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IG Metall

Die größte politische Interessensvertretung von Menschen mit Migrationshintergrund

Die IG Metall hat über 2,2 Millionen Mitglieder. Davon haben etwa 500.000 Mitglieder einen Migrationshintergrund. Dies wurde im Rahmen einer Studie ermittelt. Das lässt mehrere Schlüsse zu. Von Fessum Ghirmazion

Von Donnerstag, 12.10.2017, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.11.2023, 8:03 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Während in Deutschland 22,5 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund haben, sind es in der IG Metall 21,7 Prozent. In den Branchen, in denen die IG Metall vertreten ist, haben 20,2 Prozent der Beschäftigten eine Einwanderungsgeschichte. Bei den Mitgliedern im Betrieb liegt der Anteil mit 24,4 Prozent sogar höher.

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„Spiegel der Gesellschaft“

Das lässt drei Schlüsse zu: Erstens gelingt es der IG Metall erfolgreich, die Beschäftigten in den Betrieben, unabhängig von ihrer Herkunft, zu gewinnen. Zweitens ist die IG Metall eine Gewerkschaft, die durch Einwanderer und Einwandererinnen und ihre Nachkommen stark geprägt wurde und bis heute geprägt wird. Und drittens ist die IG Metall mit knapp 500.000 Mitgliedern mit Migrationshintergrund die größte politische Organisation in Deutschland, in der Menschen mit Einwanderungsgeschichte ihre Interessen vertreten und sich einbringen können. Das BIM konstatiert in seinem Projektbericht, „dass die IG Metall nach diesen Ergebnissen die erste [politische] Großorganisation ist, die sich in Bezug auf den Migrationshintergrund als ‚Spiegel der Gesellschaft’ bezeichnen kann.“ 1

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Die Mitglieder mit Migrationshintergrund repräsentieren die Migrationsbewegungen aus den unterschiedlichen Herkunftsländern: Bislang ist man davon ausgegangen, dass vor allem die Anwerbeabkommen der 1960er und 70er Jahre ursächlich für den Anteil an Mitgliedern mit Migrationshintergrund sind. Die Ergebnisse der Studie zeigen hingegen, dass auch jüngere Migrationsbewegungen in der Mitgliederstruktur der IG Metall abgebildet werden. Der Anteil der Menschen aus der Türkei ist mit 17,2 Prozent erwartungsgemäß hoch. Aber auch die Migrationsbewegungen der späten 1980er und frühen 90er Jahre sind in der Mitgliedschaft der IG Metall gut repräsentiert. Der hohe Anteil der Menschen, die aus den mittel- und osteuropäischen Staaten wie Polen und Rumänien kommen, macht dies deutlich. Hinzu kommen Russland und Kasachstan mit einem Anteil von 12,6 Prozent.

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Fachtagung: Die Ergebnisse und Zusammenhänge der Studie werden am 24. Oktober 2017 im Rahmen einer Fachtagung der wissenschaftlichen und politischen Öffentlichkeit vorgestellt. Weitere Informationen zur Tagung gibt es hier. Zum Inhalt und Ablauf informiert Sie das Tagungsprogramm. Um eine Anmeldung zur Veranstaltung wird gebeten.

Das zeigt, dass die IG Metall für Menschen mit Migrationshintergrund anschlussfähig ist und bleibt. Schon Anfang der 1960er Jahre war die IG Metall eine der ersten Organisationen, die ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufnahm und sie bei der Integration in die Unternehmen sowie in die Gesellschaft unterstützte. Zahlreiche erfolgreiche Initiativen für Gleichberechtigung und gegen Rassismus wurden angestoßen (z. B. „Gelbe Hand“, „Respekt – Kein Platz für Rassismus“). Dazu kommen die diskriminierungsfreien Richtlinien und Regeln der Gewerkschaft, ihre Bildungsarbeit und das explizit antirassistische Selbstverständnis der haupt- und ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre, das sich aktuell auch in ihrem starken Engagement für Flüchtlinge widerspiegelt.

Mitglieder mit Migrationshintergrund überproportional in Wahlämter vertreten

Mitglieder mit Migrationshintergrund sind in der IG Metall gleichberechtigt: Zahlreiche Studien zur strukturellen Diskriminierung zeigen die Benachteiligung von Migranten und Migrantinnen in der Arbeitswelt auf. So haben zum Beispiel Menschen mit einem türkischen Namen schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Die vorliegende Studie zeigt die positiven Effekte formaler Gleichbehandlung aller Menschen und Beschäftigten. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Satzung der IG Metall gewährleisten eine grundlegende Gleichbehandlung aller. In der Studie wird der Frage nachgegangen, ob diese formelle Gleichbehandlung auch dazu führt, dass Mitglieder mit Migrationshintergrund angemessen in Wahlämtern repräsentiert sind oder ob es auch in Betriebsrats- und Vertrauensleutegremien eine Art „gläserne Decke“ gibt.

Die Studie kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis. Mitglieder mit Migrationshintergrund sind überproportional in Wahlämtern aktiv. Das gilt sowohl für betriebliche als auch für gewerkschaftliche Funktionen. 32 Prozent der Betriebsräte und 37 Prozent der Vertrauensleute haben einen Migrationshintergrund. Sie leisten damit einen großen Beitrag für gute und faire Arbeitsbedingungen. Allein bei den Betriebsratsvorsitzenden ist mit 11 Prozent noch Luft nach oben.

Aus Sicht des BIM ist schon die Mitgliedschaft in der IG Metall „als eine Form von Engagement und damit als Indikator für die Integration in die Arbeitswelt“ 2 zu bewerten. Dies gilt noch mehr, wenn die Kolleginnen und Kollegen bereit sind, Ämter und Funktionen zu übernehmen und sich einer demokratischen Wahl zu stellen. Die hohe Bereitschaft, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen, ist ein Zeichen für die Fähigkeit der IG Metall, alle Beschäftigten – unabhängig von ihrer Herkunft – zu integrieren.

Ausblick und Handlungsbedarfe

Die Ergebnisse der Befragung sind in erster Linie ein Handlungsauftrag für die IG Metall. Aufgrund der demografischen und technologischen Entwicklungen wird es zu Veränderungen in den Belegschaften kommen. Es werden mehr Frauen, mehr Menschen mit akademischer Ausbildung und mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den Unternehmen tätig werden. Deshalb legt die IG Metall in ihren Aus- und Weiterbildungsangeboten für Haupt- und Ehrenamtliche einen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung von Vielfalts- und Beteiligungskompetenz. Bereits in der Trainee-Ausbildung wird die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen thematisiert und exemplarisch geübt. Bei der Einstellung von Trainees wird auf eine an Vielfalt (diversity) orientierte Personalrekrutierung geachtet. Vielfalt ist auch eine Herausforderung für Kommunikation und Vermittlung. Dialog und Beteiligung brauchen Zeit und Räume für Austausch. Das wiederum stellt hohe Ansprüche an die Prozesskompetenz und Kommunikationsfähigkeit von Funktionären und Funktionärinnen. Das Ziel ist, trotz unterschiedlicher Interessen und Biografien mit allen Beschäftigten zu einem gemeinsamen Handeln zu kommen, um Einkommen und Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die Verankerung und die Beteiligungsmöglichkeiten im Betrieb eine Schlüsselrolle für Integration und Teilhabe spielen. Durch die Möglichkeiten, die das deutsche Modell der Mitbestimmung eröffnet, können alle Beschäftigten die Arbeitswelt gleichermaßen mitgestalten. Ausbildung, Arbeit, Mitbestimmung und gewerkschaftliches Engagement waren und sind damit zentrale Erfolgsfaktoren für das Ankommen und die Emanzipation von Generationen von Eingewanderten in Deutschland.

Damit ist die IG Metall eine kompetente Ansprechpartnerin für politische Entscheidungsträger bei Einwanderungs- und Integrationsfragen. Im Namen ihrer Mitglieder setzt sie sich offensiv für die Entwicklung eines zeitgemäßen, unbürokratischen und sozialen Einwanderungskonzeptes ein, das Einwanderern und ihren Familien eine langfristige Perspektive in Deutschland ermöglicht, einen unkomplizierten und zügigen Zugang in das Ausbildungssystem und den Arbeitsmarkt eröffnet und die Anerkennung ausländischer Berufs(bildungs)-Abschlüsse vereinfacht.

Gerade in einer Zeit, in der sich unsere Gesellschaft zunehmend polarisiert und in der vermeintlich einfache Lösungen und Feindbilder Konjunktur haben, sieht sich die IG Metall in der Pflicht, ihre Expertise bei Integrationsfragen in die politische Debatte einzubringen. So hat die IG Metall gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) zwei Modelle entwickelt, um Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit zu bekommen und ihnen dadurch die Integration zu erleichtern. Jetzt liegt es an den Arbeitgebern sowie den Betriebsräten, Jugend- und Ausbildungsvertretungen und Vertrauensleuten, die betriebliche Mitbestimmung in den Unternehmen dafür zu nutzen, dass das Integrationsjahr umgesetzt wird und Geflüchtete Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen.

Info: Wesentliche Teile dieses Beitrages sind in den WSI-Mitteilungen 4/2017, Seiten 296-300 erschienen.

Die Studie zeigt, dass betriebliche Funktionsträger und Funktionsträgerinnen und IG Metall-Beschäftigte über Vielfaltskompetenz verfügen. Das bedeutet, Themen so zu identifizieren und so zu bearbeiten, dass sie im Idealfall von allen Beschäftigten getragen werden. Die betriebliche Mitbestimmung bietet dabei einen wichtigen konstitutiven Rahmen, in dem die gleichberechtigte Aushandlung von vielfältigen Interessen und deren Durchsetzung möglich ist. Das heißt auch, gegen Diskriminierung in den Unternehmen vorgehen zu können. Die Auseinandersetzungen um Themen und Interessen haben eine stark integrierende Wirkung. Das heißt, die IG Metall macht aus ihrer Vielfalt eine Stärke, um damit die Interessen aller durchzusetzen. Die Studienergebnisse zeigen, dass ein solidarisches und konstruktives Miteinander möglich ist. Das ist ermutigend, gerade in einer Zeit, in der Rechtspopulisten Menschen gegeneinander ausspielen und verunsichern.

  1. Karakayali, S., Foroutan, N., Giesecke, J., Schrenker M. (2016): Mitglieder mit Migrationshintergrund in der IG Metall, S. 35.
  2. Karakayali et al. (2016), S. 36.
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  1. Stockalone sagt:

    Hoffentlich werden die heutigen Mitglieder mit Migrationshintergrund nicht wie die türkischen Arbeitnehmer damals 1973 irgendwann wieder von der IG Metall verraten. Aufgearbeitet hat die Gewerkschaft ihre unrühmliche Rolle bei dem Streik jedenfalls nicht.

  2. Antoinette de Boer sagt:

    Die Aussage dieses Artikels zeigt a u c h ganz überdeutlich,wie wichtig, t h e m e n ü b e r g r e i f e n d , das kommunale Wahlrecht von Migranten für die Eingliederung in und Teilhabe an unserer Gesellschaft wäre.
    Nur wer sich verantwortlich in eine Demokratie einbringen kann,fühlt sich auch ernst genommen.Auch die nicht so einfache Form „Demokratie“ lässt sich so besser erfahren und lernen.

  3. Antoinette de Boer sagt:

    Antwort zu Stockalone:

    Könnten Sie sich vorstellen,dass n a c h fast 44 J a h r e n gemeinsamer Erfahrungen auch positive Entwicklungen möglich sind ?
    Ich denke,es gibt viele gute Beispiele,wobei das Miteinander verschiedenartiger Menschen immer einem Prozess unterliegt,der alle Seiten zu Akzeptanz und Toleranz herausfordert und dabei den Blick für Gerechtigkeit nicht aus den Augen gelassen werden darf.
    Als Einwanderungsland m ü s s e n wir a l l e als Gesellschaft unser Bestes geben und bei aller Skepsis p o s i t i v in die Zukunft schauen,dazu gehört natürlich auch,dass Fehler benannt und aufgearbeitet werden.

  4. Otto W sagt:

    @de Boer

    Es gibt bereits die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Das kommunale und bundesweite Wahlrecht ist also für Migranten bei Interesse ohne weiteres möglich. Es ist nicht nötig am Wahlrecht rumzudoktern, wenn der deutsche Staat in Form der d o p p e l t e n Staatsbürgerschaft den Migranten ein so großes Geschenk macht um hier volle Teilhabe zu erlangen.

    Davon abgesehen, glaube ich, dass nur ein sehr geringes Interesse am kommunale Wahlrecht seitens der Migranten existiert.

  5. FrankUnderwood sagt:

    @Antoinette de Boer

    Was hat der Artikel mit dem Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer zu tun?! Habe ich da oben etwa einen Absatz überlesen oder muss man das
    L A Y O U T a n p a s s e n damit die Botschaft verständlich wird?

    EU-Ausländer haben hier volles Kommunalwahlrecht und müssen von unseren Behörden bei Verwaltungsakten wie deutsche Staatsbürger behandelt werden. Keine Diskussion bei Unionsbürgern!

    Allen anderen steht es frei die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, wenn man mitbestimmen möchte. Nicht-EU-Ausländer haben an unseren Wahlurnen nichts verloren.