Dolmetscherin bestätigt
Franco A. sprach Deutsch bei seiner Asyl-Anhörung
Nicht ausreichend qualifiziertes Personal, überlastete Dolmetscher, lange Wartezeiten und fatale Fehler: Experten üben Kritik an der Arbeitsweise des Flüchtlingsamtes. Behördenchefin Cordt räumt Fehler ein, verteidigt aber ihre Mitarbeiter.
Mittwoch, 21.06.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.06.2017, 21:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Fall des wegen Terrorverdachts festgenommenen Bundeswehrsoldaten Franco A. wird immer grotesker. Der Bundesregierung zufolge hat der Bundeswehrsoldat bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Deutsch gesprochen. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen (liegt dem MiGAZIN vor) heißt es, Franco A. habe „teilweise auf Deutsch ohne vorherige Übersetzung geantwortet“.
Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, zeigt sich verwundert. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn in der Anhörung nichts Auffälliges festgestellt wird, wenn ein Antragsteller auf einmal auf Deutsch antwortet. Hinzu kam, dass Franco A. bei der Befragung kein Arabisch sprach.
Nur positive Bescheide überprüft
Darüber diskutierten am Dienstag Experten beim 17. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz. BAMF-Präsidentin Jutta Cordt räumte Fehler im Fall von Franco A ein. Das Verfahren sei in allen Bereichen nicht richtig gelaufen. Franco A. hatte sich beim Bundesamt als syrischer Asylbewerber ausgegeben und einen Flüchtlingsstatus zugesprochen bekommen. Der Fall legte Mängel in der Bearbeitung der Anträge offen.
Zwischenzeitlich hat das Flüchtlingsamt 2.000 positiv abgeschlossene Verfahren erneut überprüft. Man habe dabei keine Fälle entdeckt, die ein Sicherheitsrisiko ausmachten, sagte Cordt. Negative Asyl-Bescheide wurden nicht überprüft. Das sei Sache der Verwaltungsgerichte, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Laut Amtsberg ist das „absurd“. Es sei „davon auszugehen, dass ein großer Teil von Asylantragsteller aus nicht nachvollziehbaren Gründen vom BAMF abgelehnt wurde“, so die Grünen-Politikerin.
Experten einig: Arbeit des BAMF mus sich verbessern
Die Experten auf dem Symposium waren sich einig: Die Arbeit des BAMF muss sich verbessern. Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, sagte, er habe hohen Respekt vor den Aufgaben der Behörden-Mitarbeiter. Doch zum Recht auf Schutz gehöre auch Qualität. Die Verfahren sollten nicht schneller werden, sondern sorgfältiger. Die Präsidentin des Bundesamtes, Jutta Cordt, stimmte zu, dass Qualitätsmaßnahmen notwendig seien. Zugleich verteidigte sie ihre Mitarbeiter.
Scharfe Kritik an den Asylverfahren kam vom Frankfurter Rechtsanwalt Tim Kliebe. Es sei oft nicht nachvollziehbar wie Entscheidungen zustande kämen. Mit Blick auf die hitzige politische Debatte um das Asylrecht plädierte der Anwalt für mehr Zurückhaltung. „Flüchtlingsrecht ist Menschenrecht“, sagte Kliebe. Dieses Recht dürfe nicht auf dem Altar des Wahlkampfes geopfert werden.
Cordt: Keiner trifft Entscheidung leichtfertig
Bei dem zweitägigen Symposium diskutierten Experten über die Herausforderungen in der Asylpolitik. Veranstaltet wurde die Konferenz von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Nichtregierungsorganisationen.
„Kein Mitarbeiter trifft eine Entscheidung leichtfertig“, sagte Cordt. Sie kündigte an, dass in den kommenden Monaten die 116.000 noch offenen Altverfahren abgeschlossen werden sollen. Man wolle hier zügig und zeitnah vorankommen, sagte Cordt. Zu Beginn dieses Jahres habe es noch rund 435.000 Verfahren aus den Jahren 2016 und davor gegeben.
Anwalt Kliebe: Afghanistan ist nicht sicher
Die Präsidentin des Bundesamtes wies auf die besonderen Herausforderungen für ihre Behörde hin. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahl im Jahr 2015 sei das Amt innerhalb kürzester Zeit von etwa 2.000 Mitarbeitern auf rund 10.000 Beschäftigte aufgestockt worden. Zudem seien die neuen Mitarbeiter verkürzt qualifiziert worden. In den vergangenen Montaten seien aber Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, um die Qualität der Arbeit zu verbessern.
Thema der Debatte waren zudem Abschiebungen nach Afghanistan. Die Situation vor Ort habe sich offenbar drastisch verschlechtert, sagte Anwalt Kliebe. Auch Lilie zeigte sich besorgt. „Afghanistan ist kein sicheres Land“, sagte der Diakonie-Präsident. Man brauche eine Neubewertung der Lage vor Ort. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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