Studie
Muslime integrierter, Hürden zum Trotz
Junge Muslime in Deutschland haben häufiger Jobs, sprechen öfter die deutsche Sprache und sind zunehmend besser integriert. Laut einer aktuellen Studie gibt es in Deutschland aber weiterhin auch Benachteiligungen, besonders für religiöse Muslime.
Freitag, 25.08.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:43 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Integration muslimischer Einwanderer in Deutschland macht deutliche Fortschritte. Spätestens seit der zweiten Generation sind sie mehrheitlich in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Das zeigt der Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann Stiftung, der Sprachkompetenz, Bildung, Teilhabe am Arbeitsleben und interreligiöse Kontakte von Muslimen in Westeuropa untersucht hat.
Deutschland sehen die Forscher auf einem guten Weg, auch wenn die Integrationserfolge von Teilen der Gesellschaft zu wenig anerkannt werden. Besonders erfolgreich verläuft in Deutschland die Integration der hier lebenden Muslime in den Arbeitsmarkt. Inzwischen unterscheidet sich die Erwerbsbeteiligung von Muslimen nicht mehr vom Bundesdurchschnitt der deutschen Erwerbsbevölkerung: Rund 60 Prozent arbeiten in Vollzeit, 20 Prozent in Teilzeit, und die Arbeitslosenquote gleicht sich ebenfalls an. Einwanderer profitieren maßgeblich vom hohen Arbeitskräftebedarf. Aber auch die Öffnung des Arbeitsmarktes durch schnellere Arbeitsgenehmigungen, kommunale Initiativen zur Job-Vermittlung und Sprachkurse macht sich positiv bemerkbar.
Für die meisten ist Deutsch die Erstsprache
Mit Deutsch als erster Sprache wachsen 73 Prozent der in Deutschland geborenen Kinder von muslimischen Einwanderern auf. Ihr Anteil steigt von Generation zu Generation. Das gilt auch für das Niveau der Schulabschlüsse. Die Angleichung an die durchschnittliche Schulabschlussquote aller Schüler verläuft in Deutschland allerdings langsamer als etwa in Frankreich. Dort verlassen nur elf Prozent der Muslime vor Vollendung des 17. Lebensjahrs die Schule. In Deutschland gilt das für 36 Prozent.
Einen Grund für den Unterschied sehen die Wissenschaftler im Schulsystem: In Frankreich lernen die Kinder länger gemeinsam und können so Startnachteile besser ausgleichen. Trotz höherer Schulabschlüsse sind in Frankreich Muslime im Vergleich zur Gesamtbevölkerung allerdings überdurchschnittlich oft arbeitslos und arbeiten seltener in Vollzeit. „Der internationale Vergleich zeigt, dass nicht Religionszugehörigkeit über die Erfolgschancen von Integration entscheidet, sondern staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen“, sagt Stephan Vopel, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung.
Fromme Muslime sind auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt
Auch der Einkommensvergleich zwischen deutschen und britischen Muslimen unterstreicht die Abhängigkeit von staatlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. In Deutschland fällt es hochreligiösen Muslimen schwer, einen Job zu finden, der ihrem Qualifikationsniveau entspricht. Sie verdienen erheblich weniger als Muslime, die ihre Religion nicht praktizieren.
Anders in Großbritannien: Dort sind sehr religiöse Muslime bei gleicher Qualifikation in den gleichen Berufsfeldern vertreten wie weniger fromme Muslime. „Muslime im Vereinigten Königreich profitieren offensichtlich von einer Chancengleichheit, die wesentlich durch die dortige institutionelle Gleichstellung des Islam mit anderen Religionen befördert wurde. Das Bekenntnis zum Glauben und die Ausübung der Religion sind im Arbeitsleben kein Tabu“, sagt Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann Stiftung. Beispielsweise dürfen britische Polizistinnen schon seit zehn Jahren im Dienst ein Kopftuch tragen.
Konfliktforscher mahnt größere Anerkennung
Handlungsbedarf sieht hier Grünen-Politiker Volker Beck. Er fordert religionspolitische Integration statt „Scheingefechte über ein Sondergesetz für Muslime oder das Verbot der Burka“. Statt das Klagelied über die angebliche Integrationsunfähigkeit des Islams anzustimmen, müsse die Diskriminierung von Muslimen und insbesondere Muslimas mit Kopftuch am Arbeitsmarkt endlich konsequent beseitigt werden. Die SPD-Kirchenbeauftrage Kerstin Griese fordert ebenfalls ein Vorankommen bei der Gleichstellung. Der Islamunterricht etwa müsse so selbstverständlich sein wie evangelische oder katholische Religionskunde oder Ethikunterricht.
Der Konfliktforscher Andreas Zick mahnte eine größere Anerkennung der Leistungen von Muslimen für die Integration an. Noch gebe es viele Vorurteile gegenüber Muslimen und dem Islam, sagte der Wissenschaftler am Donnerstag in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst. Befragungen seines Instituts zufolge befürchteten viele Bundesbürger eine Unterwanderung durch den Islam. „Die Anerkennung von Integration ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Integration selbst“, unterstrich Zick.
Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften
El-Menouar sieht in Deutschland Nachholbedarf bei der rechtlichen Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften und in der Antidiskriminierungspolitik. „Religiöse Symbole sollten nicht für Nachteile bei Bewerbungen sorgen, und religiöse Bedürfnisse wie Pflichtgebete und Moscheegänge sollten auch mit Vollzeitjobs vereinbar sein.“ Dies würde einem bedeutenden Teil der Muslime die Integration erleichtern, denn 40 Prozent von ihnen bezeichnen sich als hochreligiös.
Die bisher bereits erzielten Erfolge in der Integration lassen sich auch daran ablesen, dass 84 Prozent der in Deutschland geborenen Muslime ihre Freizeit regelmäßig mit Nicht-Muslimen verbringen. Fast zwei Drittel der Muslime geben an, dass ihr Freundeskreis mindestens zur Hälfte aus Nicht-Muslimen besteht. Jeder zweite Muslim hat einen deutschen Pass und 96 Prozent von ihnen betonen ihre enge Verbundenheit mit Deutschland.
Viele Vorurteile
Diese Integrationsleistungen finden nicht überall Anerkennung. 19 Prozent der Bürger in Deutschland geben an, keine Muslime als Nachbarn haben zu wollen. „Wenn sich Gesellschaften verändern, wird das immer auch als spannungsreich empfunden“, sagt Vopel. Um Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, nennt der Religionsmonitor drei zentrale Hebel: Erstens die Chancen auf Teilhabe zu verbessern, insbesondere im Bildungssystem. Zweitens den Islam als Religionsgemeinschaft institutionell gleichzustellen und somit religiöse Vielfalt anzuerkennen. Und drittens interkulturelle Kontakte und interreligiösen Austausch in Schule, Nachbarschaft und Medien zu fördern. (bs/mig/epd) Gesellschaft Leitartikel Studien
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Lange Zeit wollte ich es nicht glauben, dass ich, als Muslimin im Arbeitsleben benachteiligt werde. Leider stehe ich vor der Wahrheit. In unterschwellige Berufe werde ich gerne aufgenommen aber für Leitungspositionen, den öffentlichen oder höheren Dienst komme ich garnicht in Frage. Ich hoffe, dass dieser die Akteure in Kürze diesen fatalen Fehler beheben. Denn sie stört den ganzen demokratischen Prozess.