Studie
Viele junge Flüchtlinge hatten Europa nicht als Ziel
Über die Hälfte der jugendlichen afrikanischen Flüchtlinge wollte ursprünglich überhaupt nicht nach Europa. Die katastrophalen Bedingungen in Libyen haben sie häufig dazu gebracht, die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer zu wagen. Das geht aus einer aktuellen Unicef-Studie hervor.
Freitag, 28.07.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Viele junge Flüchtlinge aus Afrika haben einer Studie zufolge ursprünglich nicht Europa zum Ziel gehabt. Nur 46 Prozent der afrikanischen Jugendlichen, die in Italien für eine am Dienstag in Köln veröffentlichte Unicef-Studie befragt wurden, wollten von Anfang an nach Europa. Dagegen hatte ein Fünftel (20 Prozent) ursprünglich nordafrikanische Länder wie Algerien oder Libyen zum Ziel. Zwölf Prozent wollten in direkten Nachbarländern wie Mali, Niger oder Senegal bleiben, zehn Prozent hatten kein festes Ziel. Grund für die Weiterflucht nach Europa seien die schlechten Lebensbedingungen in den ursprünglichen Zielländern, hieß es.
Im Auftrag von Unicef hat die Initiative „Reach“ insgesamt 850 Flüchtlinge zwischen 15 und 17 Jahren in Griechenland und Italien befragt. Während in Italien vor allem alleinreisende männliche Jugendliche aus Westafrika und vom Horn von Afrika ankämen, seien es in Griechenland vor allem Jungen und Mädchen, die mit ihren Familien aus Syrien, dem Irak und Afghanistan geflüchtet sind.
Arbeit und Bildung häufigstes Motiv
Unter den Jugendlichen in Italien, die von Anfang an nach Europa wollten, gaben 48 Prozent als Grund die Hoffnung auf Arbeit an. 38 Prozent erhofften sich Zugang zu Bildung und 18 Prozent Respekt für Menschenrechte. Dagegen suchten die Jugendlichen, die in afrikanische Nachbarländer fliehen wollten, zu 44 Prozent eine Arbeitsstelle und nur zu fünf Prozent bessere Bildungschancen. In Griechenland habe ein Drittel der Eltern oder Erziehungsberechtigten angegeben, dass der Hauptgrund für die Flucht Bildung für ihre Kinder war, erklärte Unicef.
Während die sich Flüchtlingskinder in Griechenland zum Großteil gemeinsam mit ihren Familien zur Flucht entschlossen, trafen laut Umfrage 75 Prozent der Jugendlichen in Italien die Entscheidung alleine. Allein ein knappes Drittel (31 Prozent) von ihnen sei unter anderem wegen Gewalt oder Problemen in ihren Familien geflohen, hieß es. Ebenso viele (32 Prozent) nannten als Fluchtgrund die schlechte wirtschaftliche Situation in ihrem Heimatland. 18 Prozent flohen wegen fehlende Bildungsmöglichkeiten, ebenfalls 18 Prozent vor politischer Verfolgung.
Von Europa oft enttäuscht
Die Unicef-Expertin Afshan Khan sagte, die Studie zeige, dass es deutlich mehr Push-Faktoren gebe, die Jugendliche aus ihrer Heimat vertreiben, als Pull-Faktoren, die sie nach Europa locken. „Diejenigen, die Europa zum Ziel hatten, wurden von der Aussicht auf weiterführende Bildung, Respekt für ihre Rechte und den Wunsch, im Leben weiterzukommen, angetrieben.“
In Europa würden ihre Erwartungen aber oft enttäuscht, ergänzte Khan: Grund dafür seien die langen Asylverfahren in Italien und Griechenland. Viele Jugendliche versuchten deswegen, ihre Ziele auf illegalem Weg zu erreichen. Sie drohten dadurch, aus dem Asylsystem zu fallen und zum Opfer von Missbrauch und Ausbeutung zu werden, warnen die Studienautoren. (epd/mig) Leitartikel Panorama Studien
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