Jerusalem
Heiliger Ort für Muslime, Juden und Christen
Kurz nach der umstrittenen Jerusalem-Entscheidung des US-Präsidenten eröffnet in Berlin die Ausstellung "Welcome to Jerusalem". Thematisiert wird die Geschichte einer Stadt, in der Alltag, Religion und Politik untrennbar miteinander verbunden sind.
Von Nadine Emmerich Montag, 11.12.2017, 6:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.12.2017, 17:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit dem ersten Schritt in die Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ ist der Besucher auch schon mittendrin: Polizisten patrouillieren über einen Basar, in einer Kantine wird Essen ausgegeben, Schüler laufen durchs Treppenhaus, ein Baby wird geboren. Das Jüdische Museum Berlin (JMB) katapultiert das Publikum mit Filmszenen auf großen Leinwänden und von allen Seiten direkt in den israelischen Alltag. Doch schnell tauchen in diesem Überfluss der audiovisuellen Eindrücke etwa mit dem Holocaust History Museum auch die ersten Bilder auf, die zeigen: Das hier ist nicht der Alltag einer x-beliebigen Stadt.
Die Stadt Jerusalem „ist ein emotional hochbesetztes Thema“, sagte Kuratorin Cilly Kugelmann am Freitag bei der Vorstellung der Ausstellung mit rund 170 Exponaten in zehn Räumen, die ab Montag bis zum 30. April 2019 zu sehen ist. Der Status der Stadt mit den meisten Sakralbauten der Welt ist bekanntlich brisant. Aktueller könnte das Thema der Schau zudem kaum sein: Erst am Mittwoch verkündete US-Präsident Donald Trump in einem historischen Alleingang, die USA würden Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und auch den Sitz ihrer Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegen.
Mit Trumps Entscheidung „nichts zu tun“
„Welcome to Jerusalem“ habe mit Trumps Entscheidung indes „nichts zu tun“, betonte Museumsdirektor Peter Schäfer. „Für das Timing können wir nichts.“ Ohne Position zu beziehen, zeige die Ausstellung die 860.000-Einwohner Stadt als „Brennpunkt von Konflikten“ und als Ort, auf den alle drei monotheistischen Religionen aus unterschiedlichen Gründen Anspruch erheben würden. Besuchern werde „keine Interpretation“ vorgegeben.
Ein Blick hinter die Kulissen: Die Aufbauarbeiten zu »Welcome to Jerusalem« sind in vollem Gange… Mehr zur Ausstellung unter: https://t.co/oEGMUlWYmj | Ausstellungseröffnung am 10.12.2017 #JerusaleminBerlin pic.twitter.com/UudkK0bRLE
— jmberlin (@jmberlin) 7. Dezember 2017
Was die Stadt von allen anderen Städten der Welt unterscheide, sei die von Muslimen, Juden und Christen „auf sie projizierte Heiligkeit“, sagte Kugelmann. Die zentrale Achse der Ausstellung präsentiert daher Modelle der Sakralbauten aller drei Religionen: die Grabeskirche, der islamische Heilige Bezirk Haram asch-Scharif mit dem Felsendom und der Al Aksa-Moschee sowie die Klagemauer auf dem Tempelberg. Von dem riesigen, in Berlin gezeigten Haram-asch-Scharif-Modell existieren weltweit nur drei Exemplare, das im JMB gezeigte stammt aus dem Bibelmuseum in Amsterdam.
Keine Chronologie
Die Installation „Augmented Temple“ bringt derweil den Herodianischen Tempel aus der Antike nah: Auf einem zwei Meter großen Modell werden damalige Besucherströme von an hohen Feiertagen bis zu 10.000 Menschen projiziert und die Architektur des Tempels erklärt. Zudem können Besucher vier Augmented-Reality-Filme zu Ritualen aus dem Tempelleben sehen.
Info: Jüdisches Museum Berlin. 11. Dezember 2017 bis 30. April 2019 täglich 10-20 Uhr.
„Welcome to Jerusalem“ geht nicht chronologisch vor. Auf den filmischen Einstieg folgt die Vermessung der Stadt mittels unzähliger Karten, die teils bereits politische Ansprüche illustrieren. Ein nächster Raum widmet sich voll mit Kreuzen und religiösen Souvenirs der Bedeutung Jerusalems als touristischem Pilger- und Wallfahrtsort. Thematisiert werden darüber hinaus etwa die letzten Jahrzehnte des Osmanischen Reichs, unterschiedliche religiöse Auslegungen im Judentum und zeitgenössische künstlerische Positionen.
Ausstellung bald mit Trumps Definition
Die Ausstellung verdankt ihre eindringliche Wirkung einer starken medialen Prägung. In kaum einem Raum gibt es keine Leinwände oder Fernseher, die Gläubige bei ihren jeweiligen Gebeten und Ritualen zeigen. Das Bildmaterial der auch in einer Filmlounge gezeigten Echtzeitdokumentation „24h Jerusalem“ von Regisseur Volker Heise ist allgegenwärtig und spiegelt die Geschichte der Stadt und ihre Kultur unmittelbar mit dem aktuellen Leben dort.
Auch Trumps Hauptstadtdefinition wird noch ein Platz eingeräumt werden: Am Ausgang ist eine lange Pinnwand mit internationaler Berichterstattung geplant, bis April 2019 soll so eine aktuelle Chronik Jerusalems der vergangenen eineinhalb Jahre entstehen. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen