Debatte um Doppelpass
Vererbung der zweiten Staatsangehörigkeit steht infrage
Die Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft hält seit dem Verfassungsreferendum in der Türkei an. In Diskussion ist ein sogenannter Generationenschnitt, der die Vererbung der zweiten Staatsangehörigkeit auf wenige Generationen begrenzt.
Von Corinna Buschow Freitag, 21.04.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.04.2017, 17:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Seit dem Verfassungsreferendum in der Türkei ist angesichts des Wahlverhaltens der Deutsch-Türken die Debatte um den Doppelpass wieder aufgeflammt. Unionspolitiker stellen erneut die seit 2014 geltende Rechtslage infrage, nach der in Deutschland geborene Kinder von Ausländern in der Regel zwei Pässe behalten dürfen. Konkret diskutiert wird ein neues Modell, das die Vererbung der zweiten Staatsangehörigkeit auf wenige Generationen begrenzen soll.
In Deutschland lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2015 rund 1,7 Millionen Menschen, die neben dem deutschen Pass noch den eines anderen Landes hatten. Bei rund 740.000 Einwohnern war die zweite Staatsangehörigkeit die eines anderen EU-Landes. 246.000 Menschen hatten zusätzlich zum deutschen einen türkischen, 228.000 einen russischen Pass. 555.000 Doppelstaatler sind der Statistik zufolge als Deutsche geboren, haben ihre beiden Pässe also „geerbt“ und keine eigene Einwanderungsgeschichte.
Wer sich in Deutschland einbürgern lassen will, muss nach geltendem Recht seine alte Staatsangehörigkeit aufgeben. Ausnahme sind EU-Bürger und Menschen aus Staaten, die ihre Bürger nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen. In Deutschland geborene Kinder von Ausländern erhalten zwei Pässe. Die frühere Optionspflicht, nach der sie sich als junge Erwachsene für eine Staatsbürgerschaft entscheiden mussten, wurde 2014 weitgehend abgeschafft. In der Regel dürfen sie nun beide Pässe behalten – und wiederum vererben.
CDU-Parteitag gegen Doppelpass
Der CDU-Parteitag im Dezember 2016 sprach sich nun wieder für die Abschaffung dieser Regelung aus. Und auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration kritisierte sie – allerdings aus anderen Gründen. Die Integrationsexperten bemängeln es als widersprüchlich, dass Eingebürgerte, die für den Erhalt des deutschen Passes hohe Hürden zu überwinden haben, ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben müssen, während in Deutschland Geborene sie unter weniger Bedingungen behalten dürfen.
Bereits 2014 schlug der Expertenrat deswegen den sogenannten Generationenschnitt vor, der einerseits auch Eingebürgerten erlauben soll, den ursprünglichen Pass zu behalten. Andererseits soll er das grenzenlose Vererben zweier oder noch mehr Staatsbürgerschaften verhindern, indem Kinder von Ausländern oder Doppelstaatlern nach zwei oder mehr Generationen nicht mehr automatisch den anderen Pass erhalten.
Für das Modell plädieren inzwischen auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und mehrere Parteikollegen. Vor der Bundestagswahl am 24. September, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Parteitag im Dezember klar, solle das Staatsangehörigkeitsrecht aber nicht mehr geändert werden.
Jüngere mehrheitlich für Doppelpass
Einer aktuellen Umfrage zufolge ist eine Mehrheit der Deutschen gegen die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft: Fast sechs von zehn Bundesbürgern (58 Prozent) lehnen den Doppelpass aktuell ab, wie aus einer am Freitag veröffentlichten ARD-Umfrage hervorgeht. Gut jeder dritte Deutsche (35 Prozent) befürwortet dagegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Das Institut Infratest dimap befragte im Auftrag des ARD-„Morgenmagazins“ am Montag und Dienstag 934 Wahlberechtigte.
Am größten ist die Zustimmung zum Doppelpass der Umfrage zufolge unter den Anhänger der Grünen (58 Prozent) und der Linken (55 Prozent). Von den AfD-Anhängern sind dagegen 84 Prozent gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, auch Anhänger der Union (68 Prozent) und der FDP (65 Prozent) lehnen den Doppelpass mit großer Mehrheit ab.
Sehr verschieden ist die Haltung zur doppelten Staatsbürgerschaft auch zwischen den Generationen: Von den über 65-jährigen Deutschen sind 73 Prozent gegen den Doppelpass und nur 20 Prozent dafür. Ganz anders denken die 18- bis 34-Jährigen: Von ihnen befürworten 48 Prozent die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft, dagegen sind 43 Prozent. (epd/mig) Aktuell Politik
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