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Gegenseitige Rücksichtnahme

Uni Hamburg veröffentlicht Verhaltenskodex für Religionsausübung

Ein Burka-Verbot hat die Universität Hamburg nicht beschlossen, jedoch einen Verhaltenskodex herausgegeben. Danach sind rituelle Fußwaschungen in sanitären Anlagen ebenso verboten wie hörbare Gebete in Bibliotheken.

Donnerstag, 19.10.2017, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.10.2017, 13:00 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

An der Universität Hamburg wird es auch künftig kein allgemeines Burka-Verbot geben. Der neue Verhaltenskodex zur Religionsausübung untersage eine Vollverschleierung aber, wenn es den Wissenschaftsbetrieb beeinträchtigt, sagte Präsident Dieter Lenzen am Mittwoch bei der Vorstellung des Kodex‚. Dazu zählten unter anderem Prüfungen, Labor-Praktika und medizinische Untersuchungen. Die Universität Hamburg sei bundesweit die erste, die mit Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen ein Zehn-Punkte-Papier zur Religionsausübung erarbeitet habe.

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Diskriminierung von Frauen aus religiösen Gründen will die Universität nicht dulden. So ist eine Trennung nach Geschlechtern im „Raum der Stille“ nicht erlaubt. Dies gelte unabhängig davon, so Lenzen, ob die Frauen dies selbst wünschen oder nicht. Wer aus religiösen Gründen ein Zeugnis nicht aus den Händen einer Frau entgegen nehmen will, müsse auf das Zeugnis verzichten. Fußwaschungen in sanitären Anlagen oder hörbare Gebete in Bibliotheken, wie es vereinzelt praktiziert worden sein soll, sollen ebenfalls unterbleiben.

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Professorin wirbt um gegenseitige Rücksichtnahme

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Mehrere Monate lang hatte eine Kommission unter Leitung der Philosophie-Professorin Birgit Recki den Verhaltenskodex erarbeitet. Beteiligt waren Religionswissenschaftler, Verfassungsjuristen, Psychologen sowie Vertreter der Studierenden. Ziel sei es gewesen, so Lenzen, die Religionsausübung weitgehend zu ermöglichen, ohne die Freiheit der Wissenschaft einzuschränken.

Hintergrund waren offenbar Übergriffe von einigen wenigen muslimischen Studenten, die im „Raum der Stille“ und anderen Uni-Räumen muslimische Frauen und Nicht-Muslime bedrängt haben sollen. Das Leben an der Universität lebe von gegenseitiger Rücksichtnahme, sagte Recki. Nicht-Religiösen dürfe die Auseinandersetzung mit dem Glauben nicht aufgezwungen werden.

Kippa, Kreuz und Schleier erlaubt

Das Tragen von religiösen Symbolen wie Kippa, Kreuz oder Schleier ist ausdrücklich erlaubt. Die Universität werde sich bei ihrer Veranstaltungsplanung aber nicht von Gebetszeiten leiten lassen, sagte Lenzen. Richtlinie seien die gesetzlichen Sonn- und Feiertagsbestimmungen. Lenzen: „Es ist aber niemandem verboten, den Raum zu verlassen.“

In welcher Weise Mensen und Cafés religiöse Speisevorschriften beachten, bleibe in der Verantwortung der Betreiber, heißt es in dem Papier. Die Mensen des Studierendenwerks würden die Richtlinien für den Speiseplan in einem Ausschuss festlegen, betonte Lenzen. Dabei würden religiöse Speisevorschriften bereits weitgehend berücksichtigt. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. karakal sagt:

    Ein solcher zwangsweiser Kodex kann nicht als „gegenseitige“ Rücksichtnahme bezeichnet werden, sondern es ist eine einseitige, die die Muslime in der freien Ausübung ihrer Religion einschränkt.
    Ein Zeugnis aus der Hand einer Frau entgegenzunehmen ist im Islam allein noch keine verwerfliche Handlung, sondern nur, wenn damit verbunden ist, dieser Frau die Hand zu schütteln. Das erinnert mich an eine Begebenheit, die mir über den verstorbenen marokkanischen König Hassan II berichtet wurde: Ein Student weigerte sich bei der Aushändigung seines Abschlußzeugnisses durch den König, sich vor diesem zu verbeugen und ihm die Hand zu küssen, worauf der König das Zeugnis zerriß.
    Die Ausübung der islamischen Religion wird nur eingeschränkt toleriert, aber man verlangt von den Muslimen, den nichtislamischen Gewohnheiten nicht nur mit Respekt zu begegnen, sondern auch, sie zu übernehmen. Das ist nicht Integration (unversehrte Aufnahme eines neuen Teils in ein bestehendes Ganzes), sondern Assimilation (Angleichung unter Aufgabe wesentlicher Eigenheiten). Wenn sich die Universität dem Säkularismus und weltanschaulicher und religiöser Neutralität verschrieben hat, dann bedeutet das nicht, daß die von derjenigen des heutigen Christentums unterschiedliche religiöse Praxis im Islam dahingehend mißerstanden werden darf, daß man meint, sie derart einschränken zu müssen, daß dadurch den Muslimen erhebliche Beschwernisse verursacht werden. Das ist nicht mehr Integration, sondern bereits eine Form von Tyrannei.

  2. President Obama sagt:

    Ich finde es ausgesprochen gut, wenn nun den Studierenden klar ist, welche Freiheiten und welche Beschränkungen sie haben. Meinem Vorschreiber kann ich überhaupt nicht verstehen und auch nicht im Ansatz verstehen, warum hier „eine Form von Tyrannei“ vorliegen sollte.

    Sofern sich ein Student mit diesen Mindeststandards nicht einverstanden erklärt, ist es ihm/ihr ja nicht verboten sich einen anderen Studienplatz zu suchen, der all dies ermöglicht.

    Wer sich jetzt noch als Opfer staatlicher Unterdrückung betrachtet, wird sich wohl mit der Opferrolle abfinden müssen.

  3. FrankUnderwood sagt:

    @Karakal
    Was glaubst du eigentlich wo du hier bist? :D
    Und wieso sollte sich die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft vollständig den Muslimen anpassen?

    Du solltest dankbar sein, dass hier im Gegensatz zu den meisten muslimischen Ländern Meinungs- und Religionsfreiheit für alle gilt. Aber wir können leider nicht alle deiner steinzeitlichen Wünsche erfüllen, weil das gegen unsere Prinzipien verstößt.

    Du darfst hier studieren aber niemand zwingt dich dazu.
    Vielleicht kannst du dich ja an der Freien Universität von Tora Bora besser entfalten.

  4. posteo sagt:

    Der Student Mohamed Atta hat sich auch geweigert, seiner Prüferin die Hand zu geben. Das Ende seiner Lebensgeschichte darf als bekannt voraus gesetzt werden.

  5. Otto W sagt:

    @karakal

    Denken Sie immer daran dass der deutsche Staat zwar das Recht auf Religionsfreiheit gewährt, vergessen Sie aber bitte nicht den Kontext unter dem diese Religionsfreiheit gewährt wird. Deutschland ist ein aufgeklärtes Land mit einer aufgeklärten Bevölkerung. Man weiß also sehr wohl was man religiösen Menschen abverlangen kann, vor allem wenn es sich obendrein um Studierende einer Hochschule handelt. Mit andeten Worten: halten Sie uns bitte nicht für blöd.

    So zu tun als ob es niemals die Aufklärung gegeben habe und unter diesem Kontext hier versuchen zu wollen seine Religion absolutistisch Ausleben zu wollen hat nichts mit Integration zu tun. Und nein, ihre Definition von Integration hat absolut gar nichts mit echter Integration zu tun, sondern ist allenfalls ein Freifahrtsschein sich immer als Ofer sehn zu dürfen und überall Diskriminierung zu vermuten. Integration heißt Anpassung und nichts anderes. Ihre Definition bedeutet Parallelgesellschaft.