Gespräch
Ex-Bürgermeister Nierth fordert „klare Kante“ gegen Fremdenfeinde
Der Angriff auf den Altenaer Bürgermeister Hollstein hat Betroffenheit in quer durch die Republik ausgelöst. Auch der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, war Opfer rechtsextremer Anfeindungen und Bedrohungen. Im Gespräch erklärt er, was politisch motivierte Angriffe auslösen.
Von Christine Xuân Müller Mittwoch, 29.11.2017, 6:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.11.2017, 16:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Markus Nierth, hat mit großer Betroffenheit auf den Angriff auf den Bürgermeister der sauerländischen Kleinstadt Altena, Andreas Hollstein (CDU), reagiert. Die Nachricht über die Messerattacke sei ihm „sehr stark in die Knochen gefahren“, sagte Nierth dem Evangelischen Pressedienst. Rückblickend auf eigene Erfahrungen sagte der 48-Jährige, ein politisch motivierter Angriff sei nicht nur eine „physische Verletzung, sondern hinterlässt oft auch ein langwierige seelische Beschädigung“. Er forderte, der „alltäglichen Vermehrung von Menschenfeindlichkeit“ entgegenzutreten.
Hollstein war am Montagabend in einem Döner-Imbiss von einem Mann mit einem Messer angegriffen und am Hals verletzt worden. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, das er aber bereits wieder verlassen hat. Der 56-jährige Angreifer wurde festgenommen. Nach Hollsteins Aussage könnte seine Haltung in der Flüchtlingspolitik das Motiv des Angreifers gewesen sein.
Zivilgesellschaft soll „klare Kante“ zeigen
Die Attacke erinnert Nierth an eigene Erfahrungen. Der parteilose frühere ehrenamtliche Ortsbürgermeister und evangelische Theologe war nach Konflikten unter anderem mit NPD-Anhängern Anfang März 2015 von seinem Amt zurückgetreten. Es folgten über Wochen hinweg Morddrohungen und Drohungen gegen die Familie. Kurz danach wurde auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz bei Zeitz ein Brandanschlag verübt. Die Vorfälle hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
Nierth sagte: „Immer mehr scheinbar bürgerliche Menschen fühlen sich auch durch das Schweigen der Mitte zu gewissenlosen, bösen Taten bevollmächtigt.“ Er rief die Zivilgesellschaft auf, „klare Kante“ zu zeigen und „überall entschieden zu widersprechen, wo sich Menschen zum destruktiven Handeln entschlossen haben“.
„Gegenwehr muss lauter werden“
„Die Gegenwehr muss lauter und deutlicher werden, damit diese Wutbürger, diese unanständigen, verrohten Zeitgenossen ausgegrenzt werden und nicht diejenigen, die sich für eine demokratische Gesellschaft engagieren“, sagte Nierth. Angesichts der wachsenden Fremdenfeindlichkeit, die aus einem Zeitgeist von Egokult und Konsumsucht erwachse, sei wieder eine „Gegenkultur nötig, die auf Nächstenliebe und Barmherzigkeit basiert“.
Der ehemalige Ortsbürgermeister berichtete davon, dass rechtsmotivierte Bedrohungen und Attacken, Spuren in seiner ganzen Familie, insbesondere bei seinen Kinder, hinterlassen haben. Seine Familie sei in Tröglitz in den vergangenen zweieinhalb Jahren „als Nestbeschmutzer“ von einer Mehrheit isoliert worden. Durch wirtschaftlichen Boykott der Tanzschule, die seine Frau mit ihm betreibt, und seiner Tätigkeit als freiberuflicher Trauerredner hätten sie Umsatzeinbußen von rund 30 Prozent erlitten. „Man muss aufpassen, dass man dabei nicht verbittert und sich mit einer Opferrolle abfindet“, sagte Nierth, der sich inzwischen auch als Referent deutschlandweit für einen Wertewandel engagiert. (epd/mig) Aktuell Politik
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