„Verschleppung, Vertuschung, Strafvereitelung“
Tod von Oury Jalloh: Initiative fordert Auskunft zu Brandgutachten
Ein Gutachten sollte klären, ob Oury Jalloh sich in der Dessauer Polizeizelle selbst angezündet hat. Seit zehn Monaten warten Angehörige auf das Ergebnis. Die Gedenk-Initiative Jalloh wirft der Staatsanwaltschaft Vertuschung und Strafvereitelung im Amt vor.
Freitag, 16.06.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 22.06.2017, 1:35 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mehr als zwölf Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle fordern Aktivisten von den Behörden Auskunft zu einem neuen Brandgutachten. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ kritisierte Anfang dieser Woche in Berlin, die Ergebnisse eines von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau beauftragten Brandversuches vom August 2016 lägen noch immer nicht vor. Die Anklagebehörde erklärte, es könne kein Termin für die Veröffentlichung genannt werden. Es werde Sacharbeit geleistet.
Die Initiative kritisierte, selbst die Anwältinnen der Familie Jalloh hätten seit August 2016 trotz wiederholter Anträge keine aktuelle Akteneinsicht mehr erhalten. Sie seien weder über die Details des Versuchsaufbaus im Institut für Brand- und Löschforschung im sächsischen Dippoldiswalde noch über sonstige Ermittlungsschritte der Staatsanwaltschaft informiert worden.
Initiative: Staatsanwaltschaft verschleppt und vertuscht
Laut Initiative hätte das Brandgutachten bereits im Oktober 2016 vorliegen sollen. Auf eine Nachfrage der Mitteldeutschen Zeitung im Dezember 2016 hatte der zuständige Staatsanwalt Olaf Braun mitgeteilt, das Gutachten könnte im Januar 2017 vorgelegt werden. „Mittlerweile sind nun knapp zehn Monate vergangen und die Staatsanwaltschaft Dessau hüllt sich in anhaltendes tiefes Schweigen“, so die Initiative in einer Erklärung. Die im Vorfeld des Brandversuches angekündigte Transparenz sei nach wie vor nicht erkennbar.
Laut Initiative verschleppt die zuständige Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau nicht nur das laufende Ermittlungsverfahren „in unerträglicher Art und Weise“, sie behindere auch weiterführende Ermittlungsansätze. Die Initiative wirft der Staatsanwaltschaft vor, „die offensichtliche Beteiligung von Polizeibeamten am Mord“ zu „vertuschen“. Ermittlungen würden „zielgerichtet ins Leere geführt“, um eine Verantwortung „mordender Polizeibeamter im Polizeirevier Dessau erneut unter den Teppich zu kehren“.
Brandgutachten manipuliert?
Der aus Sierra Leone stammende Asylbewerber Oury Jalloh war am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. Er starb gefesselt an einer Matratze bei einem Brand in der Gewahrsamszelle. 2008 waren in einem ersten Prozess zwei Polizisten in Dessau freigesprochen worden. Nachdem der BGH das Urteil gekippt hatte, wurde ein Beamter 2012 vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine erneute Revision verwarf der BGH 2014. Jalloh soll die feuerfeste Matratze selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben.
Zur Rekonstruktion der Tatumstände hatte die Staatsanwaltschaft im August 2016 einen neuen Brandversuch durchführen lassen. Die Gedenk-Initiative hat selbst Gutachten in Auftrag gegeben, um zu zeigen, dass das Feuer von Dritten entzündet wurde. Sie präsentierte im Januar eine Stellungnahme eines Londoner Brandsachverständigen, der den Brandversuch der Staatsanwaltschaft als fehlerhaft kritisierte. Der Versuchsaufbau habe nicht den Gegebenheiten im Original entsprochen. Eine Vielzahl an Variablen seien so verändert worden, dass es leichter, besser und schneller brennt. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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