AfD keine Eintagsfliege
Forscher prophezeien Rechtsextremisten Zukunft im Bundestag
Die AfD konnte offenbar viele Nichtwähler und Menschen aus unterschiedlichen Gruppen mobilisieren. Meinungsforscher gehen davon aus, dass sich eine Partei vom "rechten Rand" dauerhaft im Bundestag etablieren wird.
Dienstag, 26.09.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 26.09.2017, 15:54 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die AfD hat einen Großteil ihres Erfolgs bei der Bundestagswahl laut Meinungsforschern bisherigen Nichtwählern zu verdanken. Offenbar sei es der AfD gelungen, einen Teil dieser Wähler an sich zu binden, sagte Peter Matuschek vom Forsa-Institut am Montag in Berlin. Zugleich scheint der Abwärtstrend bei der Wahlbeteiligung gestoppt. Forsa errechnete eine Wahlbeteiligung von insgesamt rund 75 Prozent, laut vorläufigem amtlichen Endergebnis des Bundeswahlleiters lag sie bei 76,2 Prozent.
Bei der Wahl zum Bundestag 2013 war die Wahlbeteiligung erstmals seit Jahren wieder leicht auf 71,5 Prozent gestiegen. Bei der Bundestagswahl 2009 hatte sie mit 70,8 Prozent ihren historischen Tiefpunkt erreicht. Vor allem die Zuwächse in den ostdeutschen Bundesländern bei der Wahlbeteiligung gingen mit einem herausragenden Wahlergebnis der AfD einher. In Sachsen etwa stieg die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich um 5,9 Prozentpunkte auf 75,4 Prozent, die AfD erreichte dort ihr bundesweit stärkstes Ergebnis von 27 Prozent.
Forscher: AfD keine Eintagsfliege
Dass die AfD eine „Eintagsfliege“ bleibt, glauben die Forscher nicht. „Es gibt bei jedem Ding einen linken und einen rechten Rand“, sagte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Aufgrund der historischen Erfahrung des Nationalsozialismus habe man es geschafft, den rechten Rand über Jahrzehnte zu tabuisieren. Man müsse nun damit rechnen, dass auch eine Partei am rechten Rand dauerhaft über fünf Prozent erreiche. Laut Jung ist dies jedoch kein Zustand, der grundsätzlich bedrohlich ist.
Den Forschern zufolge ist die AfD ein Sammelbecken unterschiedlichster Gruppen. EU-Skeptiker oder Menschen, die die Politik für ihre persönliche Lage verantwortlich machen, zählten genauso dazu wie Rechtsradikale. Nico Siegel von infratest dimap bezeichnete den Einzug von aktuell 94 AfD-Abgeordneten in den Bundestag als „Stresstest“. In den kommenden Wochen werde sich zeigen, wie die Partei sich in den parlamentarischen Betrieb einfüge.
Für das schlechte Abschneiden von CDU und SPD machten die Meinungsforscher ein unklares politisches Profil bei den beiden Volksparteien verantwortlich. Die Glaubwürdigkeit einer Partei hänge von ihrer Grundorientierung ab, unterstrich Jung. Der grundsätzliche Kurs der beiden großen Parteien sei für viele Wähler aber nicht eindeutig gewesen.
Wahlkampf nur dort, wo viele Stimmen sind
Die Berliner Amadeu Antonio Stiftung sieht in dem guten Abschneiden der AfD besonders in Ostdeutschland ein Versagen der etablierten Parteien. Auf dem Land seien ganze Regionen von den Parteien links liegen gelassen worden, sagte Geschäftsführer Timo Reinfrank am Montag dem Evangelischen Pressedienst: „Wenn nur dort Wahlkampf geführt wird, wo auch viele Stimmen zu erwarten sind, braucht man sich über ein solches Ergebnis nicht zu wundern.“
Die Bundestagswahl habe gezeigt, wie groß das rechtspopulistische Potenzial in Deutschland und speziell in Ostdeutschland sei und wie wenig vonseiten der Politik in Ländern wie Sachsen oder Sachsen-Anhalt dagegen gesteuert wurde. Jetzt räche sich, dass vielerorts in den 90er Jahren nichts passiert sei: „Es gab keinerlei politische Auseinandersetzungen um dieses Thema“, sagte Reinfrank. Zu erwarten sei nun, dass sich die Gesellschaft in den nächsten Jahren weiter polarisiert.
Gutes Abschneiden der AfD keine Überraschung
Der Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden, Frank Richter, sieht in dem überdurchschnittlichen Abschneiden der AfD im Osten und „keine Überraschung“. In Sachsen etwa sei „seit mindestens 15 Jahren ein Anwachsen rechtspopulistischer und extremistischer Denk- und Verhaltensmuster zu beobachten, vor allem im ländlichen Raum“, sagte der langjährige Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. „Was so lange gewachsen ist, wird auch nicht schnell vergehen“, betonte er.
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichten CDU und CSU gemeinsam 33 Prozent, die SPD 20,5 Prozent, die FDP 10,7 Prozent, die Linke 9,2 Prozent, die Grünen 8,9 Prozent. Die AfD kam auf 12,6 Prozent, die sonstigen Parteien auf insgesamt fünf Prozent. (epd/mig) Aktuell Politik
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Guten Tag!
Ich finde es gut, dass Rassismus ein Gesicht in der Bundespolitik bekommt. Bisher wurde es „tabuisiert“ heißt es im Artikel. Ich finde, das Wort passt nicht. Es wurde schlicht ignoriert. Jetzt geht das nicht mehr. Die Demokratie muss ihre Werte verteidigen und sich endlich offen und aktiv damit beschäftigen.
@Szczesny
Rassismus hat in Deutschland viel Gesichter und nicht nur bei der AfD ein Zuhause gefunden. Das „gute“ Abschneider der AfD ist eigentlich als Erfolg der Demokratie zu werten. Trotz Tabuisierung der etablierten Parteien haben die Wähler dort ihr Kreuz gesetzt.
Unser Problem sehe ich eher darin, dass wir den Wert einer „sozialen“ Marktwirtschaft aus dem Augen verloren haben. Parteiübergreifend war und ist man sich einige, dass man den Mittelstand entlasten will. Was ist aber mit den Menschen, deren Einkommen knapp über Hartz IV und unterhalb der Mittelschicht angesiedelt ist. „Arm trotz Arbeit“ ist zu einem Slogan geworden, der im Wahlkampf kaum zu hören war.
Einige haben vielleicht links gewählt und andere versuchen nun den Einwanderern die Schuld für ihre eigene prekäre Lage zu geben, indem sie die AfD gewählt haben. Schuld haben aber Parteien wie die SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU. Sie alle wollen nur den Mittelstand entlasten oder im Falle der Grünen eine teure Umweltpolitik realisieren, welche die ärmeren Menschen in Deutschland noch mehr ins Abseits drängen wird.
Dennoch darf man das Phänomen AfD auch nicht überbewerten. Tendenziell ist Rassismus das Sammelbecken für Verlierer. Und durch das Getrommel bzw. den Versuch sich als „Siegerrasse“ zu fühlen, schwindet bei einigen das Gefühl, dass sie selbst nur zum Bodensatz der Gesellschaft gehören. Leider übersehen solche Rassisten dann aber schnell, dass sie auch innerhalb von rassistischen Bewegungen nie mehr sein werden als die Handlanger derer, die sich ihrer bedienen.