der Ausstellung. Für Massjano, 22 Jahre alt und wegen schweren Raubs verurteilt, ein wichtiges Thema: „Ich bin Sinti und war hier drin auch schon Vorurteilen und Schlägereien ausgesetzt.“

Als die Gefängnisleitung fragte, wer Interesse an der Guide-Ausbildung hat, war der 22-Jährige sofort dabei: „Meine Uroma war selbst in Auschwitz und Bergen-Belsen, sie hat auch diese Nummer am Arm.“

Schubladendenken sei immer gefährlich, klinkt sich Massjanos Mitgefanger Alex ein. „Das gilt zum Beispiel für die Flüchtlinge.“ Oder für jugendliche Strafgefangene. Außenstehende hätten oft ein schlechtes Bild von ihnen, befürchtet Alex. „Aber Knastis bauen nicht nur Mist.“ Hier könne er sich beweisen und anderen Jugendlichen etwas beibringen.

Info: Die Ausstellung ist nur noch bis zum 7. April von 16.30 bis 18.30 Uhr nach vorheriger Anmeldung zu sehen.

Ausbilderin Franziska Göppner vom Anne Frank Zentrum ist immer wieder fasziniert, wie gut Anne Frank als Identifikationsfigur funktioniert. Mit der Ausstellung wollen die Pädagogen Wissen vermitteln, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Identität anstoßen. Die Jugendlichen fänden einen persönlichen Zugang, weil Anne in ihrem Tagebuch so viel über sich selbst schreibe. „Das waren relevante Themen für Anne und sind es heute noch für die Jugendlichen.“ Auch wenn die Strafgefangenen andere Bildungsbiografien hätten, das Buch funktioniere sofort. „Ein Teilnehmer hat das Tagebuch gleich zweimal gelesen.“

Natürlich setzten die Jugendlichen sich auch mit der Gefangenen-Situation der Familie Frank auseinander, sagt Göppner. In der Feedback-Runde spricht sie die Häftlinge darauf an. Klar, sie wüssten, wie das ist, mit anderen Menschen eingesperrt zu sein. Dass die anderen irgendwann anfangen zu nerven. Aber in der Jugendanstalt habe immerhin jeder seine eigene Zelle, gibt Massjano zu bedenken. Gegen das Hinterhaus sei der Knast Luxus. Der 22-Jährige sieht noch einen anderen Unterschied: „Die Franks konnten nichts dafür, dass sie eingesperrt waren, wir sind selbst schuld.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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